»Die schlimmen Zeiten sind nicht vergessen« Von Arnold Schölzel

Blockade von Leningrad: „Die schlimmen Zeiten sind nicht vergessen“

Blockadekind, Schafhirt und Spitzentechniker: Leonid Berezin, der in Berlin lebende 95jährige Überlebende der Leningrader Blockade, erinnert sich.

Aus: Ausgabe vom 27.01.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Blockade von Leningrad

»Die schlimmen Zeiten sind nicht vergessen«

Blockadekind, Schafhirt und Spitzentechniker. Ein Gespräch mit Leonid Berezin
Von Arnold Schölzel
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Verteidiger der Stadt während der Blockade: Sowjetische Panzer auf der Urizkistraße (30.10.1942)

 

Leonid Berezin wurde 1929 in Sibirien geboren, kam aber als Kleinkind nach Leningrad. Er überlebte die Blockade der Stadt und arbeitete dort Jahrzehnte im Zentralen Forschungsinstitut für Schiffsinstrumente an Waffentypen, über die der Westen nicht verfügte. Seit 1992 lebt er in Berlin

Sie haben die Leningrader Blockade überlebt. Wie viele Überlebende gibt es in Berlin?

 

Allein hier sind wir 40 bis 45 Menschen, in der Bundesrepublik etwa 300. Wir haben uns in der Vereinigung »Lebendige Erinnerung« zusammengeschlossen und arbeiten mit dem »Club Dialog« im Wedding und der Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« zusammen. Bis zur Pandemie feierten wir den Jahrestag der Befreiung Leningrads stets im Haus der Russischen Kultur, aber das ist jetzt nicht mehr möglich. Einige wenige fliegen auch in diesem Jahr auf Einladung des Gouverneurs von St. Petersburg dorthin, um den 80. Jahrestag der Befreiung Leningrads zu feiern. Überlebende der Blockade leben überall auf der Welt.

Wie begehen Sie im »Club Dialog« den Jahrestag?

Wir hören dort ein Fragment der »Leningrader Sinfonie« von Dmitri Schostakowitsch, die er zu Beginn der Blockade komponiert hat und die am 9. August 1942 in Leningrad aufgeführt wurde. Wir gedenken vor allem der Toten. Niemand weiß, wie viele es letztlich waren. Die Schätzungen reichen von 600.000 bis 1,2 Millionen Menschen. Sie starben durch Hunger, Kälte, Bomben und viele andere Ursachen. Heute wissen hier allerdings viele junge Menschen kaum noch, dass St. Petersburg und Leningrad dieselbe Stadt sind.

Sie waren am 22. Juni 1941 zwölf Jahre alt. Wie haben Sie den Kriegsbeginn erlebt?

Ich war an jenem Tag in einem Pionierferienlager, gut 20 Kilometer von Leningrad entfernt. Es war für Kinder von Mitarbeitern der großen Leningrader Textilfabrik »Rotes Banner«. Dort arbeitete mein Großvater, denn ich lebte bei meinen Großeltern. Meine Eltern waren unterwegs auf Großbaustellen des sozialistischen Aufbaus, vor allem in den großen Kraftwerken am Wolchow und am Swir. Bis 1936 war ich im Sommer manchmal zwei Monate bei ihnen, dann ging es zurück zu Opa und Oma. 1936 sollte ich auf einmal bei den Eltern bleiben und zur Schule gehen, das war in Staraja Russa. Als ich einen Monat lang die Schule geschwänzt hatte, durfte ich zurück. Ich hatte vier Klassen absolviert, als der Krieg kam. Weiterlesen in jungewelt.de

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