Justizskandale in Stuttgart und Bremen: Staatliche Repression gegen einen kritischen Künstler

Justizskandale in Stuttgart und Bremen: Staatliche Repression gegen einen kritischen Künstler

Wieder einmal ist ein Fall staatlicher Repression gegen nonkonforme Äußerungen zu melden: Diesmal traf es den Bremer Künstler Rudolph Bauer. Aufgrund seiner satirisch-künstlerischen Bildmontagen wurde Bauer denunziert, angeklagt und verurteilt. Und das nächste Strafverfahren ist bereits im Gange.

Justizskandale in Stuttgart und Bremen: Staatliche Repression gegen einen kritischen Künstler

 

Wieder einmal ist ein Fall staatlicher Repression gegen nonkonforme Äußerungen zu melden: Diesmal traf es den Bremer Künstler Rudolph Bauer. Aufgrund seiner satirisch-künstlerischen Bildmontagen wurde Bauer denunziert, angeklagt und verurteilt. Und das nächste Strafverfahren ist bereits im Gange.
Quelle: RT © Rudolph Bauer / https://rudolph-bauer.de/

Von Mirko Lehmann

In den letzten Jahren ist es um die Freiheit von Wissenschaft, Kunst und Meinungsäußerung in Deutschland immer schlechter bestellt. Die Grenzen des Sagbaren werden von staatlichen Institutionen, öffentlich geförderten Denunziationsportalen (sogenannten „Faktencheckern“) und den etablierten Medien immer enger gezogen. Auch Polizei und Justiz gehen teilweise mit demonstrativer Brutalität und Härte gegen Andersdenkende vor. Politisch abhängige Staatsanwaltschaften und Richter maßen sich an, über die Aussagen von Kunstwerken zu urteilen. Diese Urteile offenbaren nur allzu oft die absichtliche Fehlinterpretation und willkürliche Verdrehung des eigentlich kritischen Gehalts von Kunst und Literatur: einzig und allein zum Zwecke der Einschüchterung und Abschreckung unangepasster Zeitgenossen – durch Strafverfolgung missliebiger, vom Mainstream abweichender Inhalte.

Der emeritierte Bremer Politikwissenschaftler Professor Dr. Rudolph Bauer wurde vom Amtsgericht Stuttgart am 26. März 2024 zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro verurteilt, wie er in einer kürzlich verbreiteten Presseerklärung mitteilte. Bauer ist seit vielen Jahren auch als bildender Künstler tätig. Die von ihm angefertigten Collagen haben Denunzianten und den Staat auf den Plan gerufen. Zeitgleich mit dem Stuttgarter Urteil wurde Bauer vom Amtsgericht Bremen eine weitere Anklage zugestellt. Darin werde Bauer „Volksverhetzung wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“ zur Last gelegt. Sollte er in diesem zweiten Verfahren schuldig gesprochen werden, drohen dem Künstler bis zu drei oder fünf Jahre Haft und/oder eine Geldstrafe.

Politisches Kunst-Verständnis

Bauer ist in letzter Zeit mit Bildmontagen hervorgetreten, die sich kritisch, satirisch und warnend mit dem Militarismus und den staatlichen Corona-Maßnahmen in Deutschland auseinandersetzen. In der erwähnten Presseerklärung gibt Bauer einige Hinweise auf die Theorie und Geschichte der Bildmontage sowie auf sein Verständnis der Kunstform Collage. Dabei bezieht sich Bauer auf Kunst-Prinzipien, die mit dem Begriff Interpiktorialität bezeichnet werden. Darunter sind Beziehungen zwischen unterschiedlichen Bildern zu verstehen, die durch die Bildmontage sichtbar gemacht oder erst hergestellt werden. Es gehe um einen „Dialog der Bilder“ und wechselseitige formale und/oder inhaltliche Bezüge zwischen ihnen. Durch die Zusammenfügung verschiedener Bilder oder Bildelemente entsteht demzufolge ein neues Kunstwerk, das durch seine spezifische Komposition bestimmte Aspekte akzentuieren, Zusammenhänge aufzeigen oder auch einen satirischen Gehalt erlangen könne.

Doch dieses kunstwissenschaftliche Basiswissen war offenkundig zu hoch für die beteiligten Strafverfolgungsbehörden und Gerichte. So hatte sich Karl Lauterbach, heutiger Bundesgesundheitsminister, seinerzeit noch als Abgeordneter durch eine von Bauers Bildmontagen beleidigt gefühlt und eine Klage angestrengt, die nun zur Verhängung einer Geldstrafe von 3.000 Euro führte. Lauterbach hatte sich an einer Collage Bauers gestört, die in einer Broschüre des pad-Verlags Bergkamen 2023 erschienen war.

