Die Versuche der USA, die NATO auf den Pazifik auszudehnen von Thomas Röper Anti-Spiegel

Geopolitik

Die Versuche der USA, die NATO auf den Pazifik auszudehnen

von Thomas Röper

25. Juli 2023

Die USA versuchen seit Jahrzehnten, ein Militärbündnis gegen China zu schmieden. Bisher waren die Bemühungen der USA erfolglos, aber wird es den USA nun gelingen, die NATO auf den Pazifik auszudehnen und Europa in den Konflikt mit China hineinzuziehen?

 

Die russische Nachrichtenagentur TASS hat einen sehr interessanten Artikel veröffentlicht, in dem es um die Geschichte der Versuche der USA geht, im Pazifik ein Militärbündnis gegen China aufzubauen. Da das Thema in Europa nie eine Rolle gespielt hat, war auch mir fast alles, was ich in dem Artikel erfahren habe, neu. Daher habe ich ihn übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Die NATO im Fernen Osten: Können die USA ein Militärbündnis gegen China aufbauen?

Seit den 1950er Jahren arbeitet Washington daran, doch die bisherigen Versuche sind gescheitert

Der NATO-Gipfel in Vilnius (11.-12. Juli) ging zwar nicht mit bahnbrechenden Entscheidungen in die Geschichte ein, könnte aber als Meilenstein im China-West-Konflikt in Erinnerung bleiben, insbesondere was die Rhetorik betrifft. In ihrem Abschlusskommuniqué warf die Allianz China „böswillige hybride Angriffe, Cyberoperationen und die Verbreitung von Desinformationen“ vor, die sich gegen sie richteten. Im Gegenzug wurde die NATO davor gewarnt, „Chinas legitime Interessen“ zu verletzen und insbesondere davor, sich „nach Osten in Richtung Pazifik“ zu bewegen.

Die Besorgnis Chinas ist verständlich. An dem Treffen in Vilnius nahmen die Staats- und Regierungschefs Japans, Südkoreas, Australiens und Neuseelands – also der Pazifikstaaten – teil, was den Verdacht erhärtete, dass Washington die Ausweitung der NATO auf das größte Wassergebiet oder die Schaffung eines separaten Anti-China-Bündnisses innerhalb der NATO vorbereitet. Derartige Versuche haben die Amerikaner seit Beginn des Kalten Krieges tatsächlich unternommen, sie haben aber noch keine greifbaren Ergebnisse gebracht.

Sorgen auf dem Ozean

Es gibt ein halbes Dutzend davon: SEATO, ANZUS, ANZUK, ASPAC, AUKUS, QUAD. Das alles sind internationale Organisationen im Pazifischen Ozean, die irgendwann mal unter Beteiligung Großbritanniens oder der USA gegründet wurden. Ihre Namen sind der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt. Der Grund dafür ist einfach: Sie wurden geschaffen, um China einzudämmen, und haben keinen nennenswerten Erfolg erzielt.

Die Idee, dass die Volksrepublik China eingedämmt werden muss, geht auf die 1950er Jahre zurück, als das Weiße Haus sie nach dem Sieg der Kommunisten im Bürgerkrieg als ständigen Verbündeten der UdSSR und als Gegner für sich selbst betrachtete. Zeitgleich mit der NATO (1949) schufen die Amerikaner zwei weitere Blöcke mit ähnlichen Namen – CENTO (1955) und SEATO (1954). Letztere sollte die kommunistische Bedrohung an den ostasiatischen Küsten unter Kontrolle halten, also China ins Visier nehmen.

Die Organisationsstruktur der SEATO, die nach dem Vorbild der NATO aufgebaut war, ähnelte dem Prototyp recht stark: Sie umfasste ein Büro des Generalsekretärs, einen Ministerrat und einen Ausschuss von Militärberatern. Es gab einem Unterschied: Im Gegensatz zum Nordatlantischen Bündnis erklärte das Ostasiatische Bündnis die neutralen Länder Indochinas, von denen nicht alle um Schutz gebeten hatten, zu seinem Zuständigkeitsbereich. Auch Vietnam, das in einen kommunistischen Norden und einen kapitalistischen Süden geteilt war, fiel unter den „Schirm“.

