Das Recht des Täters (II) German Foreign Policy

Das Recht des Täters (II)

(Eigener Bericht) – Die Regierung Italiens zahlt Entschädigungen für deutsche NS-Kriegsverbrechen, die Bundesrepublik kommt straflos davon. Das ergibt sich aus einem Urteil des italienischen Verfassungsgerichts, das Ende Juli veröffentlicht wurde. Demnach ist juristisch nicht zu beanstanden, dass Rom rund 60 Millionen Euro aus Corona-Wiederaufbaumitteln der EU in einen Entschädigungsfonds leitet, aus dem es Nachfahren der Opfer von Massakern der Wehrmacht und der SS mit einer kleinen Kompensation bedenkt.

 

 

Das Recht des Täters (II)

Italien zahlt Entschädigungen für deutsche NS-Kriegsverbrechen, die Bundesrepublik kommt straflos davon. Die Bundesregierung („Wertekoalition“) hat mit Erfolg „Staatenimmunität“ für Deutschland durchgesetzt.

21. SEPT. 2023

ROM/BERLIN (Eigener Bericht) – Die Regierung Italiens zahlt Entschädigungen für deutsche NS-Kriegsverbrechen, die Bundesrepublik kommt straflos davon. Das ergibt sich aus einem Urteil des italienischen Verfassungsgerichts, das Ende Juli veröffentlicht wurde. Demnach ist juristisch nicht zu beanstanden, dass Rom rund 60 Millionen Euro aus Corona-Wiederaufbaumitteln der EU in einen Entschädigungsfonds leitet, aus dem es Nachfahren der Opfer von Massakern der Wehrmacht und der SS mit einer kleinen Kompensation bedenkt. Mit dem Urteil sind jahrzehntelange Rechtsstreitigkeiten abgeschlossen worden, bei denen es um Massaker wie dasjenige vom 29. Juni 1944 ging; an jenem Tag hatte eine SS-Einheit den Ort Civitella unweit Arezzo überfallen und mehr als 200 Einwohner ermordet. Immer wieder hatten italienische Gerichte die Bundesrepublik zur Zahlung von Entschädigung verurteilt; immer wieder hatte Berlin sich dagegen verwahrt und sogar den Internationalen Gerichtshof in Den Haag bemüht, um sich sogenannte Staatenimmunität auch im Fall schwerster NS-Verbrechen zusichern zu lassen. Die gegenwärtige Bundesregierung („Wertekoalition“) hatte damit letztlich Erfolg.

Immunität für Deutschland

Die Bemühungen von Nachfahren italienischer NS-Opfer, für deutsche Massenverbrechen Entschädigung vom Staat der Täter zu erhalten, zogen sich über Jahrzehnte hin. Einen ersten Durchbruch glaubten die Angehörigen der Opfer am 20. Oktober 2008 erzielt zu haben; an jenem Tag urteilte der Kassationsgerichtshof in Rom (Corte Suprema di Cassazione), die höchste Instanz der italienischen Justiz, Deutschland müsse für ein Massaker vom 29. Juni 1944 Entschädigung zahlen. Damals hatte eine SS-Einheit den Ort Civitella in der Nähe von Arezzo überfallen und dabei mehr als 200 Einwohner ermordet. Gegen das Urteil ging die Bundesregierung vor, indem sie nur zwei Monate später, am 23. Dezember 2008, Klage gegen Italien beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag einleitete. Italien habe, behauptete die Bundesregierung, das Prinzip der Staatenimmunität verletzt. Dieses untersagt es Privatpersonen, gegen hoheitliche Aktivitäten fremder Staaten vor Gericht zu klagen. Aus Sicht Berlins handelte es sich bei dem NS-Massenverbrechen demnach um einen solchen hoheitlichen Akt, gegen den die Nachfahren der Opfer nicht klagen dürfen. In einem Urteil vom 3. Februar 2012 gab der IGH der Bundesrepublik recht.[1]

Widerstand in Italien

Die italienische Justiz hat die Zumutung, dass NS-Opfer und ihre Nachfahren kein Recht haben sollen, die Täter und ihren Staat vor Gericht zu ziehen, nicht hingenommen. So urteilte der Kassationsgerichtshof in Rom am 22. Oktober 2014, die Entscheidung des IGH vom 3. Februar 2012 sei nicht vereinbar mit der italienischen Verfassung; Klagen gegen Deutschland mit dem Ziel, Entschädigung für NS-Verbrechen zu erhalten, seien in Italien daher weiter zulässig. Entsprechend strengten Nachfahren von NS-Opfern neue Gerichtsverfahren an. In Sulmona in den Abruzzen etwa entschied ein Gericht im Jahr 2017, die Bundesrepublik müsse für ein NS-Massaker an 128 Menschen im unweit gelegenen Roccaraso Entschädigung zahlen. Im Jahr 2018 urteilte der Römische Zivilgerichtshof, Deutschland müsse den Sohn des Italieners Paolo Frascà entschädigen, der 1944 von der deutschen Polizei inhaftiert, gefoltert und am 24. März 1944 gemeinsam mit 334 weiteren Zivilisten in den Ardeatinischen Höhlen im Süden Roms ermordet worden war. Bis zum Frühjahr 2022 lagen die ersten 15 Urteile gegen die Bundesrepublik vor, weitere wurden erwartet. Um die Entschädigung durchzusetzen, nahm die italienische Justiz nun Zwangsversteigerungen deutscher Liegenschaften in Italien ins Visier, etwa des Goethe-Instituts.[2] Weiterlesen in german-foreign-policy.com

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