Orwell lässt grüßen: Nancy Faesers „repressive Maßnahmen zum Schutz der offenen Gesellschaft“ Von Richard Mahnke

Orwell lässt grüßen: Nancy Faesers „repressive Maßnahmen zum Schutz der offenen Gesellschaft“

Nancy Faeser möchte die „offene Gesellschaft“ und die Demokratie beschützen – vor „Hass“ und „Desinformation“. Doch wer sich das entsprechende Strategiepapier der Regierung durchliest, merkt schnell: Eigentlich geht es um das genaue Gegenteil.

Orwell lässt grüßen: Nancy Faesers „repressive Maßnahmen zum Schutz der offenen Gesellschaft“

Von Richard Mahnke

 

Nancy Faeser möchte die „offene Gesellschaft“ und die Demokratie beschützen – vor „Hass“ und „Desinformation“. Doch wer sich das entsprechende Strategiepapier der Regierung durchliest, merkt schnell: Eigentlich geht es um das genaue Gegenteil.
Quelle: www.globallookpress.com © Sebastian Gollnow/dpa

 

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat am Mittwoch die Strategie der Bundesregierung „Gemeinsam für Demokratie und gegen Extremismus“ vorgestellt. Der Untertitel der dazugehörigen Pressemitteilung lautet vielsagend:

„Präventive und repressive Maßnahmen zum Schutz der offenen, vielfältigen Gesellschaft und der Demokratie.“

In dem knapp 60-seitigen Papier wird dargestellt, wie die Regierung gegen Kritik („Hass und Hetze“) und unerwünschte Informationen und Meinungen („Desinformation“) vorzugehen gedenkt.

Natürlich führt der Inhalt der Schrift die Sprechblasen von Regierung und Ministerin ad absurdum, das in einer Art und Weise, die an einen George Orwell erinnern. Statt um den Schutz von Demokratie und offener Gesellschaft geht es um deren ideologische Gleichschaltung, das Ausschalten von Kritik und um die Sicherung einer autoritären Ordnung – gegen das Volk.

Faeser erwähnt in ihrer Pressekonferenz zur Vorstellung des Strategiepapiers ausdrücklich den 75. Jahrestag des Grundgesetzes. Die darin verankerten Grundrechte, die, das wird heute gerne verschwiegen, Abwehrrechte gegen den Staat sind, würden durch die skizzierten Maßnahmen massiv verletzt.

Nancy gibt den Orwell

Die Ministerin begründet in ihrer Pressemitteilung die Notwendigkeit ihres Strategiepapiers mit „extremistischen“ inneren und äußeren Bedrohungen:

„Wir sind eine starke Demokratie. Aber unsere Demokratie ist auch unter Druck – durch extremistische Bedrohungen im Inneren ebenso wie durch äußere Bedrohungen wie die russische Aggression. Diejenigen, die in unserer Gesellschaft Wut und Hass säen, sind lauter geworden. Der Hass im Netz ist weiter explodiert. Putins Regime versucht, dies durch Lügen, Propaganda und Einflussnahme noch zu verstärken. Das alles sind Bedrohungen, denen wir uns als Rechtsstaat und Demokratie sehr deutlich entgegenstellen.“

Und weiter:

„Gerade jetzt in diesen Tagen, in denen unser Grundgesetz 75 Jahre alt wird und wir unsere Demokratie zu Recht feiern werden, gilt es, unsere Demokratie zu schützen. Wir müssen unser Zusammenleben in Freiheit und Sicherheit aktiv verteidigen. Damit dies gelingt, muss unsere Demokratie wehrhaft bleiben und ihren Feinden effektiv begegnen. Dafür haben wir heute die gemeinsame Strategie der Bundesregierung für eine starke Demokratie und gegen Extremismus beschlossen. Damit bündeln wir viele unserer Maßnahmen und richten sie so aus, dass wir den aktuellen Bedrohungslagen effektiv begegnen.“

„Fundamentale Transformationsprozesse“ – „im Interesse der Menschen“

Interessant ist auch die Beschreibung der „gesellschaftspolitischen Ausgangslage“ im Papier mit der Betonung „fundamentaler Transformationsprozesse“ und dem in Klammern gesetzten Hinweis, dass die Regierung im Interesse der Menschen agiere:

„Die Gesellschaft und unsere Demokratie […] stehen angesichts von Klimawandel, sozialer Ungleichheit, demografischem Wandel, Digitalisierung, der Frage des Umgangs mit Flucht- und Migrationsbewegungen sowie zunehmender Unsicherheiten in der globalen Sicherheits- und Wirtschaftsordnung auch vor langfristigen und fundamentalen Transformationsprozessen, die die Bundesregierung (im Interesse der Menschen in unserem Land) auf Grundlage der Werte und Normen unseres Grundgesetzes gestaltet.“

Bemerkenswert ist auch, welche Politikfelder für problematisch gehalten werden:

„Besonders polarisierende Themenfelder sind derzeit vor allem Migration, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der Nahost-Konflikt oder auch Klimaschutzmaßnahmen. Damit können Sorgen und Ängste in der Bevölkerung verbunden sein, die auch und vor allem das alltägliche Leben betreffen. Bewusst eingesetzte Desinformation z. B. hybrid agierender fremdstaatlicher Akteure trägt zu einer weiteren Polarisierung bei.“

Wohlgemerkt, der Gedanke, die Bürger über die richtige Politik abstimmen zu lassen, taucht weder hier noch an anderer Stelle auf. Es geht immer nur um die Markierung des Unerwünschten als „Hass und Hetze“ sowie als „Desinformation“ – und um deren Bekämpfung.

Indoktrination von der Wiege bis zur Bahre

Die beschriebenen Maßnahmen zu dieser Bekämpfung lassen aus? Es wird unterschieden zwischen der „Stärkung der Demokratie“ von innen heraus und Maßnahmen gegen „demokratiegefährdende Entwicklungen“. In das erste Themengebiet fällt die „politische Bildung“. Dazu heißt es:

„Ziel der Bundesregierung ist es, politische Bildung entlang der Bildungskette zu stärken. Angebote der politischen Bildung und Demokratiebildung von Kindesbeinen an bis ins hohe Alter werden von der Bundesregierung in Entwicklung und Umsetzung gefördert. Hierzu gehören Angebote der schulischen und außerschulischen politischen Jugendbildung, die in allen Praxisfeldern der Kinder- und Jugendarbeit wie zum Beispiel der offenen Jugendarbeit, der Jugendverbandsarbeit, der Jugendsozialarbeit oder im Sport als Querschnittsaufgabe verankert ist.“

Auch die Erwachsenen sind nicht außen vor. Sie sollen auch über ihre Arbeitsplätze erreicht werden:

„Daneben werden wir die politische Erwachsenbildung weiter fördern. Besonders intermediäre Organisationen wie Gewerkschaften und Betriebe als „Werkbänke der Demokratie“ erscheinen hierbei als zentrale Partner. Betriebe und Unternehmen sind unabhängig vom Vorhandensein eines Betriebsrates Lernorte demokratischen Denken und Handelns. Kooperationen mit betrieblichen und berufsbildenden Trägern, die (lebens-) praxisnahe Angebote umsetzen, wollen wir ausbauen. Hierfür sollen neue Formen der Zusammenarbeit von Unternehmen, Verbänden oder Kammern mit staatlichen Institutionen und Trägern der politischen Bildung aufgebaut werden. Darüber hinaus wollen wir verstärkt auch ältere Menschen in der nachberuflichen Lebensphase erreichen.“

Wie diese „Bildung“ etwa in den „polarisierenden Themenfeldern“ Migration, Ukraine und „Klimaschutz“ aussieht, ist bekannt. Es ist eben nicht Bildung, sondern Indoktrination und, hier tatsächlich, Propaganda.

