Solidarität mit palästinensischem Volk? Linker Verein „Rote Hilfe“ gerät in Streit
Nach dem Anschlag auf israelische Zivilisten will die Bundesregierung neben der verantwortlichen islamistischen Hamas auch das linke palästinensische Netzwerk Samidoun verbieten. Die Vorgänge spalten nun auch den vom Verfassungsschutz als „linksextrem“ beobachteten Verein „Rote Hilfe“.
Solidarität mit palästinensischem Volk? Linker Verein „Rote Hilfe“ gerät in Streit
Von Susan Bonath
Nach dem Großangriff auf israelische Zivilisten an der Grenze zum Gazastreifen will die Bundesregierung nicht nur die angeblich in Deutschland aktive islamistische Organisation Hamas verbieten. Auch das Netzwerk Samidoun, das sich seit 2012 für die Befreiung palästinensischer Inhaftierter in israelischen Gefängnissen einsetzt, steht auf ihrer Verbotsliste. Das Problem: Samidoun hat mit radikalem Islamismus, somit auch der Hamas, nichts im Sinn. Im Gegenteil: Der Verfassungsschutz stufte das Netzwerk stets als „linksextrem“ ein.
Deshalb hatte sich der linke Rechtshilfeverein „Rote Hilfe“, der ebenfalls vom Verfassungsschutz beobachtet wird und „politisch verfolgte Linke“ juristisch unterstützt, auch für den Palästinenser Zaid Abdulnasser eingesetzt. Abdulnasser wird vorgeworfen, für Samidoun aktiv zu sein, weswegen er abgeschoben werden soll. Doch mit dieser juristischen Unterstützung soll es laut Bundesvorstand jetzt vorbei sein. Berliner Mitglieder sind darüber erzürnt.
Keine Hilfe mehr für Palästinenser?
Die aktuellen Ereignisse, inklusive einseitiger Parteiergreifung von Bundesregierung und Leitmedien für die israelische Regierung und pauschalen Antisemitismus-Vorwürfen, haben Mitglieder des Bundesvorstandes der Roten Hilfe wohl in die Enge getrieben. Am 11. Oktober erschien eine Erklärung auf der Webseite des Vereins, wonach dieser sich von weiterer Unterstützung für den Palästinenser distanziert.
Der Erklärung zufolge hätten Samidoun-Mitglieder „linke Grundprinzipien verletzt“. Zu diesen zählten sie unter anderem „das Eintreten für die Ziele der Arbeiterbewegung, die internationale Solidarität, den antifaschistischen, antisexistischen, antirassistischen, demokratischen und gewerkschaftlichen Kampf sowie den Kampf gegen Antisemitismus, Militarismus und Krieg“.
Gegen welches der genannten Prinzipien der Roten Hilfe Abdulnasser oder andere Samidoun-Aktivisten in welcher Weise verstoßen haben sollen, verdeutlichte der Bundesvorstand als Herausgeber der Meldung nicht. Jedoch erklärte er die Unterstützung der Kampagne für Palästinenser für beendet. Auch ein entsprechendes „Spendenkonto“ solle nicht weiter genutzt werden, heißt es.
Berliner Vereinsgruppe wehrt sich
Mit dieser Distanzierung sind aber nicht alle Vereinsmitglieder einverstanden. Am 19. Oktober wies die „Rote Hilfe Berlin“ die Vorstandserklärung zurück. Die Berliner Ortsgruppe sei nicht in die Erstellung des Statements einbezogen worden, und „wir teilen es nicht“, ließ sie verlautbaren.
Zunächst bemängelte die Berliner Gruppe der Roten Hilfe Inhaltliches: Es habe nie ein eigenes Spendenkonto für den Fall des von Abschiebung bedrohten Samidoun-Aktivisten gegeben. Das gemeinte Solidaritätskonto sei vielmehr für alle Menschen bestimmt, „die auf Grund ihres linken Engagements für ein freies Palästina Repression erfahren“. Weiter bemängeln die Berliner Vereinsmitglieder:
„Wir verurteilen die rassistische Hetze, die jegliche Solidarität mit der Zivilbevölkerung Palästinas mit der Unterstützung reaktionärer Gruppen wie der Hamas gleichsetzt. Gleichzeitig verurteilen wir die faktische Aufhebung des Demonstrationsrechts, wie sie gerade in Berlin mit allen Mitteln des Repressionsapparats, von Anordnungen der Versammlungsbehörde bis zu brutaler Polizeigewalt, durchgesetzt wird.“
Wenn Solidarität mit Palästina zum Ausleben von Antisemitismus missbraucht werde, „verurteilen wir das aufs Schärfste“, stellte die Berliner Gruppe klar. Sie verdeutlichte aber auch, dass Samidoun „vom Staat als linke Organisation betrachtet und verfolgt“ werde. Die Rote Hilfe müsse ihren „strömungsübergreifenden Charakter“ behalten, so das Plädoyer der Berliner an den Bundesvorstand.
Fragwürdige Staatsräson
Der zugrunde liegende Konflikt in dem Verein dürfte – mal wieder – unterschiedlichen Auffassungen von Antisemitismus geschuldet sein. Nach deutscher Staatsräson zählt bekanntermaßen sogar Kritik an der ultrarechten israelischen Staatsführung dazu.
Wer sich mit der einfachen palästinensischen Bevölkerung solidarisiert oder die unmenschlichen Lebensbedingungen im abgeriegelten Gazastreifen anprangert, gerät ebenfalls schnell unter Verdacht, ein Antisemit zu sein. Diese Schwarz-weiß-Paradigmen spalten in Deutschland nicht nur die Linke.
Umgekehrt bedient die Bundesregierung mit ihrer Gleichsetzung von Hamas und Samidoun durchaus rassistische Stereotypen, indem sie offenbar alle Palästinenser und ihre Organisationen mit der islamistischen Hamas gleichsetzt und den zugrunde liegenden Konflikt durch die israelische Besatzung, Siedlungspolitik und fortgesetzte Ungleichbehandlung von Palästinensern ignoriert. Die Probleme löst sie damit allerdings nicht – im Gegenteil.
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