Karl Lauterbach

Bauer beschreibt seine Bildmontage folgendermaßen – und zwar zeige das Bild

„Professor Dr. Lauterbach mit zwei leicht erhobenen linken Händen, die von der Justiz – und angeblich auch von Lauterbach – als Hitlergruß gedeutet werden. [Ein schlichter Klick bei Wikipedia auf https://de.wikipedia.org/wiki/Hitlergru%C3%9F zeigt den ‚wahren‘ Hitlergruß.] Ein unter die Nase des Lauterbach geklebtes Viereck – das kunstgeschichtlich berühmte Schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch – gilt dem Abgebildeten und der ihm darin folgenden Justiz als ‚Hitlerbärtchen‘. Vollends in die Hitler-Falle getappt sind beide, der beleidigte Lauterbach und die Amtsrichterin K., durch die schillernde Bildunterschrift: #adolf #lauterbach. Also doch ein Hitler-Vergleich? Ein Skandal?“

Seine künstlerische Kritik an den staatlichen Coronamaßnahmen stellt Bauer in eine historische Perspektive, ohne dadurch Gleichsetzungen vorzunehmen. Die Bildzitate in den Collagen lassen, wie Bauer schreibt, eben „keine KZ-Verherrlichung […] erkennen, sondern entschiedene Kritik an den ‚Straf‘-Lagern und […] Beifall für die Befreiung der Häftlinge aus dem KZ“. Der Künstler

„nimmt mit seiner Bildmontage u.a. Bezug auf ‚T 4‘, die 1940/41 erfolgten systematischen, als ‚Vernichtung lebensunwerten Lebens‘ bezeichneten Tötungsaktionen an psychiatrischen Patienten während des Nationalsozialismus. Ferner kann eine Verbindung hergestellt werden zu den von Josef Mengele und anderen Ärzte im KZ Auschwitz mit tödlichen Folgen vorgenommenen medizinischen Experimenten an Häftlingen.“

Da die schriftliche Urteilsbegründung aus Stuttgart noch nicht vorliegt, behilft sich Bauer mit einem Adorno-Zitat über das Fortdauern des „Nationalsozialismus“ in gewissen Denkstrukturen, die sich nicht nur, aber eben auch bei Richtern, Staatsanwälten, Bundestagsabgeordneten und Ministern zeigten:

„‚Der Nationalsozialismus lebt heute ja wohl weniger darin nach, dass man noch an seine Doktrinen glaubte – wie weit das überhaupt je der Fall war, ist fraglich – als in bestimmten formalen Beschaffenheiten des Denkens. Zu ihnen rechnen beflissene Anpassung ans je Geltende, zweiwertige Aufteilung nach Schafen und Böcken, Mangel an unmittelbaren spontanen Beziehungen zu Menschen, Dingen, Ideen, zwanghafter Konventionalismus, Glaube an Bestehendes um jeden Preis. Derlei Denkstrukturen und Syndrome sind als solche dem Inhalt nach apolitisch, aber ihr Überleben hat politische Implikationen. Das ist vielleicht an dem, was ich mitzuteilen suche, das Ernsteste.‘ (Theodor W. Adorno: Eingriffe. Neun kritische Modelle. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1963, S. 41).“

Eine westdeutsche „Karriere ohne Fehl und Tadel“

Bauer, der in wenigen Tagen seinen 85. Geburtstag begehen kann, betont in seiner Pressemitteilung seine Erfahrung als „Kriegs- und Nachkriegskind“. Geprägt „vom demokratischen Aufbruch der westzonalen Bundesrepublik, studierte er nach dem Abitur Politische Wissenschaft und war in der Studentenbewegung aktiv“. Nach einer Vertretungsprofessur in Gießen wurde Bauer 1972 an die Universität Bremen berufen. Seine akademische Karriere führte ihn unter anderem nach China und in die USA. Zu Bauers Forschungsgebieten zählten Fragen der Demokratie und des Parlamentarismus, Probleme von Minderheiten und ab den 1980er Jahren verstärkt die Geschichte des Nationalsozialismus. Öffentliche Ausstellungen seiner künstlerischen Arbeiten fanden beispielsweise in Bremen, Frankfurt/Main und Berlin statt.

