Jacques Baud: „Unsere Politiker und Medien machen sich keine Sorgen über die Ukrainer“
von Florian Rötzer
Teil 1 des Gesprächs mit Jacques Baud: „Das war sicher kein Putschversuch, wie unsere Medien die Sache aufgeblasen haben“
Warum es bei der ukrainischen Offensive hakt, warum der Westen alte Waffensysteme liefert, warum das russische Militär unterschätzt wird und warum dem Westen nichts an der Ukraine liegt.
Jacques Baud war Oberst der Schweizer Armee, arbeitete für den Schweizerischen Strategischen Nachrichtendienst, die Vereinten Nationen und für die Nato in der Ukraine. Er ist Autor mehrerer Bücher über Nachrichtendienste, asymmetrische Kriegsführung, Terrorismus und Desinformation. Das Gespräch wurde am 26. Juni geführt.
Teil 1 des Gesprächs mit Jacques Baud: „Das war sicher kein Putschversuch, wie unsere Medien die Sache aufgeblasen haben“
Es hat angeblich die ukrainische Großoffensive an verschiedenen Stellen in Bachmut und weiter im Süden begonnen, aber sie kommt offenbar nicht richtig voran. Es ist zwar immer von der Ukraine die Rede, dass dieses oder jenes Dorf befreit worden sei, aber das sind keine wirklichen Geländegewinne. Die Ukraine steht jedenfalls unter Druck. In den USA erwartet man schnelle Erfolge. Kann man das so bestätigen?
Jacques Baud: Ja, das ist so. Die Amerikaner brauchen einen Erfolg. Vor allem Biden. Und die optimale Lösung wäre natürlich ein großer Erfolg der Ukrainer, weil er nicht mit diesem Krieg in den Präsidentschaftswahlkampf gehen will. Das ist verständlich. Der Westen hat wahnsinnig viel Material, Munition und Geld in die Ukraine investiert. Dabei wurden unsere eigenen Grenzen erreicht. Nur als Beispiel gab es vor allem in den Staaten des ehemaligen Warschauer Pakts sowjetisches militärisches Material. Auch einige Länder wie Deutschland oder Schweden hatten solches Material. Alles wurde an die Ukraine gegeben, das heißt, heutzutage gibt es kein ehemaliges sowjetisches Material mehr in Europa. Dazu hat man schwere westliche Waffen wie die Leopard-Kampfpanzer usw. geliefert oder ist man dabei, diese zu liefern. Wir sind dabei an an unsere Grenzen gestoßen. So müssen die Amerikaner beispielsweise TNT-Sprengstoff aus Südkorea bestellen, weil es für ihre Produktion von Artilleriegeschossen fehlt. Das heißt, auch die Amerikaner sind tatsächlich an der Grenze für die Produktion von Waffen zur Unterstützung der Ukraine.
Die westlichen Staaten, insbesondere Amerikaner, erwarten ein Resultat. In den USA sind die Republikaner zwar sehr antirussisch, aber sie kritisieren Biden für das Management des Krieges und wollen ein Resultat haben. Und das kommt nicht. Schon Anfang des Jahres hat schrieb der Times of London, dass Selenskij eine harte Arbeit bei der Gegenoffensive vor sich habe, aber dass er keine Wahl habe. Das ist das Problem: Er hat keine Wahl. Er muss das machen.
Aber die Technik der ukrainischen Armee wurde Ende Mai, Anfang Juni letztes Jahr zum größten Teil zerstört. Ab Juni 2022 hing die ukrainische Armee von der Unterstützung des Westen ab. Dazu kommt, dass die ukrainische Armee seit Ende des letzten Jahres und Anfang dieses Jahres an die Grenze der Menschenressourcen stößt. Daher gibt es jetzt eine Generalmobilmachung in einigen Oblasten, weil sie keine Truppen mehr haben. Weiterlesen bei overton.de
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