Die Einübung der Käuflichkeit oder: Wie die deutsche Politik ihre Moral verlor – Teil 1
Von Dagmar Henn
Das ist der zweite Anlauf zu diesem Artikel. Es ist nicht ganz einfach, das Thema zu fassen; nicht jedes Nachsinnen über bestimmte Zusammenhänge und Veränderungen erreicht einfach die Form, in der man ihm folgen kann.
Fangen wir mit dem Auslöser an, den Skandalen, die keine mehr werden. Wenn die Tatsache, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein Milliardengeschäft mit Pfizer/BioNTech per SMS abschließt und diese anschließend löscht, was ein extrem starkes Indiz für Korruption ist, dann führt das nicht nur nicht zu ihrer sofortigen Absetzung, es landet noch nicht einmal für längere Zeit in den Schlagzeilen. Das könnte man noch mit der Kontrolle von Medienkonzernen und Parteien über die veröffentlichte Meinung erklären; aber es entsteht auch sonst wenig öffentliche Empörung. Von der Leyens Käuflichkeit ist auch in den sozialen Medien schlicht als Bestätigung einer Erwartung verbucht worden, die aber keinerlei Empörung mehr auslöst.
Das passt natürlich zusammen mit der resignativen Reaktion auf eine Regierung, die im günstigsten Fall, wenn sie gar nichts tut, gerade mal keinen Schaden anrichtet. Wenn man sich noch an politisch lebhaftere Zeiten erinnert, ein irritierendes Stillhalten; und die Veränderung geht so tief, ist so umfassend, dass sie nicht durch die dauernde Propaganda allein erklärbar ist. Warum also wird selbst die sichtbarste, offenste Korruption oder die erbärmlichste Unterwürfigkeit nicht einmal mehr zum dauerhaften Stammtischgespräch?
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