Dieser Mann darf in Deutschland nicht über seine Jugend reden  Von: Karin Leukefeld

Dieser Mann darf in Deutschland nicht über seine Jugend reden – GlobalBridge

(Red.) Salman Abu Sitta ist 86-jährig. Er erlebte als Kind, wie seine Familie enteignet und aus Palästina vertrieben wurde. Es gelang ihm dann, außerhalb Palästinas eine gute Ausbildung zu absolvieren und Ingenieur zu werden. Karin Leukefeld hat mit ihm gesprochen, ihr Bericht erschien auf Globalbridge – und wird hier wiederholt.

Dieser Mann darf in Deutschland nicht über seine Jugend reden

(Red.) Salman Abu Sitta ist 86-jährig. Er erlebte als Kind, wie seine Familie enteignet und aus Palästina vertrieben wurde. Es gelang ihm dann, außerhalb Palästinas eine gute Ausbildung zu absolvieren und Ingenieur zu werden. Karin Leukefeld hat mit ihm gesprochen, ihr Bericht erschien auf Globalbridge – und wird hier wiederholt. Aber die Veranstaltung in Berlin, wo Salman Abu Sitta jetzt hätte auftreten sollen, wurde mit Polizeigewalt geschlossen (die Tagesschau berichtete.) Und sein Neffe, Ghassan Abu Sitta, Medizinprofessor an der Universität Glasgow, der freiwillig als Arzt in Gaza im Einsatz war, wurde an der Einreise in Deutschland gehindert (siehe am Ende des untenstehenden Gesprächs). Man darf, nein, man muss sich fragen: Wo ist Deutschland gelandet? – Hier das Gespräch, das Karin Leukefeld mit Salman Abu Sitta geführt hat und das auf Globalbridge.ch am 17. Mai 2023 veröffentlicht wurde. (cm)

Mit Gewalt enteignet und aus Palästina vertrieben – der persönliche Rückblick eines Betroffenen

Salman Abu Sitta wurde 1938 im Süden Palästinas geboren. Er war 10 Jahre alt, als die Nakba begann, die Katastrophe. 65 Massaker wurden von jüdischen Milizen und Zionisten verübt, Hunderttausende Palästinenser wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Auch Salman Abu Sitta und seine Familie wurden vertrieben, in seiner Heimat wurde der Staat Israel gegründet. Salman Abu Sitta studierte in Kairo und wurde Ingenieur. Er erlebte den Krieg um den Suez-Kanal 1956, seit den 1960er Jahren lebte und arbeitete er in Kanada. Er heiratete und gründete seine Familie. In Kuwait erlebte Abu Sitta den Golfkrieg 1991. Nie hat er seine Heimat vergessen. Sein Leben lang hat er für die Rückkehr der Palästinenser in ihre Heimat Palästina gestritten. Karin Leukefeld traf Salman Abu Sitta in Beirut zu einem Interview.

Guten Tag Dr. Salman, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben für dieses Gespräch. Wir sind in Beirut und Sie, Dr. Salman, haben gestern hier auf einer Konferenz des „Zentrums für die Studien der arabischen Einheit“ gesprochen. Kürzlich haben Sie einen Brief an die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geschrieben, auf den wir später noch eingehen wollen. Zunächst möchte ich Sie bitten, etwas über sich zu sagen.

Salman Abu Sitta:

Guten Morgen. Ich heiße Salman Abu Sitta und ich bin Palästinenser. Ich wurde in Al Ma’een Abu Sitta geboren, das liegt im Distrikt von Beer’Sheba und liegt nur acht Kilometer vom Mittelmeer entfernt. Von meinem Land ist es nur einen Kilometer bis zum Stacheldrahtzaun. Diesen Zaun nennt man „Armistice Linie“, die Waffenstillstandslinie von 1949. Anders gesagt, würden die Israelis sich drei, vier Kilometer zurückziehen, wäre unser Land, das ganze Land meiner Familie befreit.

Unser Land umfasst ein Gebiet von 60.000 Dönüm, das ist eine Fläche von 6 mal 8 Kilometern. Dort wurde ich geboren, dort lebte meine Familie seit mindestens 250 Jahren. Warum sage ich 250 Jahre und nicht mehr? Nun, wir haben Dokumente aus der Osmanischen Zeit, in denen steht, dass mein Ur-Ur-Ur-Großvater in seinem Haus eine Ratsversammlung abhielt, auf der alle Führungspersönlichkeiten der Region ein Abkommen unterzeichneten. Mein Ur-Ur-Ur-Großvater war ein Scheich, eine bekannte Person, vergleichbar einem Bürgermeister. Diese Dokumente stammen aus der Zeit um 1840 und – ironischerweise – wurde in dieser Zeit (Arthur) Balfour in England geboren. Balfour, der 1917 ein Land, das ihm nicht gehörte, Leuten übergab, die kein Recht darauf hatten, während die rechtmäßigen Eigentümer dieses Landes nicht anwesend waren. Seitdem sind wir und ist Palästina Tod und Zerstörung ausgesetzt. Wir erleben die Zerstörung unseres Landes, unseres Volkes und die Entvölkerung unseres Landes. Von den 14 Millionen Palästinensern, die es heute gibt, sind zwei Drittel Flüchtlinge. Sie können ihre Heimat sehen und können sie doch nicht erreichen. Obwohl das Internationale Recht hinter ihnen steht. Nicht nur einmal, 135 Mal haben die Vereinten Nationen die Resolution Nr. 194 beschlossen und bekräftigt, mit der die Rückkehr der Flüchtlinge gefordert wird.

Dr. Salman Abu Sitta, 86-jährig, der als Kind die Vertreibung von Tausenden von Palästinensern aus Palästina miterlebt hat, darf in Deutschland im Jahr 2024 nicht auftreten. Die Veranstaltung, die zugunsten eines Aufrufes für Frieden in Gaza für dieses Wochenende geplant war, wurde mit Polizeigewalt geschlossen und verboten. (Foto Karin Leukefeld)
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