Warum kehrt der „eiserne Besen“ nicht? Das Russische Haus in Berlin, seine Feinde und seine Freunde
Das Russische Haus in Berlin und sein Leiter Pawel Iswolskij sind seit Februar 2022 unter Dauerbeschuss. Tonangebend sind Medien und ukrainische „Aktivisten“. Der Kampf um seine Schließung wird auch in den Anwaltskanzleien ausgefochten. Aber auch die Freunde des Russischen Hauses erheben inzwischen immer lauter ihre Stimme.
Warum kehrt der „eiserne Besen“ nicht? Das Russische Haus in Berlin, seine Feinde und seine Freunde
Von Wladislaw Sankin
Das Russische Haus in Berlin (bekannt auch als Russisches Haus der Wissenschaft und Kultur (RHWK)) wird jährlich von vielen tausenden Menschen besucht. Am Abend des 26. Oktober haben sich dort 450 Gäste versammelt, darunter auch zahlreiche Deutsche. Drei als „verdiente Künstler Russlands“ ausgezeichnete Musiker aus Moskau – ein Pianist, eine Dombristin und ein Tenor – haben anlässlich des 150. Jubiläums der Geburt zweier russischer Kulturgrößen, Sergei Rachmaninow und Fjodor Schaljapin, die Stücke von Tschaikowski, Glinka, Rachmaninow, Arenski und anderen russischen Komponisten gespielt und gesungen. Auf höchstem künstlerischen Niveau – und kostenlos.
In den früheren Jahren waren es die ganzen Orchester und Tanzgruppen, die regelmäßig aus Russland nach Deutschland reisten. Diesmal waren es lediglich drei Musiker, die nur dank eines italienischen Langzeitvisums auf dem Weg nach Rom einen Abstecher nach Berlin machen konnten. Aufgrund der strengeren Regeln für die Visumvergabe und der komplizierten Flugwege ist es im Zeitalter der Sanktionen kaum noch möglich, größere Künstlergruppen für eine Konzertreise zusammenzustellen. Daher besteht das Programm des Russischen Hauses im Jahr 2023 hauptsächlich aus Filmabenden und Ausstellungen.
Hinzu kommt ein recht abwechslungsreiches Bildungs- und Kursangebot für Kinder und Erwachsene sowie ein Café mit russischen Spezialitäten. Und was bleibt, ist die nach wie vor vorzügliche Lage direkt an der Friedrichstraße in Berlin-Mitte. Das Russische Haus in Berlin, das seine Türen im September 2022 nach einer halbjährigen Pause wieder öffnete, hat sich an die neuen Realitäten angepasst und fängt zu seinem 40. Jubiläum im nächsten Jahr wieder an, ehrgeizige Pläne zu schmieden. Allerdings hat das Russische Haus weiterhin viele Feinde.
„Ein Virus, der tötet“
Es ist eine Szene wie in einem Film. Im Vorder- und Hintergrund hat das Geschehen mehrere „Ebenen“. Es dämmert. Ganz vorne ist ein Polizeigitter zu sehen. Hinter dem Gitter stehen sechs Personen in weißen Schutzanzügen und Masken. Wie an einer Schnur sind sie mit einem Absperrband verbunden. In ihren Händen halten sie kleinere Plakate auf Englisch: „Russisches Propaganda-Virus tötet“, „Nur gemeinsam können wir das Propaganda-Virus bekämpfen“, „Bereinigt euren Newsfeed von russischer Propaganda“. Die Vorwürfe gelten dem Russischen Haus, das sich dahinter befindet. Vor dem Eingang stehen mehrere Polizisten, eine Frau mit Kind kommt heraus. Im beleuchteten Foyer des Gebäudes ereignet sich etwas.
Es ist der 25. Oktober. An diesem Tag wird im Russischen Haus die Woche der Russischen Sprache eröffnet, an der mehr als hundert Sprachwissenschaftler und Russischlehrer aus ganz Deutschland und 17 anderen Ländern Europas teilnehmen. Sie sind nach Berlin gekommen, um Neues im Bereich der modernen Lehrmethodiken zu erfahren und sich mit Kollegen auszutauschen. Ihre Eindrücke fassen sie in einer Reportage zusammen.
„Ein Russischlehrer ist wie eine lebende Brücke. Er muss seine eigenen Erfahrungen und sein Engagement übertragen“, sagt der katholische Pfarrer Dr. Sebastian Hacker. Er ist der Vorstand des Verbandes der Russischlehrer Österreichs. „Ein Russischlehrer soll auf jeden Fall die russische Sprache lieben und alles dafür tun, damit die Schüler die russische Sprache ebenfalls lieben“, sagt Elke Kolodzy aus Gera. Beide reden auf Russisch, ihre Gesichter strahlen. Die russische Seite bedankt sich bei ihnen und ihren Kollegen mit einem Empfang in der Botschaft und einem Konzert.
