Ein Nazi-Kriegsverbrecher wird im Büro von Olaf Scholz geehrt Nathaniel Flakin

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Europa

Ein Nazi-Kriegsverbrecher wird im Büro von Olaf Scholz geehrt

Hans Globke war der Verfasser der Nürnberger Rassengesetze der Nazis. Sein Porträt hängt noch immer im Bundeskanzleramt. Meint Olaf Scholz das, wenn er sagt, dass Antisemitismus in Deutschland keinen Platz hat?

Nathaniel Flakin

27. Januar 2025

In einer Rede im Deutschen Bundestag erklärte Kanzler Olaf Scholz, dass „Antisemitismus in Deutschland keinen Platz hat“. Er versprach, „klar Stellung zu beziehen“, und zum Zeitpunkt der Rede Ende 2023 waren fast alle pro-palästinensischen Demonstrationen verboten. Dieses Prinzip scheint jedoch nicht für sein eigenes Büro zu gelten: Im Bundeskanzleramt in Berlin hängt ein Porträt des Nazi-Kriegsverbrechers Hans Globke.

Das Bild hängt nicht etwa in irgendeinem staubigen Schrank. Globke war nach dem Krieg von 1953 bis 1963 Chef des Bundeskanzleramtes der Bundesrepublik Deutschland, und heute hängen Porträts aller ehemaligen Direktoren an einer Wand. Wo genau? Das Kanzleramt gibt nur vage Antworten: „In einem Flur in einem Verwaltungstrakt.“ Wie das Porträt aussieht? Keine Antwort.

Anstatt diese Ehrung einem antisemitischen „Schreibtischtäter“ zu entziehen, hat das Kanzleramt eine „kontroverse Diskussion“ geführt und 2020 beschlossen, das Porträt mit einem Schild zu versehen, damit Betrachter „Globkes politische Biografie eigenständig bewerten können“, wie es ein Regierungssprecher ausdrückte. Der Begleittext endet mit den Worten: „Die Gesetzgebung, an der Hans Globke mitwirkte, bildete die Grundlage für die Verfolgung, Deportation und Ermordung der deutschen und europäischen Juden sowie der Sinti und Roma.“

Die Tafel sagt zu Recht, dass Globke ‚Mitverfasser des ersten Kommentars zu den Nürnberger Rassengesetzen von 1935‘ war – aber dies spiegelt nur einen kleinen Teil seiner Verbrechen wider. Bereits 1932 erließ er als Beamter im preußischen Innenministerium eine Verordnung, die es Juden erschwerte, ihren Namen zu ändern, damit ihre „Blutsverwandtschaft“ nicht verschleiert werden konnte. Später half Globke unter dem nationalsozialistischen Innenminister Wilhelm Frick, die parlamentarische Demokratie in Preußen zu beseitigen. Es gibt Belege dafür, dass Globke für die Deportation von Zehntausenden Juden aus Griechenland verantwortlich war. Kurz gesagt gehörte er zu den Hauptverantwortlichen für den Holocaust.

Laut Regierungssprecher impliziert das Gemälde kein „Urteil“ über Globke. Eine seltsame Auffassung davon, welchen Beitrag Porträts leisten können! Mit derselben Logik könnte man ein Bild des ehemaligen deutschen Kanzlers Adolf Hitler direkt daneben hängen – natürlich ohne „Urteil“, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann.

Straffreiheit

Globke wurde nie für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen. Nach dem Krieg setzte er seine Karriere als Regierungsbeamter fort und wurde 1953 zum Chef des Kanzleramtes ernannt. Er war die „braune rechte Hand“ des konservativen westdeutschen Kanzlers Konrad Adenauer [Braun ist die Farbe der Nazis]. Sein Chef rechtfertigte diese Rehabilitierung mit den Worten: „Schmutziges Wasser schüttet man nicht weg, solange man kein sauberes hat!“ Globke wiederum verhalf zahlreichen ehemaligen Nazis in der Bundesrepublik (West) Deutschland zu Posten. Wie der Historiker und Jurist Klaus Bästlein gegenüber der Presse erklärte, spielte Globke eine ‚bedeutende Rolle bei der Re-Nazifizierung der Ministerialbürokratie in Bonn‘, der Hauptstadt Westdeutschlands.

