Irans Angriff auf Israel von Moshe Zuckermann

Ich danke Moshe Zuckermann für die Genehmigung seinen neuen Overton Artikel auf der Hochblauen Seite zu veröffentlichen. Evelyn Hecht-Galinski

Irans Angriff auf Israel

Was bedeutet der direkte Angriff des Iran auf Israel, welcher der Aktion Israels gegen die iranische Botschaft in Damaskus folgte? Keine leicht zu beantwortende Frage.

Start der iranischen Raketen. Bild: farsnews.ir

Irans Angriff auf Israel

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Was bedeutet der direkte Angriff des Iran auf Israel, welcher der Aktion Israels gegen die iranische Botschaft in Damaskus folgte? Keine leicht zu beantwortende Frage.

 

Zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser Zeilen ist noch nicht gewiss, wie Israel auf den Angriff Irans auf Israel in der Nacht des 14. April reagieren wird. Mit einer Großattacke, die rund 350 unbemannte Flugkörper, ballistische Raketen und Marschflugkörper umfasste, “beantwortete” der Iran den (Israel beigemessenen) Angriff auf das iranische Konsulat in Damaskus am 1. April, bei dem Mohammad Reza Zahedi, Brigadegeneral der Iranischen Al-Quds Brigaden, und mindestens 15 weitere Personen umkamen. Dies war der erste direkte Angriff des Iran auf Israel, den Israel, wie verlautbart wurde, “selbstverständlich” nicht “ohne adäquate Reaktion” passieren lassen darf.

Nachdem man zuvor in Israel zwei Wochen lang in höchster Anspannung auf die militärische Aktion, die sich der Iran würde einfallen lassen, gewartet hatte, wobei viele in der israelischen Bevölkerung in Panik gerieten (und sich in massiven Hamsterkäufen ergingen), wartet man nun wieder auf die “Reaktion auf die Reaktion”, die sich Israels Politiker und Armeekommandeure ersinnen werden, um “die Abschreckung” wiederherzustellen.

Nun steht Israel vor einem Dilemma. Die Hardliner, allen voran Finanzminister Bezalel Smotrich und Polizeiminister Itamar Ben-Gvir, aber auch die Militärspitze, drängen auf eine baldige, heftige Attacke im iranischen Territorium. Präsident Joe Biden mahnt demgegenüber zur Moderation: Militärische Aktion schon, aber keine, die zu einem regionalen Krieg führen könnte, in welchem auch die USA zwangsläufig involviert würde.

Entsprechend verkündete der von seinen Koalitionspartnern zur Tat gedrängte israelische Premier, man müsse jetzt “klug” (mithin nicht voreilig) handeln, und die Iraner mögen in der panischen Spannung verharren, der zuvor die israelische Bevölkerung ausgesetzt war. Es handelt sich um eine Eskalationspolitik, die sich augenscheinlich bemüht, es nicht “zu weit” zu treiben. Inwiefern man freilich den Tiger, den man reitet, wirklich in Griff hat, ist nicht ausgemacht. Den beiden Seiten geht es auch (manche würden sagen: primär) um Image und “Ehre”.

Man ahnt gleichwohl, dass vieles dabei auch politisch inszeniert und effektvoll orchestriert ist. Das hört sich widersinnig an: Bei der Masse an bewaffneten Flugkörpern, die der Iran für seinen Vergeltungsschlag am 14. April aufgebracht hat, kann man doch nicht allen Ernstes von theatralischem Augenschein sprechen. Es gilt allerdings zu bedenken, dass gemessen am eingesetzten Detonationspotential die Aktion wenig Schaden in Israel angerichtet hat. Dies hatte zweifellos mit der effizienten israelischen Luftabwehr, die allerdings auch von den USA, von Frankreich, England und einigen (Iran-feindlichen) arabischen Staaten unterstützt worden ist, zu tun, aber eben auch damit, dass der Iran mit Vorbedacht keine Bevölkerungszentren und zivile Ziele zu beschießen trachtete. Bidens “Don’t” mag da seine Wirkung gezeitigt haben.

Und nun versucht “der Westen”, Netanjahu von einer “Reaktion auf die Reaktion” abzubringen. Während ich dies schreibe, höre ich in den Radionachrichten, dass Rishi Sunak, der britische Premier, gestern vergeblich versucht habe, Benjamin Netanjahu zu erreichen. Der israelische Premier habe das Gespräch schlicht verweigert, um sich dem “Druck von außen” nicht auszusetzen. Die Bevölkerung wird dabei mitbedacht und zugleich außer acht gelassen: Jene, die auf israelische Vergeltung aus sind, werden unter parteipolitischen Gesichtspunkten beachtet, jene, die auf Zurückhaltung setzen (um erneute Panik zu vermeiden) werden – nicht zuletzt medial – ignoriert.

Bemerkenswert ist, dass sowohl viele in Irans Bevölkerung wie auch die Öffentlichkeit Israels ihre “Freude” an der iranischen Attacke am 14. April hatten: Erstere über die schiere Tatsache, dass ihr Land Israel direkt attackiert, letztere, dass die israelische Luftwaffe so bravourös die Attacke abwehrte. So wurden beide Seiten bedient.

Man kommt nicht umhin, auch den lächerlichen Aspekt der gewollt-ungewollten Eskalation zu registrieren. Stünde nicht Menschenleben und unbeschreibliches Verwüstungspotential auf dem Spiel, könnte man sich an der Idiotie beider Seiten sarkastisch delektieren: Wie zwei infantile Macho-Rabauken stacheln sie sich gegenseitig auf, wollen die je eigene Macht, die ohnehin nicht in ihrer vollen militärischen Gewalt ausgespielt wird, eitel demonstrieren und überflüssigerweise aufbauschen, um die “Abschreckung” nach jedem vollführten Gewaltakt wiederherzustellen. Besiegen kann keine Seite die andere. Man kann höchstens die Kontrolle verlieren und einen regionalen Flächenbrand entfachen, der in der Konstellation des Nahen Ostens auch in einen Weltkrieg umschlagen könnte.

Was das für den Iran bedeutet, soll hier unerörtert bleiben. In Israel ist der Gaza-Krieg und mit ihm das drängende Problem der Geiselloslösung aus dem Blickfeld geraten. Dass der 14. April einen Umschlag der Wahrnehmung Israels in der Weltöffentlichkeit (vor allem in ihrem westlichen Teil) gezeitigt hat – man solidarisierte sich spontan mit dem durch den Iran so massiv attackierten zionistischen Staat –, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Israel kein Interesse daran hat, seine Politik entsprechend zu ändern: Die Koalitionspartner Netanjahus hindern ihn daran; Netanjahu selbst ist einzig durch sein Privatinteresse des Machterhalts angetrieben – beide sind bestrebt (von großen Teilen der israelischen Gesellschaft darin unterstützt), den Krieg nicht zu beenden.

Dass Israel am 1. April die Liquidierung des iranischen Brigadegenerals vollführte, mag damit zusammenhängen, dass sich schlicht die Gelegenheit dazu anbot; man demonstriert ja gern seine Geheimdienstkapazitäten (um “Abschreckung” zu generieren). Die Frage gilt es aber zu beantworten, ob man auch die möglichen Folgen dieses Attentats ernsthaft in Kauf nahm. Bei der derzeitigen israelischen Regierungskoalition ist das mitnichten ausgemacht. Oder etwa doch? Nicht ausgeschlossen, dass man gerade mit der handfesten Provokation der Aktion am 1. April die Fortsetzung des Krieges zu garantieren trachtete.

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