»Das ist eine antisemitische Einstellung«

Repression gegen Antizionisten: „Das ist eine antisemitische Einstellung“

Eine israelische Museumsführerin im Jüdischen Museum Berlin benutzt den Begriff „Apartheid“ für die Zustände im Westjordanland. Daraufhin wird sie entlassen. Ein Gespräch mit Udi Raz.

Aus: Ausgabe vom 02.11.2023, Seite 2 / Inland
Repression gegen Antizionisten

»Das ist eine antisemitische Einstellung«

Tourguide im Jüdischen Museum Berlin wegen Aussage zu Westjordanland entlassen. Ein Gespräch mit Udi Raz
Interview: Jamal Iqrith
 
Nicht ganz so offen, wenn es um das Westjordanland geht: Das Jüdische Museum Berlin (12.12.2022)

 

Udi Raz ist Doktorandin an der »Berlin Graduate School Muslim Cultures and Societies« und war bis zuletzt freiberufliche Museumsführerin im Jüdischen Museum Berlin

Sie haben freiberuflich im Jüdischen Museum Berlin als Museumsführerin gearbeitet. Letzte Woche wurden Sie wegen einer Äußerung zum Westjordanland entlassen. Was haben Sie gesagt?

 

Ich war seit April als Spezialistin zum Thema »Deutschland nach 1945« bei Führungen tätig. Im Museum gibt es einen bestimmten Bereich, den sogenannten Israel-Raum. Dort sind verschiedene Installationen, die das Dreieck Israel–Deutschland–jüdische Menschen thematisieren. Dort habe ich unter anderem aus meiner eigenen Biographie berichtet, also zum Beispiel, warum ich als Israelin und jüdische Person überhaupt in Deutschland lebe. Dabei habe ich mich unter anderem auf die menschenrechtliche Lage im Westjordanland bezogen und auf einen Bericht von Amnesty International aus dem Jahr 2021. Die NGO kommt darin zu dem Fazit, dass die menschenrechtliche Lage vor Ort als »Apartheid« zu verstehen sei. Unabhängig von der juristischen Bezeichnung ist mir in erster Linie wichtig, zu betonen, dass die Lage in Bezug auf die Menschenrechte dort inakzeptabel ist.

War es das erste Mal, dass Sie diesen Begriff verwendet haben und tun andere Kollegen das ebenfalls?

Ich sage das schon, seitdem ich dort angefangen habe. Andere verwenden den Begriff offensichtlich nicht.

Wie hat man Ihnen gegenüber die Entlassung begründet?

Sie haben mir erklärt, da ich den Begriff »Apartheid« benutzt habe, würde ich keine weiteren Aufträge mehr bekommen. Das war wortwörtlich die Begründung. Gleichzeitig hat mir die Leiterin der Bildungsabteilung, Diana Dressel, beim letzten Gespräch mehrfach bestätigt, dass ich sehr oft Lob bekommen hätte und meine pädagogischen Fähigkeiten ausgezeichnet seien.

Hat das Museum zu den aktuellen Geschehnissen im Nahen Osten politisch Stellung bezogen?

Kurz nach dem 7. Oktober (Beginn der Hamas-Offensive, jW) hat das Museum eine Stellungnahme veröffentlicht, in der es sich mit Israel solidarisiert hat. Daraufhin wurde uns aber intern deutlich gesagt, wir dürften auch Themen ansprechen, die »heikel« seien. Wir sollten nur immer betonen, worauf wir uns beziehen. Es wurde klar kommuniziert, dass wir keine Angst haben sollten, auch wenn wir bestimmte Ansichten verträten, die das Haus nicht unbedingt teilt.

Die Springerpresse verwendet immer wieder den Begriff »Israel-Hasser« für Kritiker der israelischen Regierung. Was halten Sie davon?

Ich muss vielleicht eins klarstellen: Ich bin selbst Israelin. Meine Familie lebt vor Ort, viele meiner Freundinnen und Freunde auch. Der Ort liegt mir sehr am Herzen. Es ist also auch mein Interesse, dass es vor Ort einen gerechten Frieden gibt. Menschen als »Israel-Hasser« zu bezeichnen, sagt am meisten über die Leute aus, die den Begriff verwenden. Nämlich darüber, was sie unter einer Pluralität von jüdischen Stimmen in Deutschland verstehen.

 

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