Es wurde bald klar, dass die Koordinierung innerhalb des Blocks nicht funktionierte. Anders als in Europa, wo es in der NATO fast nie zu Meinungsverschiedenheiten kam, stritten sich die Länder des pazifischen Raums. Selbst mit den asiatischen Kolonialmächten Frankreich und Großbritannien, die ebenfalls der SEATO beigetreten waren, aber andere Interessen im Osten hatten, konnten die USA keine gemeinsame Basis finden. Mitte der 1960er Jahre beschlossen die USA, in den Bürgerkrieg in Laos einzugreifen, konnten aber die Briten und Franzosen nicht dazu überreden, sich anzuschließen. Der SEATO-Block trat auf der Stelle.

Der Donnerschlag kam für ihn im Jahr 1964. Die USA entsandten Truppen nach Vietnam, aber sie taten das praktisch allein. Die SEATO leistete nur externe Unterstützung und überließ es den Amerikanern, im eigenen Namen zu handeln. Hätte der Krieg zu Gunsten der USA geendet, wäre das ausreichend gewesen. Aber die USA verloren, was das Ansehen der SEATO untergrub, und 1975 hörte das erste östliche Bündnis, das unter westlicher Schirmherrschaft gegründet worden war, auf Wunsch seiner Mitglieder auf zu existieren.

Die Angelsachsen streiten sich

In den Jahren des Vietnamkriegs wurde deutlich, dass die USA von der viel kleineren Pazifik-Allianz, ANZUS genannt, mehr Hilfe erhalten hatten als von der SEATO. Das 1951 gegründete Bündnis umfasste neben den Amerikanern auch die Australier und Neuseeländer. Es handelte sich um ein kollektives Verteidigungsabkommen: Ein Angriff auf eines der drei Länder wurde als Gefahr für alle anderen angesehen.

Die angelsächsischen Länder hielten im Dschungel von Indochina zusammen und zogen von 1972 bis 1973 praktisch gleichzeitig ihre Truppen und 1975 auch ihr humanitäres Personal ab. Aber in den 1980er Jahren stritten sie sich über die Frage der Atomtechnologie. 1986 erklärte Neuseeland seine Gewässer für atomwaffenfrei, ohne eine Ausnahme für US-Atom-U-Boote zu machen. Die USA sahen darin einen Verstoß gegen die Vereinbarungen und drohten den Streithähnen mit dem Entzug ihrer Verteidigung, doch Neuseeland fühlte sich nach dem Ende des Kalten Krieges nicht bedroht. Das Land setzte seine Mitgliedschaft in ANZUS aus und reduzierte es auf ein bilaterales Abkommen zwischen Australien und den USA, was dazu führte, dass der Name des Blocks allmählich aus den internationalen Nachrichten verschwand.

Das 21. Jahrhundert begrüßte der Pazifische Ozean ohne Militärblöcke. Die Situation begann sich jedoch schnell zu ändern, als Chinas Wirtschaftswachstum (von Platz sechs im Jahr 2000 auf Platz zwei im Jahr 2010) die Eifersucht und das Misstrauen der USA zu wecken begann. Im Jahr 2007 wandten sich die Amerikaner um Unterstützung an Chinas historische Gegner Japan und Indien. Unter deren Beteiligung und der Australiens wurde der Quadrilateral Security Dialogue (QUAD) gegründet. Der Status dieser Organisation ist weit von einem militärischen Bündnis entfernt. Dennoch hat sie unter ihrer Schirmherrschaft begonnen, Manöver durchzuführen, deren Größe nur gegen einen Gegner wie China gerichtet sein kann.

In den 2010er Jahren setzte sich die Konzentration von Streitkräften im Pazifik fort. Australien errichtete zum ersten Mal in der Geschichte amerikanische Stützpunkte auf seinem Territorium, und Neuseeland kehrte nach 25 Jahren zu ANZUS zurück. Zwischen den Japanern und den Australiern wurde ein Militärabkommen geschlossen. Und 2016, nach seinem Sieg bei den US-Wahlen, machte Donald Trump den Druck auf China zu seiner politischen Priorität. Seitdem nimmt die Gefahr einer militärischen Konfrontation im Pazifikraum konkrete Formen an.

Die Abenteuer der asiatischen NATO

Auf der Suche nach Möglichkeiten, Druck auf China auszuüben, versuchen die USA, die wichtigsten Länder des Fernen Ostens zusammenzubringen, stoßen dabei aber auf die Probleme, die seit der SEATO-Ära bekannt sind. Die Staaten der Region haben das Potenzial für lokalen Nationalismus noch nicht ausgeschöpft. Das bedeutet, dass die Feindseligkeit, die sie gegeneinander empfinden können, regelmäßig die Angst vor China und den Druck des Weißen Hauses überwiegt.

