Wem gehört Deutschland denn nun? Von Oskar Lafontaine

Dank an Oskar Lafontaine für die Genehmigung seinen Overton Artkel zum  Buch von Jens Berger auf Overton erschienen, auf der Hochblauen Seite zu veröffentlichen. Evelyn Hecht-Galinski

Wem gehört Deutschland denn nun?

Jens Berger, der Chefredakteur der Nachdenkseiten, hat seinen vor zehn Jahren geschriebenen Spiegel-Bestseller vollkommen überarbeitet. Es ist ein wirklich lesenswertes Buch entstanden, das die Frage, „Wem Deutschland gehört“ und damit die Frage, „Wer Deutschland regiert“ beantwortet.

Wem gehört Deutschland denn nun?

Alec Perkins from Hoboken, USA, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

Jens Berger, der Chefredakteur der NachDenkSeiten, hat seinen vor zehn Jahren geschriebenen Spiegel-Bestseller vollkommen überarbeitet. Es ist ein wirklich lesenswertes Buch entstanden, das die Frage, „Wem Deutschland gehört“ und damit die Frage, „Wer Deutschland regiert“ beantwortet.

Geld regiert die Welt, diese Volksweisheit gibt Auskunft darüber, welche Folgen, die sich immer weiter öffnende Schere der Verteilung von Einkommen und Vermögen für unsere Gesellschaft hat: Wenn wenige Leute viel Geld besitzen, ist Demokratie, unmöglich. Das ist im Übrigen keine neue Erkenntnis. Es war die Kernthese einer ökonomischen Schule, die nach dem Kriege in Deutschland sehr populär war.

Die Ordoliberalen um Walter Eucken wussten, dass wirtschaftliche Macht ab einer bestimmten Größe nicht mehr kontrollierbar ist. Daher wollten sie durch eine Kartellgesetzgebung und eine entsprechende Steuergesetzgebung diese Ballung wirtschaftlicher Macht verhindern. Sie scheiterten, und der unserer Wirtschaftsordnung innewohnende Prozess der ungerechten Vermögensverteilung wurde in Gang gesetzt.

Folgen der Coronapolitik: Eine Perversität

Als der Sozialdemokrat Willy Brandt Bundeskanzler war, gelang es den Prozess der zunehmenden ungleichen Verteilung der Vermögen zu stoppen. Aber mit dem Aufkommen des Neoliberalismus in den westlichen Industriestaaten, stieg die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen, immer weiter an. Heute besitzen 1,5 % der deutschen Bevölkerung die Hälfte des Privatvermögens, während die unterste Hälfte der Bevölkerung gerade mal 1,1 % des Vermögens ihr Eigen nennt. Jens Berger beschreibt, wie die Politik alles getan hat, diesen Prozess zu beschleunigen. Die Vermögenssteuer wurde ausgesetzt, die Gewerbeertragssteuer abgeschafft, die Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften steuerfrei gestellt und der Spitzensteuersatz von 53 % auf 42 % gesenkt. Die Freibeträge bei der Erbschaftssteuer wurden erhöht und das Erbschaftssteuerrecht wurde so durchlöchert, dass Milliarden vererbt werden können, ohne dass eine nennenswerte Erbschaftssteuer gezahlt werden muss. Die Körperschaftsteuer wurde von 25 % auf 15 % gesenkt und eine neue Kapitalertragsteuer von 25 % wurde eingeführt mit dem Ergebnis, dass Kapitaleinkünfte wie Zinsen nicht mehr mit dem persönlichen Einkommensteuersatz versteuert werden müssen. Diese Steuersenkungen führten im letzten Jahrzehnt zu Ausfällen von rund 400 Milliarden Euro. Ohne diese Reformen würde der Staat jährlich und 50 Milliarden Euro mehr einnehmen. Könnte man die Steuersenkungen seit 1998 ungeschehen machen, dann hätte der Staat mehr als 800 Milliarden Euro zusätzlich in der Kasse.

Ausführlich schildert Jens Berger, die Folgen der Coronakrise und des Ukrainekrieges. Während der Coronakrise verloren Millionen Menschen, Einkommen und Vermögen und viele Kleinbetriebe gingen pleite. Aber die großen Konzerne machten trotz der Wirtschaftskrise enorme Gewinne. Der Chef des DIW, Marcel Fratzscher, nannte diese Entwicklung eine Perversität. Auf die Idee, die Krisengewinner für die Kosten der Krise heranzuziehen und die Umverteilung von unten nach oben rückgängig zu machen, kamen die deutschen Politiker aber nicht.

Anleitung zur Verteidigung

Die bisherige Bilanz des Ukrainekrieges sieht ähnlich aus. Während die Explosion der Energiepreise viele Menschen arm machte und viele kleine Betriebe in ernsthafte Schwierigkeiten brachte, erzielten die Energieunternehmen märchenhafte Gewinne. Aber wenn die vom Staat beauftragten Gasverkäufer Verluste machten, dann wurden diese Verluste selbstverständlich sozialisiert.

Jens Bergers Buch kommt zur rechten Zeit. Vor einigen Monaten gingen viele Menschen auf die Straße, um für den Erhalt unserer Demokratie zu demonstrieren. Sie sahen sie bedroht, weil AfD- und CDU-Politiker sich in Potsdam zu einer Geheimkonferenz getroffen hätten, um über die Deportation von Millionen Deutschen mit Migrationshintergrund zu beraten. Zwar war die Story des Informationsnetzwerks Correctiv ziemlich aufgebauscht und fehlerhaft, aber selbstverständlich ist die Demokratie bedroht, wenn die Rechte stark wird. Leider übersehen die großen Demokratie-Verteidiger von CDU, SPD, FDP und Grünen, dass sie mit der AfD eine Gemeinsamkeit haben: Sie wollen an der zunehmenden Ungleichverteilung der Vermögen nichts ändern und weigern, sich große Einkommen, Vermögen und Erbschaften angemessen zu besteuern.

Schon der große griechische Staatsmann Perikles wusste, dass eine Gesellschaft nur dann demokratisch ist, wenn sich in ihr die Interessen der Mehrheit durchsetzen. Davon kann aber bei uns angesichts der ungerechten Verteilung von Einkommen und Vermögen keine Rede sein. Jens Bergers Buch „Wem gehört Deutschland?“ ist daher auch eine Anleitung zur Verteidigung oder besser zur Ermöglichung einer demokratischen Gesellschaft.

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