Offener Brief an Bundesregierung von Wolfgang Behr

Offener Brief an Bundesregierung

von Wolfgang Behr

15. Oktober 2023

Da war ein Schauspiel grenzenloser Heuchelei zu erleben: Seien es die Reden führender deutscher Politiker und Politikerinnen, die Umarmung des israelischen Botschafters Prosor durch den Bundespräsidenten oder die opportunistische Haltung der meisten Abgeordneten im Bundestag. „Wir stehen voll an der Seite Israels in unverbrüchlicher Freundschaft.“ Die Leitmedien stehen dem nicht nach. Natürlich durfte auch Baerbocks Aufwärmung der deutschen Staatsraison nicht fehlen, Ausdruck einer Demokratiefeindlichkeit aus den Zeiten des Absolutismus und ihre kürzliche Solidaritätsreise in den Apartheidstaat Israel. Also genau so, wie es die Schriftstellerin Eva Menasse als „den deutschen Drang zur Übererfüllung“ beschreibt.
Dabei trägt die deutsche Politik eine Mitverantwortung für den masslosen Gewaltausbruch der Hamas. Jahrelang hat sie weitgehend geschwiegen zu den Besatzungsverbrechen der Israelis, sogar versucht, die Untersuchungen dazu durch den ISGH zu verhindern. Es würde meine Ausführungen vervielfachen, zählte ich alle Massaker auf, die Israel an den Palästinensern begangen hat. Die deutschen Regierungen haben bis zuletzt zwecks Vernebelung ihres Wegschauens die völlig unrealistische Zweistaatenlösung propagiert, obwohl Israels Regierungen seit Jahren einen Plästinenserstaat ausdrücklich ablehnen. Traurig ist auch das geringe Mitgefühl mit den Menschen in Gasa, von einigen israelischen Politikern als Tiere bezeichnet.
Die deutsche Politik befindet sich wieder einmal im Schlepptau der Geopolitik der USA, die seit ihrer Gründung in Gottes Namen eine Blutspur um den Globus zieht und Israel sofort militärische Unterstützung angeboten hat. Deutschland beugt sich auch dem diplomatischen Druck des Apartheidstaates Israel. Den Häuserkampf haben deutsche Soldaten dort schon mal mit israelischem Militär geübt. Auch sonst ist die Zusammenarbeit bei der Waffentechnik und Überwachungstechnologie weit gediehen.
Das transatlantische Imperium, die „regelorientierte westliche Wertegemeinschaft“, wie auch der von ihnen getragene, stetig in Barbarei abgleitende Kapitalismus, scheint sich in militärischen Erhaltungskämpfen, wie einst bei früheren Imperien, im unaufhaltsamen Niedergang zu befinden. Und Deutschland, so wie es jetzt regiert wird, wird sich diesem Sog kaum erwehren können.
Wie drückt es Daniel Barenboim gerade aus: „Die Situation der Anderen nachzufühlen, ist essenziell. Man muss selbstverständlich und gerade jetzt auch Ängste, Verzweiflung und Wut zulassen – aber in dem Moment, wo dies dazu führt, dass wir einander die Menschlichkeit absprechen, sind wir verloren“.

W.Behr, 15.10.23

Bildquelle:PixaBay  LoboStudioHamburg

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