Besondere Schwierigkeiten haben die Amerikaner mit Japan und Südkorea, die beide jeweils enge Verbündete der USA sind. Doch diese Freundschaft tritt vor den dunklen Erinnerungen an die japanische Kolonialbesetzung der koreanischen Halbinsel von 1910 bis 1945 und die gegenseitigen Gebietsansprüche zurück. Es ist schwierig, eine Allianz zu bilden, die beide Staaten einbezieht, obwohl Washington ernsthafte Bemühungen unternimmt, sie einander näher zu bringen.

Das Jahr 2023 hat sich in dieser Hinsicht als produktiv erwiesen. Der südkoreanische Präsident Yoon Seok-youl, der mit den Stimmen der extremen Rechten gewählt wurde, verstieß gegen die Interessen der Nationalisten, indem er Japan die Schulden erließ: Japans Unternehmen müssen keine Entschädigungen mehr für die Mobilisierung koreanischer Zwangsarbeiter während des Zweiten Weltkriegs leisten. Im Gegenzug hob Tokio die 2019 verhängten anti-koreanischen Wirtschaftssanktionen auf. Die gemeinsame Anwesenheit von Yoon Seok-yeol und seinem japanischen Amtskollegen Fumio Kishida in Vilnius ist also kein Zufall.

Aber können sie eine einheitliche Anti-China-Haltung erklären? Daran kann man zweifeln. Die öffentliche Meinung in beiden Ländern, die seit Jahrzehnten auf gegenseitige Forderungen eingestellt ist, braucht einen Generationswechsel, bevor eine gemeinsame Mitgliedschaft in einer möglichen asiatischen NATO wirklich Realität werden kann.

Das Unvereinbare vereinbaren

Die Situation mit den anderen möglichen Mitgliedern des Blocks ist nicht weniger kompliziert. Im Gegensatz zur Position des US-Außenministeriums, das China als regionalen Aggressor darstellt, sind Gebietsstreitigkeiten in Ostasien eine alltägliche Praxis der internationalen Beziehungen. Allein im Südchinesischen Meer beanspruchen Brunei, China, Malaysia und die Philippinen die Gewässer nördlich von Kalimantan, China, Malaysia, die Philippinen und Vietnam beanspruchen die Inseln im Meer, und die zu Malaysia gehörende Küstenregion von Sabah wird von den Philippinen und Indonesien beansprucht, allerdings nicht von China. Ohne die Fähigkeit, solche Streitigkeiten beizulegen, ist es unmöglich, schnell ein regionales Bündnis nach dem Vorbild der NATO zu bilden, und zu lange zu warten, liegt nicht im Interesse der USA, denn Chinas Wirtschaftswachstum übertrifft weiterhin das der USA, was bedeutet, dass China die Hoffnung behält, in Zukunft die erste Wirtschaftsmacht der Welt zu werden.

Auch in anderer Hinsicht arbeitet die Zeit nicht unbedingt für die USA, was man am Beispiel Südkoreas sieht. Die Wahl des rechtsextremen Yoon Seok-youl im Jahr 2022 hat den Weg zur Entspannung mit Japan geebnet, aber sein Vorgänger, der linksliberale Moon Jae-in, unter dem von Tokio im Gegenteil Entschädigung gefordert wurde, ist noch nicht vergessen. Bei den Neuwahlen könnte sich die Linke rächen – zumal Yoons Entscheidung, den Japanern entgegenzukommen, laut Umfragen von 60 Prozent seiner Landsleute verurteilt wurde und der Wechsel zwischen Rechten und Linken an der Macht ein übliches Phänomen in Seoul ist.

In Anbetracht des Mosaiks von Widersprüchen in Asien haben die USA jahrzehntelang bilaterale Abkommen mit Ländern in der Region bevorzugt, aber solche Maßnahmen würden eindeutig nicht ausreichen, um China einzudämmen. Im Jahr 2022 sagte der Senator von Nebraska, Ben Sasse: „Lasst uns eine NATO im Pazifik schaffen. Wir brauchen Verbündete, um die Offensive gegen die Kommunistische Partei Chinas anzuführen, und die Verbündeten brauchen uns, die amerikanische Führung“. Die Biden-Administration treibt die internationalen Beziehungen in diese Richtung, aber sie ist wohl noch weit von einem ernsthaften Erfolg entfernt. Weiterlesen im anti-spiegel.ru

Ende der Übersetzung

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