Das Opferlamento Von Jürgen Scherer

JAZZ 12_25
E i n Erfolgsgeheimnis der „AfD“
Das Opferlamento
Von Jürgen Scherer
Eigentlich sollte man denken über die und zu der „AfD“, deren Parteiname immer in Anführungszeichen gesetzt werden sollte, sei schon alles bekannt und gesagt: Angefangen vom Gaulandschen Ausspruch „Wir werden Sie jagen“ , über Frau Weidels intolerant-fremdenfeindliches Remigrationsgehabe bis zur richterlich festgestellten Aussage, dass Höcke als Faschist bezeichnet werden darf.

Man sollte doch meinen, dass solche Merkmale genügen sollten, dass eine solche Partei nicht gewählt werden sollte. Schließlich hat Deutschland faschistische Zeiten mit all deren unmenschlichen Auswirkungen hinter sich.
Weit gefehlt!
InDiese Parteienvertreterin der Außenseiter, Underdogs, Verkannten, Ausgegrenzten und Vergessenen erhält trotz ihrer Traditionslinie von Barbarossa bis Hitler äußerst regen Zuspruch.
Was geht da ab?
Der „AfD“ ist etwas gelungen, was so, soweit ich erkennen kann, noch keiner rechtsdrehenden bundesrepublikanischen Partei so erfolgreich und nachhaltig gelungen ist: Sie konnte die große Erzählung von der Solidarität mit Verfolgten, mit Andersdenkenden und gesellschaftlich Benachteiligten ummünzen in die Erzählung von der Bedrohung durch Flüchtende für unsere Gesellschaft und vor allem für die Underdogs in ihr: die „verkannten und verratenen Ostdeutschen“, die Hartz IV – EmpfängerInnen, die Unterbezahlten, die unverschuldet indie Arbeitslosigkeit Entlassenen.                                  Zusätzlich gelang es der Partei, sich selbst als Opfer der Verhältnisse darzustellen und so sich mit allen anderen vermeintlichen und echten Opfern gleichzusetzen, ganz nach dem Motto: Wir sitzen alle in einem Boot. Wir vertreten Eure Interessen.
Für die wirklich Benachteiligten ist dieses Angebot attraktiv: „Endlich bekommen die mal einen auf den Deckel, die uns tagtäglich drangsalieren und sich an unserem Underdogsdasein weiden!“
U.a. auf diesem Gebräu kocht die „AfD“ seit Jahren ihr demokratiefeindliches Süppchen mit den Ingredienzen: Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz, Nationalismus, Biodeutschland, Heimat – und Nachbarschaftsromantik und Deutschtümelei.
In einer sich immer mehr vernetzenden und aufeinander angewiesenen und zugleich immer undurchsichtigeren Welt, verspricht sie Übersichtlichkeit und Heimat; nicht erfüllbar, aber zur Gehirnvernebelung vieler BürgerInnen dienlich.
Soweit, so schlecht.
Denn diese Taktik war so erfolgreich, dass im Osten unserer Republik ohne Brandmauern die Machtergreifung der „AfD“ schon fast gar nicht mehr zu verhindern ist.
Und in der gesamten Republik hat sie in der Bundestagswahl vom März dieses Jahres die Sitze im Bundestag verdoppeln können, wurde mithin stärkste Oppositionsfraktion. Opfermythen bringen halt Erfolg.
Es lohnt deshalb auf dieser Welle weiterzuschwimmen.
Letzte Masche: Wir sind wieder einmal Opfer der herrschenden demokratischen Verhältnisse.                Beweise:
Erstens: Der bei uns beheimatete älteste Abgeordnete im Bundestag (Alexander Gauland) durfte nicht als Alterspräsident die konstituierende Sitzung leiten.
Zweitens: Das Machtkartell der anderen hat mal wieder verhindert, dass wir einen der Stellvertreter der Bundestagspräsidentin zugesprochen bekommen, obwohl uns ein solches Amt als stärkste Oppositionsfraktion zustünde.
Mit solchen Pfunden lässt sich wuchern: Seht ihr, schon wieder haben sie uns zu Opfern gemacht. Steht uns bei. Wir müssen noch stärker werden!
Stellt sich die Frage: War es klug mit der ständig stärker werdenden „AfD“ so zu verfahren?
Ich sage dazu: Ja, das war und ist es!
Eine wehrhafte Demokratie darf diesen Feinden der Demokratie keine Plattform bieten, auf denen sie ihre scheinheiligen Geschäfte dafür nutzen können unsere demokratischen Errungenschaften in den Schmutz zu ziehen!
Es darf einfach nicht angehen, dass ein Herr Gauland, der die schreckliche Zeit des Nationalsozialismus als „Fliegenschiss“ in der deutschen Geschichte bezeichnete und der einen Herrn Höcke in seinen Reihen akzeptiert, der das Mahnmal für den Holocaust in Berlin als Schandmal bezeichnete, dass dieser Herr Gauland das Recht erhält, als Alterspräsident aufzutreten.
Es kann auch nicht angehen, dass eine Partei, die unsere Republik am liebsten in eine ausländerfreie „Volksgemeinschaft“ umwandeln würde (vergessen wir nicht den unsäglichen Wahlkampfschlachtruf von Frau Weidel zur „Remigration‘) den Sitz einer stellvertretenden Bundestagspräsidentin erhält; immerhin ein Amt, in dem es u.a. darum geht, die Würde des Hohen Hauses zu wahren.
Wer soviele Würdelosigkeiten wie die „AfD“ im Köcher hat, ist bestimmt nicht zur Wächterin der Würde im höchsten deutschen Parlament unserer Republik geeignet.
Die demokratischen Parteien unseres Landes und die Regierenden sollten weder auf das Opferlamento dieser Partei hereinfallen, noch ihr in die Hände spielen, indem sie tatsächlich Opfer in unserer Gesellschaft in Kauf nehmen oder gar schaffen.
Für uns alle sollte gelten: Keine Chance den Opferlammspielern und Demokratieverächtern!

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