Angesichts seiner wissenschaftlichen und künstlerischen Laufbahn gehört eine gehörige Portion von gezieltem Missverstehenwollen dazu, Bauer wegen „Volksverhetzung“ den Prozess zu machen. Dazu heißt es in der Pressemitteilung:

„Die Bremer Staatsanwaltschaft beschuldigt den Künstler und Wissenschaftler natürlich auch nicht explizit einer antidemokratischen Gesinnung oder totalitärer Bestrebungen. Sie wirft dem Künstler lediglich vor, dass er in seinen Bildmontagen NS-Symbole verwendet, und schlussfolgert daraus die durch nichts begründete Absicht der Volksverhetzung. Der Gedanke, dass die Verwendung von NS-Symbolen der Aufklärung dient, der Anklage und der Warnung, scheint jenseits des Horizonts der Strafverfolgungsbehörden angesiedelt zu sein.“

Was die Bremer Anklage betrifft, die vier weitere Bildmontagen Bauers kriminalisiert, so folgte diese einer Hausdurchsuchung bei dem Künstler am frühen Morgen des 10. August 2023 (RT DE berichtete). Überfallartig verschafften sich bewaffnete Polizisten in schusssicheren Westen Zugang zur Wohnung des Professors und durchsuchten sämtliche Wohnräume. Zur angeblichen „Beweissicherung“ wurde dem älteren Herrn sein Smartphone weggenommen. Dabei entbehrte das repressive Vorgehen der Behörden jeglicher sachlichen wie rechtlichen Grundlage. Bauer schreibt dazu:

„Der Vorgang wurde vom Landgericht Bremen zwei Monate später als nicht rechtens erkannt, weil die ‚Beweise‘ in Gestalt der Bildmontagen sowohl auf dem Instagram-Account (unter dem Hashtag #bauerrudolph) zugänglich sind als auch in mehreren Veröffentlichungen der ‚Edition Kunst‘ des Bergkamener pad-Verlages. Die bloße Eingabe des Namens ‚Rudolph Bauer‘ in irgendeiner der Suchmaschinen hätte die Staatsanwaltschaft nachdenklich machen müssen.“

Die Bremer Anklage wendet sich insbesondere gegen die militarismuskritischen Collagen Bauers und die historischen Bezüge des aktuellen Krieges in der Ukraine, die seine Montagen erkennbar machen.

Ursula von der Leyen und Wladimir Selenskij

So wird der Künstler beschuldigt, eine Bildmontage veröffentlicht zu haben,

„‚welche die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen und den Präsidenten der Ukraine Volodymyr Selenskyj und einen schwarz-weißen Reichsadler mit Hakenkreuz zeigt‘. Der auf der Bildmontage erkennbare Adler ist die Fotografie einer Skulptur aus den Bombentrümmern des untergegangenen Dritten Reichs. Der das Hakenkreuz umgebende Eichenkranz ist ebenso wie ersteres erkennbar beschädigt, trägt also deutliche Spuren des Niedergangs der NS-Herrschaft und der damit verbundenen Befreiung vom Nationalsozialismus.“

Bezeichnenderweise zitiert die Anklageschrift nicht den Bildtitel, der lautet: „#zubesuchbeifreunden und #gastgeschenk“. Der „Hashtag #zubesuchbeifreunden“ soll, so Bauer, auf das „freundschaftliche Verhältnis der abgebildeten Politiker“ hindeuten. Und der Hashtag „#gastgeschenk“ sei als Persiflage „auf ironisch-sarkastische Weise“ auf die „Waffenlieferungen und Milliarden-Euro-Zahlungen an die Ukraine“ zu verstehen. Bauer erläutert seine Collage weiter mit folgenden Worten:

„Die Bildtitel, der in das Bild eingefügte Adler mit Hakenkreuz und der aus der Bildunterschrift ersichtliche Hinweis #politicalart zeichnen die Bildmontage aus als ein politisches Statement. Die Aussage übt Kritik: sowohl am untergegangenen Nationalsozialismus als auch an der Wiederkehr nationalistischer und faschistischer Tendenzen.“

Damit nimmt Bauer ausdrücklich, wie er betont, Bezug auf die von der EU finanziell und mit Waffen unterstützte Ukraine, in der „faschistische Bandera-Truppen kämpfen“. Er belegt dies mit einer Sendung des jeglicher russischer oder irgendwie linker Sympathien unverdächtigen Deutschlandfunks vom April 2022. Dass nun die von Bauer angefertigte Bildmontage alles andere als nationalsozialistische Propaganda darstellt, sollte jedem Betrachter einsichtig sein:

