
JAZZ 11_25
Brandnachtgedenken
Von Jürgen Scherer
28. März 2025
Ein durchaus dienliches Narrativ für die Kriegsertüchtiger
In diesem Jahr begehen wir ein wichtiges Gedenkjahr: Vor 80 Jahren wurde durch alliierte Truppen der Zweite Weltkrieg beendet; ein Ende für das vor allem die damalige Sowjetunion einen hohen Blutzoll bezahlt hatte.
Je nach Interpretationsmuster war der 8. Mai 1945 entweder eine Niederlage oder ein Tag der Befreiung, wie ihn der ehemalige Bundespräsident Weizsäcker so trefflich bezeichnete.
Wie auch immer: Es wird mal wieder offizielle Gedenkfeiern geben und unsere derzeit Regierenden werden uns vorgaukeln, Deutschland habe aus der Vergangenheit gelernt. Wir lebten in einer wahr- und wehrhaften Demokratie, die zu erhalten und verteidigen sich lohne.
Nur dass sich die Mittel zur Erreichung dieser Ziele gerade rasant ändern: Hieß es früher, Frieden und Friedenspolitik sei das oberste Gebot, das Ganze unter der Maxime „Nie wieder“ – eben eingedenk des WKII – Desasters, wird uns heute vorgebetet, Kriegstüchtigkeit müsse an erster Stelle stehen, wenn wir demnächst nicht dem „Bösen Russen“ (1945 zu unseren Befreiern gehörend) ins Auge blicken wollten.
Diese an die Wand gemalte Angstblase, die sich auf die russische Kriegsführung gegen die Ukraine beruft, ist vor allem den schon seit Jahrzehnten in den Startlöchern stehenden Kriegsfalken zu verdanken. All denen, die unter der Fahne des Nationalismus, wunderbar dem Grab entstiegen mit Beckenbauers gekaufter WM, wieder einmal davon träumen weltmachtmäßig unterwegs sein zu können.
Da kam ihnen Putin mit seinem vom Westen provozierten Krieg gerade recht. Und die allseits bekannte WMparole „Jetzt geht’s los“ konnte auf neuer Ebene zum Schlachtruf werden. Die Bellizisten in unserem Land machten ihn sich rigoros zu eigen. Mit Erfolg, wie wir dieser Tage erleben mussten: Für die zukünftige Kriegsführung gegen Russland – so in etwa 4 bis 5 Jahren werden angedacht – wurde jetzt schon mal ganz demokratisch unser Grundgesetz dahin gehend geändert, dass Schulden im Hinblick auf Krieg, pardon „Verteidigung“ zukünftig „bedarfsmäßig“ aufgenommen werden können.
Alle sollen es sehen: Deutschland ist wieder wer! Mit diesem Deutschland muss man rechnen!
Wenn sich mal dieses Deutschland mit seinem „Über – alles – Geprotze“ nicht total verrechnet…
Was haben nun all diese Gegebenheiten mit dem im Titel dieser Kolumne genannten Brandnachtgedenken zu tun?
Eine ganze Menge, wage ich zu behaupten.
Denn seit Jahren beobachte ich einen großen Unterschied zwischen dem rituellen pflichtgemäßen Gedenken der politischen Elite unseres Landes und dem mit ganzem Herzen in der Sache stehenden Gedenken der Menschen in bezug auf die so genannten Brandnächte. Dieses Gedenken ist näher an der Bevölkerungsbasis und somit in ihrem Herzen als die Bundestagsreden zum Ende von WK II.
Woran das liegt?
Es ist die Heimat der teilweise noch lebenden Vorfahren, die vom damaligen Feind zerstört wurde. Es sind Vorfahren, die unmittelbare betrauert werden können. Und es gibt dazu zwei Narrative: Einmal das von der nachvollziehbaren Revanche der damaligen Feinde, die von deutschen Truppen überfallen worden waren und zum anderen das Narrativ von der schrecklichen Unmenschlichkeit der Feinde, denen so viele „Unschuldige“ zum Opfer gefallen seien.
So lautet denn in jedem Fall die Schlussfolgerung aus beiden Erzählungen: Nie wieder!
Eigentlich richtig. Aber der Konsens, dass dieses „Nie wieder“ Frieden, Freundschaft, Völkerverständigung und nicht kriegslüsterne bedeutet, wurde von den „ZeitenwenderInnen“ in die Mottenkiste verbannt.
Da kommt es dann ganz gut, wenn die junge Generation, das mithilfe der Brandnachtgedenken propagierte „Nie wieder“ mit der „Putinschen Bedrohungslage“ in Verbindung zu bringen lernt.
Von diesem, nicht unerwünschten, Kurzschluss zur geforderten Kriegstüchtigkeit ist es dann nur noch ein kurzer Schritt – mit derzeit noch unabsehbaren Folgen. Jede Wette, dass die zentralen Medien ihren Teil zu solch dienlicher Geschichtsklitterung beitragen werden.
Den Probelauf dafür, erleben wir gerade im Hinblick auf die „Heimatschutztruppen“, die auf allen Kanälen gehypt werden.
Frei nach dem Motto:
Heimat, Heimat, ja, ich muss.
Bald er kommt, der böse Russ.
Geschichte als Steinbruch. Nichts Neues unter dem Sternenhimmel. Aber selten so gefährlich wie zur Zeit!
Der Beitrag erinnert zu Recht an die brennenden und zerstörten deutschen Städte des WKII. Und verbindet damit die Mahnung, dass wir statt gegen Russland aufzurüsten uns für Frieden und gute Beziehungen mit Russland einsetzen müssen. Nieder mit allen Bellzisten und den Vertretern deutscher Überheblichkeit!