Krieg gegen Gaza entlarvt Deutschlands feministische Außenpolitik als Mogelpackung Von Dorthe Engelcke

War on Gaza exposes Germany’s feminist foreign policy as a sham

As Palestinian women and children suffer under Israel’s onslaught, Berlin has failed to prioritise their plight

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock wird am 28. Februar 2024 in Berlin abgebildet (Tobias Schwarz/AFP)

Krieg gegen Gaza entlarvt Deutschlands feministische Außenpolitik als Mogelpackung


Von Dorthe Engelcke

26. Mai 2024

Während palästinensische Frauen und Kinder unter Israels Angriffen leiden, hat Berlin es versäumt, ihre Notlage in den Vordergrund zu stellen

Als die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock im März 2023 die Leitlinien ihrer feministischen Außenpolitik vorstellte, verkündete sie: „Wenn Frauen nicht sicher sind, dann ist niemand sicher.“

In Anbetracht der weitgehenden Unterstützung Deutschlands für den israelischen Krieg gegen Gaza klingt dieser Satz heute wie eine Farce. Seit dem 7. Oktober sind in Gaza mehr als 35.000 Menschen getötet worden, die meisten von ihnen Frauen und Kinder. Innerhalb weniger Monate hat Deutschland seinen Ruf als Verfechter feministischer Prinzipien, des Friedens und der Einhaltung des Völkerrechts beschädigt.

Das Auswärtige Amt hat im Rahmen seiner feministischen Außenpolitik 10 Leitlinien formuliert. Die erste Leitlinie spricht von der Bedeutung des Schutzes von Zivilisten in bewaffneten Konflikten.

Dieser Schwerpunkt ist sinnvoll, denn Untersuchungen zeigen, dass Frauen und Kinder besonders unter den indirekten Folgen von bewaffneten Konflikten leiden, wie z.B. erschwerter Zugang zu Nahrung, Wasser und medizinischer Versorgung.

Umso erstaunlicher ist es, dass die Bundesregierung erst im März dieses Jahres begonnen hat, sich für einen dauerhaften Waffenstillstand einzusetzen. Zuvor hatte Deutschland eine solche ausdrücklich abgelehnt, obwohl mehrere UN-Organisationen bereits Alarm geschlagen hatten, dass Frauen, Kinder und Babys unverhältnismäßig stark unter dem israelischen Bombardement litten.

Hätte die erste Leitlinie die deutsche Politik bestimmt, wären der Schutz der Zivilbevölkerung und die Beendigung der Gewalt oberste Priorität der Regierung gewesen – doch das war sie offensichtlich nicht.

Die feministische Außenpolitik Deutschlands setzt auch auf Rüstungskontrolle, die die Wahrscheinlichkeit von Konflikten verringern und die Sicherheit für alle Menschen erhöhen kann. Im Fall von Gaza ist die Diskrepanz zwischen dieser Strategie und der tatsächlichen Politik besonders eklatant.
Waffenexporte

Statt auf Deeskalation zu setzen, hat die Bundesregierung den Konflikt durch Rüstungsexporte angeheizt. Im Jahr 2023 haben sich die Waffenexporte des Staates nach Israel gegenüber dem Vorjahr verzehnfacht, wobei der Großteil nach dem 7. Oktober genehmigt wurde. Die deutsche Regierung genehmigte im vergangenen Jahr Waffenexporte nach Israel im Wert von fast 327 Millionen Euro (355 Millionen Dollar).

Im Februar dieses Jahres forderten UN-Experten alle Staaten auf, Waffenlieferungen an Israel, einschließlich Exportlizenzen und Militärhilfe, unverzüglich einzustellen. Nach den Genfer Konventionen von 1949 müssen Staaten von der Lieferung von Waffen und Munition absehen, wenn diese wahrscheinlich für Verstöße gegen das Völkerrecht verwendet werden.

Die UN-Sonderberichterstatterin für Palästina, Francesca Albanese, hat in einem aktuellen Bericht „begründete Anhaltspunkte“ dafür genannt, dass Israel im Gazastreifen einen Völkermord begeht. Dennoch beschränkt sich die deutsche Regierung darauf, Israel an die Einhaltung des humanitären Völkerrechts zu erinnern. Und trotz gegenteiliger internationaler Empfehlungen exportiert Deutschland weiterhin Waffen nach Israel.

Angesichts der apokalyptischen Situation im Gaza-Streifen hat Deutschland seine humanitäre Hilfe aufgestockt, aber das ist kaum mehr als Augenwischerei. Es ist schizophren, Waffen an eine Kriegspartei zu liefern und gleichzeitig die zivilen Opfer des Einsatzes eben dieser Waffen zu beklagen.