Polizeistaat zum Schutz von Systemträgern

Ausdrücklich und ausführlich befasst sich die Strategie mit dem „Schutz von demokratisch Engagierten“, also von Systemträgern, zu denen neben Politikern auch die einschlägig bekannten Meldestellen gehören dürften. Diesen wird gegen Kritiker direkte Unterstützung der Sicherheitsbehörden in Aussicht gestellt:

„Die Bundesregierung wird zudem die Entwicklung von Schutzkonzepten für bedrohte zivilgesellschaftlich Engagierte sowie Entscheidungs- und Mandatsträgerinnen und Mandatsträger noch intensiver fördern. Für einen wirksamen Schutz von Betroffenen unterstützt die Bundesregierung den Aufbau und die Weiterentwicklung von Netzwerken zwischen Zivilgesellschaft, Verwaltung und Sicherheitsbehörden, die Betroffenen zügig und effektiv Schutz, Beratung und Unterstützung bieten.“

Überwachung und Zensur im Netz

Angekündigt wird auch die „Förderung des demokratischen Engagements im digitalen Raum“:

„Für eine nachhaltige Förderung konstruktiven, demokratischen Engagements im Netz ist die Stärkung der Medien- wie Debattenkompetenz aller Beteiligten sowie eine enge Begleitung und Moderation der Foren und Prozesse erforderlich. Dies wird die Bundesregierung in ihrer Förderpraxis berücksichtigen und den Aufbau und die Weiterentwicklung entsprechender Kompetenzen in der Bevölkerung, Zivilgesellschaft und Verwaltung fördern.“

„Enge Begleitung“ und „Moderation“, das klingt auf den ersten Blick harmlos. Allerdings kann „enge Begleitung“ im Netz nichts anderes heißen als umfassende Überwachung – „Moderation“ steht für Zensur und Löschung.

„Vielfalt“ im Öffentlichen Dienst – Postenvergabe nach Hautfarbe

Sehr viel Platz nimmt auch das Thema „Anerkennung und Wertschätzung einer vielfältigen Gesellschaft sowie Abbau von Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ ein – volle vier Seiten, die inhaltlich nichts Neues hergeben. Interessant wird es beim nächsten und inhaltlichen verwandten Thema „Förderung von Demokratie und Vielfalt im Öffentlichen Dienst“.

Hier wird erklärt, dass Posten im öffentlichen Dienst künftig auch nach Hautfarbe vergeben werden sollen:

„Darüber hinaus plant die Bundesregierung ein Bundespartizipationsgesetz auf den Weg zu bringen, um damit die Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund am öffentlichen Dienst zu stärken.“

Erfassen und Verfolgen von Kritikern

Im zweiten Abschnitt der Handlungsschwerpunkte der Bundesregierung („Demokratiegefährdenden Entwicklungen begegnen“) geht es zunächst einmal ausführlich um „Prävention von Extremismus und Demokratiefeindlichkeit“. Doch spätestens im Abschnitt „Umgang mit Hass im Netz und Desinformation“ auf Seite 42 wird es wieder interessant.

Spannend ist hier zunächst einmal die Beschreibung des Begriffes „Hass“, die natürlich vollkommen vage bleibt und auch bleiben muss, damit der Begriff in der heute üblichen Weise verwendet werden muss:

„Hass im Netz verletzt nicht nur subjektive Rechte, sondern gefährdet auch den freien Meinungsaustausch und damit das Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Einerseits werden Betroffene aus dem öffentlichen Diskurs im Netz zurückgedrängt. Andererseits wird eine polarisierte und vergiftete Debattenkultur befördert.“

Hier wird mit dem Begriff „Hass“ nicht etwa eine Straftat beschrieben. Letztlich geht es um nicht genehme Äußerungen, die unterdrückt und verfolgt werden sollen. Man beachte die Logik: „Hass“ verletze das Grundrecht auf Meinungsfreiheit – deshalb, so der nicht erwähnte Schluss, muss das Grundrecht auf Meinungsfreiheit eingeschränkt werden.