Nach Auffassung der Demonstranten darf aber eben das nicht passieren. Da die Liebe zur russischen Sprache und das Interesse am Land „übertragbar“ sein können, seien sie Viren, die vernichtet werden müssen. „Im Anfang war das Wort, / und das Wort war bei Gott, / und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden / und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.“ So fängt das Johannes-Evangelium an. Das Wort ist das Sein. Wenn das Russische Haus schließt, dann wird es kein russisches Wort und damit auch kein Russischsein in Berlin geben. Die Forderungen der Proukrainer, das Virus des Russischlernens zu beseitigen, hören sich nach Vernichtungswillen an.
Eine Drehorgel spielt die ukrainische Hymne, ein Tontechniker stimmt das Mikrofon an – bald wird es laut vor dem Russischen Haus. Und es wird laut. Zunächst ertönt das obligatorische „Slawa Ukraini! Herojam Slawa!“ (Ruhm der Ukraine! Ruhm den Helden!). Es sind die Stimmen von maximal drei bis vier Dutzend Menschen, die vor dem Gitter stehen. Die Berliner Zeitung schreibt von 150 Versammelten, gibt dafür aber keinen Bildbeweis an. Das Slogan-Programm ist an diesem Tag wie immer das gleiche: „Stoppt russische Propaganda!“, „Russian propaganda kills!“.
Später wollen sie zum Außenministerium marschieren, um auch dort Stimmung gegen das Russische Haus in Berlin zu machen. „Wir gehen jetzt auf die Straße, um die Entscheidungsträger daran zu erinnern, wie gefährlich der russische Desinformationsvirus ist“, sagt Vorstandsmitglied Eva Yakubovska. Bei jeder Aktion treibt sie die Menge mit lauten Sprüchen an.
„Berühmt“ geworden ist der Emigrantenverein durch das symbolische Referendum zur Beschlagnahmung des Russischen Hauses und die Störaktion zum Neujahrsfest mit Väterchen Frost und Schneewittchen. Die beiden Märchenfiguren wurden in Anwesenheit der versammelten Kinder und Eltern als Geschöpfe der russischen Propaganda verunglimpft. Auch gegen Opernstar Anna Netrebko und ihren Auftritt an der Staatsoper Unter den Linden hat Vitsche protestiert – RT DE berichtete.
An diesen Tagen hat Vitsche eine „Untersuchung“ veröffentlicht, die das Russische Haus in bester Manier der Kontaktschuld als Hort und Sammelort für allerlei zwielichtige Gestalten darstellt. Es sei „alarmierend“, dass das „aufgedeckte Netzwerk offensichtlich aktiv daran arbeitet, die ukrainische Sache zu untergraben“. Besonders „gefährlich“ sind laut der Darstellung die Hilfsvereine, die Spenden für die bedürftige Donbass-Bevölkerung sammeln.
Die zweite „Einpeitscherin“ ist die Vitsche-Sprecherin Krista-Marija Läbe. An diesem Tag hält sie sich ein Sprachrohr vor den Mund. Läbe spricht Deutsch als Muttersprache und schaffte es mitunter mehrfach ins deutsche Fernsehen, wo sie für uneingeschränkte Waffen- und Munitionslieferungen wirbt. Gefördert wird der Verein nach eigenen Angaben auch vom ukrainischen Außenministerium. Der Lobbycharakter der „Aktivistengruppe“ ist mehr als offensichtlich. Könnte man also nicht behaupten, die ukrainische NGO verbreite gefährliche Desinformation, die Deutschland in den Krieg treiben könnte, und handle als versteckter Arm der nationalistischen Machthaber in Kiew? Auf die Idee, die Vorwürfe gegen das Russische Haus einmal aus der entgegengesetzten Perspektive zu betrachten und zu bewerten, kommt in Deutschland niemand.
„Der eiserne Besen“
Im Gegenteil, in der Bundesrepublik hat Vitsche viele enge Freunde und Förderer. Sie sitzen in Redaktionen, Kultureinrichtungen, NGOs, Unternehmen und vor allem in den Regierungsparteien. Federführend ist dabei der ehemals grüne Politiker Volker Beck, der im September 2022 Strafanzeige gegen das Berliner Bezirksamt Mitte stellte. Nach seiner Auffassung unterliegt das Russische Haus Sanktionen und das Berliner Bezirksamt sei verpflichtet, die Sanktionen umzusetzen und die Kultureinrichtung zu schließen.
