Problemkind Ukraine – EU-Ratssitzung mit brisanter Tagesordnung
Selten war in Brüssel die Besorgnis vor einer Tagung des Europäischen Rates so groß. Die Staats- und Regierungschefs, die sich am 14. und 15. Dezember treffen werden, haben eine brisante Tagesordnung.
Problemkind Ukraine – EU-Ratssitzung mit brisanter Tagesordnung
Von Pierre Lévy
Vor allem zwei Dossiers sind unter den 27 Mitgliedern des EU-Rats für die kommende Tagung besonders umstritten: die Aussicht auf einen EU-Beitritt der Ukraine und die Erhöhung des EU-Haushalts. Ein separates Dossier, die Aufstockung des Fonds (außerhalb des Haushalts) zur Finanzierung der Militärhilfe für Kiew um 20 Milliarden, hat kaum Chancen auf Zustimmung. Für jeden dieser Punkte muss einstimmig grünes Licht gegeben werden.
Der erste vorhersehbare Konfliktpunkt ist die Erweiterung der Union um die Ukraine, aber auch um Moldawien und die Balkanländer. Prinzipiell sind die Mitgliedsländer darüber einig: Im Juni letzten Jahres wurde Kiew und Chișinău der offizielle Kandidatenstatus zuerkannt. Mit diesem symbolischen Geschenk wollten die europäischen Staats- und Regierungschefs erneut ihr politisches Engagement gegen den „russischen Aggressor“ bekräftigen.
Doch hinter der Fassade lässt sich niemand täuschen. Sobald der nächste Schritt konkret eingeleitet werden muss, nämlich die tatsächliche Aufnahme von „Verhandlungen“ mit den Kandidatenländern (in Wirklichkeit die einseitige Anpassung dieser Länder an die EU-Regeln – ein Prozess, der sich über viele Jahre hinzieht), treten die Gegensätze zwischen den 27 hervor.
Es gibt diejenigen, die bedingungslose Befürworter des frühestmöglichen Beitritts sind, egal was es kostet, selbst wenn das EU-Recht gebeugt werden muss und selbst wenn die sieben Vorbedingungen, die im Juni an die Ukraine gestellt wurden (Kampf gegen Korruption, Achtung der „Rechtsstaatlichkeit“, „Entoligarchisierung“, …) nicht erfüllt werden. Die baltischen Staaten fallen in diese Kategorie, da sie davon überzeugt sind, dass dies der einzige Weg ist, um zu verhindern, dass Russland sie überfällt und dann über ganz Europa herfällt …
Es gibt aber auch diejenigen, die das abgrundtiefe Wohlstandsgefälle zwischen den Kandidaten und den derzeitigen Mitgliedern messen und sich – zu Recht – die haushaltspolitischen Umwälzungen vorstellen, die die Union durchmachen würde. Zum Beispiel: Die Länder, die heute mehr Geld von Brüssel erhalten, als sie einzahlen, würden eine Umkehrung dieser Situation erleben.
Dies gilt insbesondere für die östlichen EU-Länder. Diese – Polen, Slowakei, Bulgarien, Rumänien, … – befürchten auch, dass sie in verschiedenen Bereichen von den billiger produzierenden Neuankömmlingen Konkurrenz erhalten könnten (eine Konkurrenz, von der sie bei ihrem eigenen Beitritt 2004/2007 auf Kosten des Westens profitiert hatten). Angesichts der Geschenke, die der Ukraine früher gemacht wurden (Marktzugang), sind schon mehrere Sektoren betroffen, zum Beispiel der Verkehr und die Landwirtschaft.
Die eifrigsten Befürworter der europäischen Integration befürchten ihrerseits, dass die Entscheidungsprozesse durch die Erweiterung von 27 auf fast 35 Mitglieder zunehmend blockiert werden. Um dies zu verhindern, plädiert der französische Präsident Emmanuel Macron für ein Europa „mit mehreren Geschwindigkeiten“. Die derzeitigen Strukturen und Funktionsweisen sollten seiner Meinung nach vor den neuen Beitritten reformiert werden.
Berlin teilt diese Sorge, ohne es auf die gleiche Weise zu formulieren. Österreich seinerseits besteht darauf, die Ukraine dürfe nicht dazu führen, dass der Beitritt der Balkanländer, die seit Jahren darauf warten, in Vergessenheit gerät…
Und schließlich kommt da noch der ungarische Premierminister. Viktor Orbán schrieb am 4. Dezember an den Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, und forderte, das Thema von der Tagesordnung zu streichen, ebenso wie die geplante Haushaltshilfe für Kiew. Andernfalls, so drohte der schwarze Peter Brüssels, würde „der offensichtliche Mangel an Konsens unweigerlich zu einem Scheitern führen“. Sein Außenminister legte noch einen drauf:
„Wer kann ernsthaft behaupten, dass die Ukraine für Beitrittsverhandlungen bereit ist?“
Der ungarische Regierungschef, der von seinen Kollegen oft als „pro-russisch“ gebrandmarkt wird, ist es gewohnt, aufsehenerregende Erklärungen abzugeben, doch am Ende knickt er ein, nicht ohne kleinere Zugeständnisse zu bekommen. Vielleicht will er auch dieses Mal drohen, bevor er über die Freigabe der 22 Milliarden Euro verhandelt, die Brüssel als Vergeltung für „Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit“ in Ungarn eingefroren hat.