Genauso beim Thema „Desinformation“. Was hier beschrieben wird, sind nicht irgendwelche Unwahrheiten, sondern nicht genehme Informationen und Meinungen. Natürlich sollten sich gerade auch Leser (und Autoren) alternativer Medien angesprochen fühlen:

„Desinformation aus dem Ausland, aber auch von Akteuren und Einzelpersonen aus dem Inland destabilisiert die staatliche Ordnung und den Zusammenhalt. Denn sie manipuliert den Prozess der Meinungsbildung und schürt gesellschaftliche Konflikte. Mit Desinformation werden nicht nur Personen des öffentlichen Lebens und demokratische Institutionen gezielt delegitimiert, sondern unser gesamtes demokratisches System.“

Und weiter:

„Gerade im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie im Zuge des Nahostkonflikts ist eine Zunahme von Desinformation vor allem in den Sozialen Medien zu beobachten. Ein konsequentes Vorgehen gegen Hass im Netz und Desinformation ist daher essentiell zur Aufrechterhaltung unserer wehrhaften Demokratie sowie unserer offenen freiheitlichen Gesellschaft.“

Angekündigt wird ein „Aktionsplan“, der jeden Journalisten und Autor betreffen könnte, der nicht in der großen Konsensmanufaktur des Mainstreams tätig ist:

„Zusammen mit den Ländern arbeitet die Bundesregierung zudem an einem gemeinsamen Aktionsplan gegen Desinformation und für eine wehrhafte Demokratie. Der Aktionsplan hat zum Ziel, Strukturen und die Zusammenarbeit zur frühzeitigen Erkennung, Analyse und Abwehr von Desinformation auszubauen, gemeinsame öffentlichkeitswirksame Maßnahmen im Umgang mit Desinformation durchzuführen, Maßnahmen zur Stärkung der gesellschaftlichen Resilienz gegen Desinformation zu fördern, die Medien- und Nachrichtenkompetenz zu stärken sowie die Forschung zu Produzenten und zur Wirkung von Desinformation und möglichen Gegenmaßnahmen gezielt zu fördern.“

Gesetze dürfen dem Polizeistaat nicht im Weg stehen

Für den Kampf gegen „Hass“ plant die Regierung ein privates Auskunftsverfahren, das auch Nutzungsdaten erfassen soll, und „mit dem die Identität der Verfasserin oder des Verfassers rechtswidriger Inhalte einfacher geklärt und damit eine praktikable zivilrechtliche Verfolgung rechtswidriger Inhalte ermöglicht wird“.

Kurioserweise beklagt sich die Regierung in ihrem Strategiepapier über die Vielzahl von Gesetzen, die ihrem Kampf gegen „Hass“ und „Desinformation“ im Wege stehen:

„Beispielsweise ist festzustellen, dass die Sicherheitsbehörden in Deutschland mit Blick auf die bestehenden, jeweils unterschiedlichen bundes- und landesspezifischen Rechtsgrundlagen uneinheitlich aufgestellt sind. Das Nebeneinander von 18 bundes- bzw. landesspezifischen Polizeigesetzen, 17 Versammlungsgesetzen sowie von 19 verschiedenen Nachrichtendienstgesetzen darf die Erfüllung des sicherheitsbehördlichen Auftrags nicht erschweren.“

Die Lösung lautet auch hier mehr „Gleichklang“:

„Wir setzen uns in diesem Zusammenhang dafür ein, zugunsten der besseren Wehrhaftigkeit unserer Demokratie auf dem größtmöglichen gemeinsamen Nenner einen besseren Gleichklang herzustellen. Bei dieser Harmonisierung wollen wir die bestehenden föderalen Gremien einbinden.“

Fazit

Nancy Faeser hat am Mittwoch ein Strategiepapier vorgestellt, das das Gegenteil von dem enthält, was es laut ihrer Ankündigung enthalten sollte. Es geht um die Sicherung von Herrschaft, aber sicherlich nicht der des Volkes. Und die Verteidigung der „offenen Gesellschaft“ besteht letztlich in deren Gleichschaltung.

Erst einmal sind das alles nur Ankündigungen, doch schon diese wirken reichlich dystopisch. Leider wird das Papier nur wenig Aufmerksamkeit erfahren, doch wer wenigstens in Umrissen wissen möchte, wie die Regierung die erwarteten „langfristigen und fundamentalen Transformationsprozesse“ im Informationsraum absichern möchte, wird hier fündig.

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