
Warum dieses Verbot der Betätigung von Privatpersonen und Vereinen, die wohl der schiitischen Community in Libanon entstammen, zu einem Zeitpunkt, an dem Israel völkerrechtswidrig fast täglich Ziele in Syrien bombardiert?
Vorauseilender Gehorsam
Innenminister verbietet Hisbollah.
Gastkommentar
Werner Ruf
Am 30. April verhängte Innenminister Horst Seehofer ein »Betätigungsverbot« gegen die (schiitische) libanesische Hisbollah (Partei Gottes) in Deutschland. Vier Moscheen und einige Vereinsräume wurden durchsucht. Was das »Betätigungsverbot« genau ist, lässt sich nicht präzise sagen: Es bezieht wohl auf das Zeigen von Flaggen, Symbolen und Kennzeichen oder sonstige Unterstützung. Die Hisbollah wird vom Verfassungsschutz als terroristische Vereinigung eingestuft. Als Partei war sie allerdings in Deutschland nicht aktiv.
Die Hisbollah ist eine politische Partei, die im Libanon, dessen politisches System auf den elf Religionsgemeinschaften des Landes basiert, die schiitische (offiziell viertgrößte, wahrscheinlich aber stärkste) Community vertritt. Sie ist seit Jahren an der Regierung beteiligt, zu der die Bundesrepublik normale diplomatische Beziehungen unterhält.
Die Hisbollah fand erstmals große internationale Beachtung im Sommer 2006 während des sogenannten Israel-Hisbollah-Krieges. Nach Zwischenfällen an der gemeinsamen Grenze bombardierte Israel Ziele in Libanon, vor allem die Hauptstadt Beirut, zerstörte wichtige Teile der Infrastruktur und begann eine Bodenoffensive im Süden des Landes. Der militärische Widerstand der Hisbollah führte schließlich zum Rückzug Israels. Die Hisbollah – und der Rest der arabischen Welt – feierten dies als ersten arabischen Sieg über die israelische Armee.
Seit Beginn des Krieges in Syrien unterstützt die Hisbollah auch militärisch und mit Hilfe des Iran den syrischen Staatspräsidenten Baschar Al-Assad. Die Organisation gilt als Pfeiler jenes »schiitischen Halbmonds«, der sich westlichen Konfliktszenarien von Iran bis ans Mittelmeer zieht und von Israel zur Existenzbedrohung hochstilisiert wird. Dass Israel dagegen die Fatah-Al-Scham-Front und andere, teils mit dem Islamischen Staat zusammenarbeitende Terrorbanden in der Region unterstützt, kommt nicht ins Visier dieses seltsamen Antiterrorkampfes.
Warum also dieses Verbot der Betätigung von Privatpersonen und Vereinen, die wohl der schiitischen Community in Libanon entstammen, zu einem Zeitpunkt, an dem Israel völkerrechtswidrig fast täglich Ziele in Syrien bombardiert? Eine Bedrohung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ging von diesen – noch zu beweisenden – Unterstützungshandlungen und Sympathiewerbungen für eine legale libanesische Partei wohl kaum aus. So sind sie zu verstehen als Signal vorauseilender Unterstützung der israelischen Politik in Zeiten, in denen die Annexion weiter Teile Palästinas unmittelbar bevorsteht. Der heftige Applaus für die Entscheidung aus Israel und Washington lässt keinen anderen Schluss zu. Ein gelungener Beitrag zur Festigung des Feindbildes Islam hierzulande ist dieses wohl weitgehend symbolische »Betätigungsverbot« allemal.
Werner Ruf ist emeritierter Professor für Internationale Politik an der Universität Kassel
In diesem Zusammmenhang möchte ich auch das neueste Buch von Werner Ruf, erschienen im PapyRossa Verlag, „Vom Underdog zum Global Player“ hinweisen.
Zu diesem Produkt empfehlen wir
Kronauer, Jörg: Allzeit bereit
14,90 € *
|
||
Ruf, Werner: Islamischer Staat & Co.
13,90 € *
|
Kommentar hinterlassen