Nur dass dieses Mal schon teilweise eine Freigabe erreicht wurde. Und dass Orbáns Partei im Land eine Konkurrenzpartei aufsteigen sieht, die die Stimmung einer Bevölkerung widerspiegelt, die dem Krieg und der Ukraine zunehmend ablehnend gegenübersteht.
Vor allem aber schätzen manche Beobachter, dass die ungarische Rebellion in Wirklichkeit einigen Hauptstädten, die es nicht wagen, sich öffentlich gegen den Beitritt der Ukraine auszusprechen, es jedoch denken, willkommen sein könnte. Dies gilt aus den genannten Gründen für Frankreich und Deutschland, aber auch für die Niederlande und die Slowakei, zwei Länder, wo die Wähler vor Kurzem für Parteien gestimmt haben, die der Unterstützung Kiews feindlich gegenüberstehen.
Budapest gehört auch zu den vielen Hauptstädten, die gegen den Vorschlag sind, den die Kommission im Juni formuliert hat: den Mehrjahreshaushalt (2021 bis 2027) der EU um 98 Milliarden zu erhöhen. Denn der Krieg in der Ukraine und die COVID-Krise haben die Kassen viel schneller geleert als erwartet. Brüssel schraubte daraufhin seine Ambitionen zurück: Es ist jetzt die Rede von einer Erhöhung um „nur“ 73 Milliarden – davon sollen 50 Milliarden zur Rettung der ukrainischen Wirtschaft verwendet werden.
Abgesehen von diesem Bereich sind sich die verschiedenen Mitgliedsstaaten jedoch nicht einig, welche Haushaltsposten aufgestockt werden sollten: Klima, Sicherheit, Grenzen, Forschung … Andere schlagen vor, vorrangig zu sparen.
Dies ist der Fall bei den Staaten, die traditionell als „knauserig“ bezeichnet werden, wie die nordischen Länder, Österreich und die Niederlande. In letzterem Fall wird der scheidende Regierungschef sein Land vertreten, aber er muss ein Mandat von den neuen Abgeordneten erhalten. Geert Wilders, der Gewinner der Wahl vom 22. November, lehnte zusätzliche EU-Ausgaben ab, was von den Wählern weitgehend bestätigt wurde.
Die Position Berlins wird noch mehr Gewicht haben. Und das in einem Kontext, in dem die Ampelregierung durch die Entscheidung des Verfassungsgerichts brutal geschwächt wurde. Die Karlsruher Richter haben es verboten, den deutschen Jahreshaushalt durch mehrjährige Sondervermögen aufzustocken, erst recht, wenn der Zweck des Sondervermögens im Laufe der Zeit geändert wird. Unmittelbare Folge: Es müssen dringend 17 Milliarden für den Bundeshaushalt 2024 aufgebracht werden – was nicht gerade ein Anreiz ist, die Zahlungen an Brüssel steigen zu lassen.
Indirekte Folge: Diejenigen, die insbesondere in Paris, Rom oder Madrid gehofft hatten, nach den 750 Milliarden, die 2020 geliehen wurden (und mit deren Rückzahlung bald begonnen werden muss), einen neuen gemeinsamen Fonds auflegen zu können, müssen diese Hoffnung aufgeben. Und damit auch darauf verzichten, eine EU zu preisen, die „föderaler“ würde.
Wie dem auch sei, Olaf Scholz hat die Absicht, jegliche „Haushaltslaxheit“ zu blockieren. Wie die meisten seiner Kollegen hat er jedoch seinen Willen bekundet, die 50 Milliarden, die Kiew versprochen wurden, zu retten.
Viktor Orbán argumentierte dagegen:
„Es wird keine Lösung für den Krieg zwischen Russland und der Ukraine auf dem Schlachtfeld geben. Anstatt den Krieg zu finanzieren, sollten wir die Ressourcen Europas endlich für den Frieden einsetzen.“
Der Ungar schlug vor, dass es jedem Land freistehen sollte, die ukrainische Wirtschaft zu finanzieren – oder nicht.
Wird der Europäische Rat im Namen der „europäischen Einheit, die es gegenüber Putin zu bewahren gilt“, im letzten Moment einen für die Europäische Union typischen byzantinischen Kompromiss finden? Wenn dies der Fall wäre, würde er die Widersprüche auf später verschieben, ohne sie inhaltlich zu lösen.
Umgekehrt wäre eine fehlende Einigung ein monumentales Fiasko, das die Grundfesten der EU weiter erschüttern würde, und das zu einem Zeitpunkt, da verschiedene kürzliche Wahlen einen Anstieg des sogenannten „Populismus“ in den Dossiers zeigen, die Brüssel am meisten am Herzen liegen: Ukraine, Haushalt, aber auch Einwanderung und Klima.
Dies hat der Chef der liberalen Fraktion im Europaparlament, der Makrongetreue Stéphane Séjourné, auf seine Weise ausgedrückt, als er seine Truppen dazu aufrief, „von überzeugten Proeuropäern zu überzeugenden Proeuropäern zu werden“.
Was für ein Eingeständnis!
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