Daraus ist nichts geworden. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat die Ermittlungen, die aufgrund angeblicher Verstöße des Russischen Hauses gegen das Außenwirtschaftsgesetz geführt wurden, noch Anfang des Jahres eingestellt. Bekannt wurde dies erst Ende September. Grund dafür ist, dass die „Verantwortlichen einen Diplomatenstatus haben“. Nun legte Beck bei der Staatsanwaltschaft Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens ein. Ihm zufolge müsste die Staatsanwaltschaft zumindest gegen jene Mitarbeiter in den Behörden ermitteln, die nicht einschreiten, die Verstöße gegen die Sanktionen hinnehmen und damit Beihilfe zu Straftaten leisten. Zudem schrieb er auch einen Brief an die Außenministerin Annalena Baerbock, in dem er unter anderem forderte, die Verantwortlichen des Russischen Hauses zu Personae non gratae zu erklären.
Unterstützt wird Beck vom Rechtsanwalt und Offizier der Reserve Patrick Heinemann. Er vertritt auch den Vitsche-Verein und schreibt Artikel für juristische Fachportale, in denen er für die Schließung des Russischen Hauses wirbt. Er gehört zu jener Sorte Deutschen, für die das „Canceln“ Russlands aus allen möglichen Bereichen des internationalen Zusammenlebens eine Herzensangelegenheit ist. Das Russische Haus vergleicht er mit Dreck, der weggefegt werden muss.
„Seit Anfang dieses Jahres ist eine neue Struktur für die Sanktionsdurchsetzung im Außenministerium geschaffen worden. Das ist ihre einzige Aufgabe und ich verstehe nicht, warum bisher nicht gelungen ist, dort mit eisernem Besen zu kehren“,
sagt er in einer Reportage der Deutschen Welle.
„Dort“ ist an der Friedrichstraße 176–179, dem Sitz des Russischen Hauses. Neben Heinemann und Beck gibt es weitere Figuren des öffentlichen Lebens, die ungehemmten Hass gegen das Russische Haus verbreiten. Der Bundestagsabgeordnete Michael Roth (SPD) fordert bei jeder Gelegenheit die Schließung der Kultureinrichtung und nennt sie „Ort der Schande“. Roderich Kiesewetter von der CDU bezeichnete das Russische Haus auf X als „Symbol für Russlands hybriden Krieg, der auch gegen Deutschland geführt wird“. Und der Geschichtsprofessor Jan Behrends geht auf Vitsche-Demos und fordert neben der Schließung des Russischen Hauses auch Auftrittsverbote für russische „Staatskünstler“ in Berlin und Europa.
Ein GRU-Agent!
Auf den ersten Blick sieht dieses Einwirken auf die öffentliche Meinung wie die Initiative einzelner Personen aus. Aber einiges deutet darauf hin, dass die Kampagne gegen das Russische Haus einen koordinierten Charakter aufweist, wobei das Setzen der entscheidenden Akzente den Medien überlassen wird. So ein Akzent und auch eine mögliche Bresche im Bollwerk unter dem Namen „Diplomatenstatus“ könnte die Kampagne gegen die verantwortlichen Personen sein. Erinnern wir uns an den bereits erwähnten Brief, den Völker Beck an das Außenministerium geschrieben hat, in dem er forderte, sie zu Personae non gratae zu erklären. Die Ausweisung von Diplomaten ist eine gängige Praxis, wenn sie beispielsweise der Spionage- oder Agententätigkeit beschuldigt werden.
Im Februar veröffentlichte The Insider, ein Portal für investigativen Journalismus, einen Schmähartikel mit dem Titel „Geheimnisse des Russischen Hauses“ über den Leiter der Einrichtung, Pawel Iswolskij (auch Pavel Izvolsky geschrieben). The Insider wird aus westlichen Geldtöpfen finanziert und auch in englischer Sprache herausgegeben. Der Autor Sergei Kanew stellt Iswolskij als korrupten Beamten mit Verbindungen zu Geheimdiensten dar. Wie sich später herausstellte, war in dem Artikel so ziemlich alles entweder frei erfunden oder manipuliert. Fast nebenbei weist der Autor auf einen von Iswolskij angeblich verheimlichten Eintrag im Moskauer Melderegister hin, wonach er in einem Offizierswohnheim für Kadetten der Militärkommandantenschule am Moskauer Stadtrand gemeldet gewesen war. „Viele Absolventen der Schule dienen in der GRU oder spionieren für den SWR, den wissenschaftlich-technischen Nachrichtendienst der Außenaufklärung“, schreibt Kanew vielsagend zu seinem „Fund“.
