“Heute gibt es eine globale Verirrung und Verwirrung” Moshe Zuckermann

Ich danke Moshe Zuckermann für die Genehmigung seinen neuen, heute auf Overton-Magazin veröffentlichten Kommentar, Andenken an Fritz Edlinger, auf der Hochblauen Seite zu übernehmen. Evelyn Hecht-Galinski

https://overton-magazin.de/top-story/heute-gibt-es-eine-globale-verirrung-und-verwirrung/

“Heute gibt es eine globale Verirrung und Verwirrung”


Quelle: Pixabay

Fritz Edlinger (1948-2024) zum Andenken

Am 4.12.2024 ist Fritz Edlinger 76jährig gestorben. Ich war von der Nachricht über seinen plötzlichen Tod zutiefst betroffen. Zwar sind wir uns nie persönlich begegnet – unser Face-to-face vollzog sich stets auf dem PC-Bildschirm bei Zoom-Gesprächen –, und dennoch war unsere Beziehung von einer herzlichen Vertraulichkeit erfüllt, die insofern bemerkenswert ist, als wir uns kaum je über Persönliches austauschten, geschweige denn über Intimes, sondern uns immer auf politische Inhalte beschränkten. Fritz Edlinger war nämlich in seiner Kapazität als bekannter österreichischer Publizist, Herausgeber und ehemaliger Generalsekretär der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen an mich herangetreten, um mich für seinen YouTube-Kanal (ein Zusatz zu der von ihm gedruckt und online herausgegebnen Zeitschrift International) zu Israel bzw. zu Israel-Palästina mehrfach zu interviewen.

Die Anfrage rührte daher, daß sich Fritz Edlinger zwar allgemein mit der westlichen Außenpolitik kritisch auseinandersetzte, aber sein Hauptaugenmerk auf den israelisch-palästinensischen Konflikt richtete. In diesem Zusammenhang kritisiert er die israelische Besatzungspolitik und setzte sich für die Rechte der Palästinenser ein, wobei er einen Dialog zwischen den Konfliktparteien befürwortete, ohne aber mit Kritik gegenüber der westlichen Haltung, der er Einseitigkeit zugunsten Israels vorwarf, zu sparen. Eben darum wurde Fritz Edlinger im deutschsprachigen Raum als eine kontroverse Figur wahrgenommen. Seine scharfe Kritik an der israelischen Politik trug ihm den Vorwurf ein, antisemitische Positionen zu vertreten bzw. die Plattform für derlei Ansichten zu bieten. Edlinger wies diese Anschuldigungen entrüstet zurück und hob immer wieder hervor, sich in seiner Kritik ausschließlich auf die Politik des Staates Israel zu beziehen, mitnichten auf das jüdische Volk.

Es ist davon auszugehen, dass uns auch dieses “Schicksal” verband. Denn wenn schon ich, ein jüdischer Israeli, mir gefallen lassen muss, dass meine Kritik an der Politik des Landes, in dem ich lebe, als “antisemitisch” ausgelegt wird, kann man sich vorstellen, in was für ein Minenfeld sich der Nichtjude Fritz Edlinger begab, als er seine unerbittliche Kritik an der repressiven Politik des zionistischen Staates den Palästinensern gegenüber fortwährend artikulierte. Denn besonders im deutschsprachigen Raum ist man offenbar noch immer nicht in der Lage, zwischen Judentum, Zionismus und Israel und entsprechend zwischen Antisemitismus, Antizionismus und Israelkritik zu unterscheiden.

Dass nicht alle Juden Zionisten, nicht alle Zionisten Israelis und nicht alle Israelis Juden sind, will von jenen nicht verstanden werden, denen die Verdinglichung der Juden und die Fetischisierung des zionistischen Staates zur zweiten Natur geronnen sind – und die daher die barbarische Knechtung der Palästinenser durch die Israelis mit allem, was dies politisch, gesellschaftlich, ökonomisch und kulturell impliziert, hinnehmen zu sollen meinen, als sei dieser objektive kollektive Zustand selbstverständlich, ja nachgerade historisch gerechtfertigt.

Fritz Edlinger hat das, anders als viele andere Publizisten seines Ranges, verstanden und seiner entsprechenden Empörung darüber emphatischen Ausdruck verliehen. Man sagte ihm daher nach, dass sein Einfluss im Diskurs über den Nahen Osten polarisiere, weil seine Positionen zu einseitig seien. Aber die Einseitigkeit der Positionen, wenn es denn solche waren, widerspiegeln exakt die realen Machtverhältnisse zwischen Israel und Palästina. Es ist nicht zu leugnen, wem durch wen ein historisches Unrecht widerfahren ist; wer seit über einem halben Jahrhundert ein brutales Okkupationsregime mit Mitteln eines Apartheidstaates unterhält, und wer dessen Opfer ist; wer um seine nationale Selbstbestimmung kämpft, und wer sie systematisch zu untergraben trachtet.

Wenn der Nahostkonflikt ein Territorialkonflikt ist, ist auch klar, wer militärisch beherrscht, worum es bei diesem Konflikt geht, und wer den kollektiven Preis dafür zahlt. Eben darin wurzelt die Einseitigkeit, der man sich mutatis mutandis bei der Aufklärung dieses Grundverhältnisses und seiner Analyse zu verschreiben hat. Und genau das zeichnet den Mut von Fritz Edlinger aus, den er in seiner publizistisch-politischen Aktivität in emanzipativer Absicht bewiesen hat. Diese unentwegte Courage haben nicht viele Protagonisten im Nahost-Diskurs aufgewiesen. Fritz Edlingers Stimme wird sehr fehlen.

Knapp eine Woche vor seinem Tod hat Fritz ein letztes Gespräch mit mir geführt. Zwar habe ich (auf seine Bitte hin) während des Interviews am meisten gesprochen, aber den Monolog, den er am Schluss unseres Gesprächs (ab Minute 30.00) noch gehalten hat, darf man als letzte Botschaft dieses bedeutenden politischen Vorkämpfers für Aufklärung und Freiheit werten:

International – Israel auf dem Weg in die Diktatur , Moshe Zuckermann [374]

In einem Gespräch mit Prof. Moshe Zuckermann in Tel Aviv erörtern wir die innenpolitische Situation in Israel, welche höchst alarmierend ist. Moshe sieht Israel auf dem Weg in eine Diktatur, ein beträchtlicher Teil der gesellschaftlichen Eliten ist entweder dabei, das Land zu verlassen oder hat sich bereits in inneres Exil zurückgezogen.

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