„Die Kombination Adler + beschädigtes Hakenkreuz + Bildtitel lassen Zusammenhänge erkennen, die zwar dem herrschenden Narrativ widersprechen. Adler und Hakenkreuz werden in der Bildmontage aber nicht zu Propagandazwecken (‚Volksverhetzung‘) verwendet, sondern ganz im Gegenteil als Warnung und Kritik sowohl an der Rolle faschistischer Kräfte in der Ukraine als auch an der politisch zweideutigen Haltung der Europäischen Kommission und ihrer Präsidentin.“

Olaf Scholz

Eine andere Collage, die Bundeskanzler Olaf Scholz und Adolf Hitler zeigt und die Hashtags „#seitenwende, #bildmontage und #politicalart“ trägt, passte den Strafverfolgungsbehörden ebenso wenig. Bauer, der sich als Pazifist bezeichnet, sieht in der „Bild-Bild-Doppelung“ eine Warnung vor der gegenwärtigen deutschen Politik, die dahin tendiere, „den Überfall Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion unter neuen Vorzeichen fortzusetzen“. In diesem Zusammenhang beruft sich Bauer auf Artikel 26 des Grundgesetzes, der Vorbereitungen zur Führung eines Angriffskrieges für verfassungswidrig erklärt und unter Strafe stellt. Ebenso bezieht sich Bauer auf die Bestimmungen des sogenannten „2+4-Vertrages“, der festlegt, dass von „deutschem Boden nur Frieden ausgehen“ solle und „Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen“.

Dagegen habe Scholz mit der proklamierten „Zeitenwende“, von Bauer als „#seitenwende“ ironisiert, ein „Kriegsprogramm verkündet“. Die Bildmontage bedeute keine „Gleichsetzung“ von Hitler und Scholz, sondern wolle „außen- und militärpolitische Kontinuität deutscher Politik gegenüber Russland sichtbar“ machen. Allerdings führt Bauer auch aus:

„Im Zweiten Weltkrieg wurden russische Menschen auf brutalste Weise durch Zwangsarbeit erniedrigt, ausgebeutet sowie durch Hunger und die Kriegsmaschinerie vernichtet. Hitler und die NS-Ideologie rechtfertigten die Tötung von 27 Millionen Menschen; siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Tote_des_Zweiten_Weltkrieges#Sowjetunion. Wer angesichts dessen (und angesichts des unblutigen Rückzugs russischer Truppen aus der DDR) nichts aus der Geschichte gelernt hat, derjenige stellt sich selbst auf eine Stufe mit Hitler.“

Anton Hofreiter und Marie-Agnes Strack-Zimmermann

Schließlich störten sich die Strafverfolgungsbehörden an einer Bildmontage Bauers, die „die Bundestagsabgeordneten Anton Hofreiter und Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann und einen Reichsadler mit Hakenkreuz zeigt“. (Den Doktortitel des grünen Abgeordneten haben die Behörden offenbar unterschlagen, aber dies nur nebenbei.) Bauer begründet die Auswahl der beiden genannten Mitglieder des Deutschen Bundestages damit, dass diese „hinlänglich dafür bekannt“ seien „zu fordern, die Ukraine im US/NATO-Stellvertreterkrieg gegen die Russische Föderation mit Waffen und Kriegsgerät auszurüsten“. Auch in diesem Falle diene die Darstellung des Reichsadlers mit Hakenkreuz als Warnung. Diese sei gerechtfertigt, da beide Abgeordnete „durch ihre militaristische Einstellung in einer Tradition stehen, in welcher der Zweite Weltkrieg mit der Notwendigkeit des Siegs über die Sowjetunion propagandistisch begründet wurde“. Von Hofreiter und Strack-Zimmermann lägen „genügend kriegsaffine Aussagen“ vor, „die sich gegen Russland, die russische Regierung und das russische Volk richten. Die Kriegshetze dieser Politiker ist unverkennbar von der Rassenideologie des Nationalsozialismus geprägt, auch wenn dies den Akteuren nicht bewusst sein muss.“ Zwar beziehe sich deren „militaristisches Palavern“, so Bauer, „in erster Linie zwar ’nur‘ auf Putin“, erinnere „in seiner Diktion aber an die NS-Propaganda gegen die ‚russischen Untermenschen'“. Und Bauer schließt daran die rhetorische Frage an:

„Ist es nicht eine juristisch eingefädelte Volksverhetzung, wenn kritische Bildmontagen durch die Verwendung einer Reichsadler-Abbildung umgedeutet werden zu einer Verherrlichung des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen?“

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