Irgendwann tauchte bei dem in Litauen ansässigen Journalisten ein RBB-Drehteam auf, um den vermeintlich geleakten Eintrag aus dem Melderegister vom Bildschirm seines Computers abzufilmen. Die Frage liegt nahe, wie der RBB eigentlich darauf kam, dass Kanew überhaupt über dieses Dokument verfügt? Im Artikel war davon nicht die Rede. Mit dem deutschen ÖRR und seinem Millionenpublikum bekam Sergei Kanew jedenfalls den besten Abnehmer für seine „Enthüllung“, den man sich wünschen kann.
Am 15. Juni erschien im ARD-Magazin Kontraste der Fernsehbeitrag „Das ‚Russische Haus‘: Kulturzentrum oder Propagandastützpunkt?“. Der RBB kommt ziemlich eindeutig zu dem Schluss, dass das Kulturzentrum ein verdeckter Propagandastützpunkt ist, der nur wegen der Feigheit der Bundesregierung noch geöffnet bleiben darf. „In anderen europäischen Ländern wird es für die russischen Kulturzentren längst ungemütlich“, stellt der RBB am Ende fast neidvoll fest. In der Mitte des Beitrags ist die Rede davon, dass das FBI den Leiter des Russischen Hauses in Washington der Spionage verdächtigte. Dieser Abschnitt war als Steilvorlage für die nächste Passage gedacht, mit Pawel Iswolskij, dem mutmaßlichen „Absolventen der Kadettenschule“, als Protagonist.
Nach der Ausstrahlung des Beitrags zog Iswolskij gegen den RBB mit einer Unterlassungsklage wegen Falschdarstellung vor Gericht – und gewann. Er konnte beweisen, dass die Geschichte mit dem Melderegister erlogen war. Ihm zufolge hat der Autor des Berichts die Auszüge aus dem Melderegister illegal erworben und die Datei um den Eintrag mit der Adresse der Kadettenschule manuell ergänzt. „Es handelt sich eindeutig um eine Fälschung und ist in diesem Artikel nicht die einzige“, sagte er im Interview mit dem in Berlin ansässigen Fernsehkanal OstWest. Der RBB musste die rufschädigende Passage aus dem Beitrag mit folgendem Hinweis entfernen:
„Aus juristischen Gründen haben wir eine Passage über Pawel Iswolskij, den Leiter des Russischen Hauses in Berlin, entfernt.“
Widerstand gegen „Canceln“
Was im OstWest-Studio stattfindet, ist ein Streitgespräch, die putinkritische Moderatorin Marija Makejewa verhält sich konfrontativ gegenüber dem Diplomaten, versucht ihn immer wieder aufs Glatteis zu führen und ihm ein Geständnis abzulocken, dass er den Job eigentlich ungern mache. Iswolskij geht auf die kleinen Provokationen nicht ein und bleibt in seiner Argumentation sicher. Auch das Schreiben eines deutschen Wirtschaftsverbandes hat seine Position gestärkt.
Das Sanktionsregime solle sich nicht gegen die Allgemeinheit der russischen Menschen und die russische Kultur richten, so der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. Der Verein versucht mit diesem Brief, die Sanktionsgefahr vom Russischen Haus mit deutlichen Worten abzuwenden, allerdings mit zum Teil sehr merkwürdiger Argumentation. Die Schließung des Russischen Hauses würde etwa wunderbares Wasser auf die Mühlen der russischen Propaganda gießen. Doch genau dieses Ziel verfolgt eine ganze Meute aus der deutschen Politprominenz und dem zu ihren Diensten stehenden Medientrupp seit mehr als einem Jahr vehement. Dies ist keine Erfindung der bösen russischen Propaganda, sondern eine handfeste Tatsache. Auch die zahlreichen Bildungs- und Kulturangebote des Russischen Hauses seien deshalb nützlich, weil auch erklärte Putin-Gegner sie wahrnehmen, so der Verein weiter.
Nichtsdestotrotz kann man den Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft e.V. unter den gegebenen Umständen zu Freunden des Russischen Hauses zählen. Zu den weiteren Unterstützern zählt die Anwaltskanzlei Malmendier Legal. In einer mehrseitigen Pressenotiz haben die Anwälte der Kanzlei begründet, warum das Russische Haus unter keinen Umständen sanktioniert werden dürfe.