Ein Jahr nach der Veröffentlichung der Feministischen Außenpolitik Deutschlands ist klar, dass sie nicht nur an der Sache des Feminismus gescheitert ist, sondern auch eklatant gegen ihre eigenen Leitlinien verstoßen hat

Die feministische Außenpolitik Deutschlands betont auch den Kampf gegen sexuelle Gewalt in bewaffneten Konflikten. UN-Experten sind zu dem Schluss gekommen, dass es wahrscheinlich an mehreren Orten zu konfliktbedingter sexueller Gewalt kam, als die Hamas am 7. Oktober ihren Angriff auf Israel startete. Dieselben UN-Ermittler sagten auch, dass es in Ermangelung forensischer Beweise und Aussagen von Überlebenden unmöglich sei, das Ausmaß dieser Gewalt zu bestimmen. Die Hamas hat bestritten, dass ihre Streitkräfte sexuelle Gewalt begangen haben, und die deutsche Regierung hat dies zu Recht verurteilt und sich für EU-Sanktionen gegen die Täter eingesetzt.

Aber auch UN-Experten haben seit dem 7. Oktober sexuelle Gewalt gegen palästinensische Frauen und Mädchen angeprangert, darunter glaubwürdige Berichte, wonach Inhaftierte mehrfachen sexuellen Übergriffen ausgesetzt waren. Die Bundesregierung hat dies nicht thematisiert, obwohl eine echte feministische Außenpolitik darauf abzielen würde, die Rechte aller vom Krieg betroffenen Frauen zu schützen.

Die dritte Leitlinie besagt, dass eine feministische Außenpolitik aktiv dort ansetzen sollte, wo die Rechte von Frauen und marginalisierten Gruppen gefährdet sind. Die Situation der Frauen in Gaza könnte kaum schlimmer sein. Etwa 60.000 schwangere Frauen in Gaza leiden an Unterernährung, Dehydrierung und fehlendem Zugang zu medizinischer Versorgung. Kaiserschnitte werden ohne Anästhesie durchgeführt.
Kolonialer Feminismus

Die Bundesregierung hat zu Recht die Situation der afghanischen Frauen unter den Taliban und die Verletzung der Frauenrechte durch das iranische Regime kritisiert. Das Versäumnis, das unermessliche Leid der palästinensischen Frauen und Kinder in vergleichbarer Weise anzusprechen, lässt vermuten, dass die Bundesregierung nur dann eine kritische Haltung zu Frauenrechten einnimmt, wenn die Verletzungen von einem politischen Gegner begangen werden.

Die Unfähigkeit des Staates, eine Außenpolitik umzusetzen, die stark als feministisch beworben wird, schadet auch dem Feminismus selbst. Dies ist besonders gefährlich, weil der Feminismus in der arabischen Welt seit der Kolonialzeit einen schweren Stand hat.

Nach der Logik des kolonialen Feminismus können Fortschritte für Frauen nur erreicht werden, wenn die lokale Kultur aufgegeben wird. Forderungen der Kolonialisten nach Reformen der Frauenrechte wurden daher als Angriff auf die lokale Kultur und als Instrument der Kolonialherrschaft verstanden.

In der jüngeren Vergangenheit stellte die amerikanische Regierung die Invasion in Afghanistan als eine Maßnahme zur Befreiung der Frauen dar. Diese Instrumentalisierung von Frauenrechten hat ihre Spuren hinterlassen.

In Interviews, die ich mit Frauenrechtsaktivistinnen in Jordanien, Marokko, Algerien und Syrien geführt habe, betonten viele, dass sie immer wieder von sozialkonservativen Kräften angegriffen werden, die ihnen vorwerfen, im Dienste von „westlichen Agenten“ zu stehen. Akteure in arabischen Ländern, die den Feminismus als rein westliches Machtinstrument darstellen, das selektiv eingesetzt wird, können sich durch die aktuelle Politik der Bundesregierung bestätigt fühlen.

Arabische Staaten belegen in weltweiten Rankings zur Gleichstellung der Geschlechter regelmäßig die letzten Plätze. Die Gründe dafür sind vielfältig, klar ist aber, dass Konflikte, Kriege und westliche Militärinterventionen die Rechte von Frauen und Randgruppen besonders beeinträchtigen.

Eine feministische Außenpolitik sollte immer auch ein besonderes Engagement für den Frieden beinhalten und auf politische Lösungen statt auf Militarismus setzen. Da die deutsche Politik einen besonderen Fokus auf die arabische Welt hat, kann sie nur wirksam sein, wenn Berlin als ehrlicher Makler in der Region wahrgenommen wird. Diese Wahrnehmung ist verschwunden.

Ein Jahr nach der Veröffentlichung der feministischen Außenpolitik Deutschlands ist klar, dass sie nicht nur an der Sache des Feminismus gescheitert ist, sondern auch eklatant gegen ihre eigenen Leitlinien verstoßen hat. Hier wird einer Politik, die den Krieg beschleunigt, ein fortschrittliches Mäntelchen umgehängt.

Dorthe Engelcke ist Senior Research Fellow am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht. Sie promovierte 2015 in Orientalistik an der University of Oxford. Der Schwerpunkt ihrer Beiträge liegt auf der Interaktion von Recht, Politik und Genderfragen in Westasien und Nordafrika.
Übersetzt mit deepl.com

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

Entdecke mehr von Sicht vom Hochblauen

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen