Hashim Thaçi und der Präzedenzfall Kosovo – infosperber
Am 24. März 1999 begann die NATO einen Angriffskrieg gegen Restjugoslawien, das damals faktisch nur noch aus Serbien und Montenegro bestand. Der Krieg entbehrte eines UN-Mandats und jeder Rechtsgrundlage. Er verstiess gegen die UN-Charta, die NATO-Statuten und auch gegen nationale Verfassungen der angreifenden Staaten.
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Hashim Thaçi und der Präzedenzfall Kosovo
von Helmut Scheben
15,. April 2023
Am 24. März 1999 begann die NATO einen Angriffskrieg gegen Restjugoslawien, das damals faktisch nur noch aus Serbien und Montenegro bestand. Der Krieg entbehrte eines UN-Mandats und jeder Rechtsgrundlage. Er verstiess gegen die UN-Charta, die NATO-Statuten und auch gegen nationale Verfassungen der angreifenden Staaten.
Begründet wurde er mit dem Argument, es gelte, auf dem Balkan die Menschenrechte durchzusetzen. Die NATO erklärte, sie müsse die Bevölkerung des Kosovo schützen. Die Serben hätten den Plan, die ethnisch-albanische Mehrheit der Region Kosovo zu vertreiben und zu vernichten.
Falsche Narrative verbreitet
Der deutsche Verteidigungsminister Rudolf Scharping war einer der schrillsten Kriegsbefürworter. Seine Versuche, die Serben als Täter und alle anderen Konfliktparteien als Opfer darzustellen, führten zu grotesken Behauptungen: Die Serben «spielen mit den abgeschnittenen Köpfen Fussball, zerstückeln Leichen, schneiden den Schwangeren die Föten aus dem Leib und grillen sie» (Le Monde Diplomatique: Das Märchen vom Plan Hufeisen. April 2019).
Schon während der NATO-Luftangriffe wurden Zweifel an den offiziellen westlichen Rechtfertigungen laut. Scharping hielt jedoch daran fest. Er publizierte noch im selben Jahr 1999 seine Kriegstagebücher unter dem Titel «Wir dürfen nicht wegsehen». Dort heisst es: «Erhalte von Joschka Fischer aus Geheimdienstquellen ein Papier, das die Vorbereitungen und die Durchführung der ‘Operation Hufeisen’ der jugoslawischen Armee belegt (…) Endlich haben wir einen Beweis dafür, dass schon im Dezember 1998 eine systematische Säuberung und Vertreibung der Kosovo-Albaner geplant war.»
Der Westdeutsche Rundfunk widerlegte Scharping mit dem Dokumentarfilm «Es begann mit einer Lüge». Der deutsche General Heinz Loquai und zahlreiche andere Experten bezeichneten die Operation Hufeisen später als Fälschung.
Wenn aus den Balkankriegen der neunziger Jahre eine Lehre zu ziehen wäre, dann wäre es die, dass es meist schwierig ist, in Kriegen Täter und Opfer eindeutig zu benennen. Propagandalügen grosser PR-Agenturen, False-Flag-Operationen, versteckte Interessen und Intrigen sind im Fall Kosovo erst viel später ans Licht gekommen (vgl. Jörg Becker u. Mira Beham: Operation Balkan: Werbung für Krieg und Tod. 2008).
Verbrechen wurden auf dem Balkan von allen Konfliktparteien verübt. Der Glaube, ein Militärpakt wie die NATO sei berufen, ethnische Konflikte auf dieser Welt zu lösen, indem man die einen als «Opfer» und die andern als «Täter» definiert und Letztere dann bombardiert, ist ein Irrglaube. Er nützt vor allem der Rüstungsindustrie.
Umso erstaunlicher ist es, dass die grossen westlichen Medien letzte Woche die Anklage gegen den ehemaligen kosovarischen Präsidenten Hashim Thaçi nicht zum Anlass nahmen, Bezüge zum Krieg in der Ukraine herzustellen. Denn der Fall Kosovo zeigt in aller Deutlichkeit die kurze Halbwertszeit sogenannter historischer «Wahrheiten». Weiterlesen bei infosperber.ch
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