Das zentrale Argument ist dabei, dass das Russische Haus in Berlin ein unabhängiges Kulturinstitut ist, dem die Rechte einer deutschen juristischen Person zustehen. Festgelegt sind sie im Artikel 3 des Abkommens zwischen der deutschen und russischen Regierung über die Tätigkeit von Kultur- und Informationszentren vom 4. Februar 2011, der dieselben Rechte für das deutsche Pendant, die Filialen des Goethe-Instituts in Russland, vorsieht. „Diejenigen, die uns Vorwürfe machen, haben offenbar keine Kenntnis von unserem Programm, das keinen Deut von den im Abkommen festgelegten Kriterien für Kulturaustausch abweicht“, betont Iswolskij.
Auch das Russische Haus in Berlin sei rechtlich als unabhängig von der durch die EU sanktionierten staatlichen Agentur „Rossotrudnitschestwo“ zu betrachten, betonen die Anwälte. Das erkennen auch deutsche Gerichte an. „Die Eigenständigkeit des Russischen Hauses und seine Fähigkeit, eigene Rechte gerichtlich durchzusetzen, wurde zu keinem Zeitpunkt von den Gerichten beanstandet“, führen sie als Argument an.
„Das Russische Haus ist eine eigenständige juristische Person, das von ihrem Träger oder von der Regierung der Russischen Föderation oder vom ‚Kreml‘ etc. zu unterscheiden ist. In einem Rechtsstaat gilt der Grundsatz nulla poena sine lege – keine Strafe ohne Gesetz. Im Sanktionsrecht gilt das Listings-Prinzip: Wer nicht gelistet ist, ist nicht sanktioniert. Und das Russische Haus ist nicht gelistet“,
fasste die Kanzlei auf ihrer LinkedIn-Seite zusammen.
Falsche Verdächtigung
Außerdem teilte sie mit, gegen den Ex-Abgeordneten Volker Beck eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Berlin wegen falscher Verdächtigung gemäß § 164 StGB gestellt zu haben. Da sich Beck über die Aussichtslosigkeit seiner Strafanzeige gegen das Russische Haus und dessen Mitarbeiter im Klaren war, habe er dies zur Umsetzung politischer Ziele und zur Herbeiführung medialer Schlagzeilen genutzt.
Ist die rechtliche Situation mit dem Russischen Haus in Berlin nun ein für alle Mal zu seinen Gunsten geklärt? Seine Gegner verstehen die juristische Schwäche ihrer Position und pochen nun immer mehr auf eine politische Entscheidung der Bundesregierung. Doch diese will den Status quo, dass das Goethe-Institut und das Russische Haus weiterhin relativ ungehindert ihrer Tätigkeit in ihren jeweiligen Ländern nachgehen können, auch für die Zukunft beibehalten. Das geht aus einem an den Leiter des Russischen Hauses gerichteten Schreiben hervor. Diese Position lässt Pawel Iswolskij zumindest hoffen, dass die Bemühungen seines Kulturinstituts nicht umsonst sind:
„Der Frieden wird einkehren und es wird die Zeit kommen, die verstreuten Steine zu sammeln. Wenn wir jetzt diese Brücke zerstören, müssen wir danach wieder von Neuem mit dem Bau anfangen.“
Das Russische Haus in Berlin ist noch weit davon entfernt, das Niveau des Rekordjahrs 2019 in absoluten Besucherzahlen zu erreichen. Jenes war das Jahr der „Russian Seasons“ in Deutschland. Damals fanden in den Räumlichkeiten des Russischen Hauses so viele Konzerte, Ausstellungen und sonstige Events wie niemals zuvor statt. Heute ist man froh, dass drei Musiker aus Russland es über die Grenze nach Berlin geschafft haben. Notgedrungen setzt man deshalb mehr auf das Kinoprogramm. Bildungs- und Kursangebote sind dagegen auf Wachstumskurs, wobei nun auch viele ukrainische Migranten und Neuankömmlinge aus Russland zur Nachfrage beitragen. Gestiegen ist auch die Anzahl der Deutschen, die beispielsweise durch Plauderrunden auf Russisch angelockt werden. Sie kommen ins Russische Haus und sprechen untereinander auf Russisch, um eventuell festzustellen, dass ihre vergessen geglaubten Russischkenntnisse aus der Schule doch nicht so schlecht sind.
Bislang ist es nicht nötig gewesen, aber wenn es darauf ankommt, das Russische Haus durch Straßenproteste seiner Freunde zu verteidigen, werden ganz sicher sehr viele erscheinen.
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