Gegen Globke wurde 1960 in Frankfurt ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, das jedoch auf Druck Adenauers eingestellt wurde. Spätestens seit 1952 wussten westdeutsche Geheimdienste, dass sich der Kriegsverbrecher Adolf Eichmann in Argentinien versteckte. Ob Globke diesen Massenmörder persönlich deckte, ist bisher nicht erwiesen. Sicher ist, dass Eichmann belastende Aussagen über Globke gemacht hatte, die auf Initiative der Bundesregierung und der CIA unterdrückt wurden.

Globke unterstützte das Wiedergutmachungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel. Mit den Worten von Pankaj Mishra wurde er zu einem Symbol der deutsch-israelischen Beziehungen: „Moralische Absolution eines unzureichend entnazifizierten und immer noch zutiefst antisemitischen Deutschlands im Gegenzug für Geld und Waffen.“

Prozess

Aufgrund dieser Straflosigkeit sowohl in der Bundesrepublik als auch in Israel übernahm die Deutsche Demokratische Republik (DDR oder Ostdeutschland) die Strafverfolgung nach dem Prinzip der universellen Gerichtsbarkeit für Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der Oberste Gerichtshof der DDR hielt im Sommer 1963 einen zweiwöchigen Prozess ab und verurteilte Globke in Abwesenheit zu lebenslanger Haft.

Bästlein analysierte den Prozess für sein 2018 erschienenes Buch „Der Fall Globke (The Globke Case) und kam zu dem Schluss, dass der Prozess zwar „aus Propagandagründen geführt und nicht im Einklang mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vorbereitet wurde“, das Urteil aber dennoch „rechtlich einwandfrei“ und „auf internationalem Recht basierend“ war. Oft wird der Vorwurf eines „Schauprozesses“ und von „Propaganda“ erhoben – die Beweislage ist jedoch eindeutig.

Die ostdeutsche Hauptzeitung Neues Deutschland beschrieb Globke damals als „geistigen Mörder von Millionen Juden“. Einige Tage vor dem Prozess zitierte die Zeitung Arbeiter des Leuna-Werks: „Wir können einfach nicht verstehen, wie eine solche blutbefleckte Person heute ein Amt in einem Staat bekleiden kann.“

Heute ist es ebenso schwer zu verstehen. Vorwürfe des Antisemitismus werden regelmäßig gegen propalästinensische Aktivisten erhoben, selbst wenn sie Juden sind. Doch bei konservativen deutschen Antisemiten ist Nachsicht die Regel. In Fällen wie denen von Hans Globke, Heinrich Lummer oder Heinrich von Treitschke wird uns gesagt, dass eine historische Persönlichkeit nicht auf ihren Judenhass reduziert werden sollte. Bästlein ist klar: „Globke war nie ein Demokrat oder ein Befürworter der Werte des [westdeutschen Nachkriegs-] Grundgesetzes.“ Deshalb ist eine klare Haltung im Kanzleramt gefragt.

Erstmals veröffentlicht auf Deutsch in nd und dann auf Englisch auf The Left Berlin.

Nathaniel Flakin

Nathaniel ist ein freiberuflicher Journalist und Historiker aus Berlin. Er ist Mitglied der Redaktion von Left Voice und unserer deutschen Schwesterseite Klasse Gegen Klasse. Nathaniel, auch bekannt unter dem Spitznamen Wladek, hat eine Biografie über Martin Monath geschrieben, einen trotzkistischen Widerstandskämpfer in Frankreich während des Zweiten Weltkriegs, die auf Deutsch, auf Englisch, auf Französisch und auf Spanisch erschienen ist. Er hat auch einen antikapitalistischen Reiseführer mit dem Titel Revolutionary Berlin geschrieben. Er gehört dem autistischen Spektrum an.

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Übersetzt mit Deepl.com

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