Medienkampagne gegen Erdoğan-Besuch in Berlin: Ablenkungsmanöver und ein Ringen um Moral
Israel-kritische Äußerungen von Erdoğan richten sich in erster Linie an die innertürkische Öffentlichkeit. Obwohl der türkische Präsident Israel mehrfach des Völkermords in Gaza bezichtigt hat, wird von türkischen Häfen aus weiterhin Treibstoff nach Israel geliefert. Erdoğan besucht am 17. November Berlin, da Deutschland auf seine Kooperation in der Migrationspolitik angewiesen ist.
Medienkampagne gegen Erdoğan-Besuch in Berlin: Ablenkungsmanöver und ein Ringen um Moral
Von Armin Schmitt
Von Armin Schmitt
Am Freitag steht der Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan an, wobei deutsche Medien schon eine Kampagne gegen die Persönlichkeit Erdoğan gestartet haben. Dabei ist auch Kritik aus allen Parteien zu hören. Nach der Angriffsoperation der Hamas auf Israel am 7. Oktober hat der türkische Präsident die Hamas als „Befreiungsorganisation“ bezeichnet und seinen antiisraelischen Ton stetig verschärft. In Deutschland läuft seit dem Gaza-Krieg ein Wettlauf um eine härtere Haltung gegenüber den Palästinensern. Das Ringen um Moral gipfelte kürzlich zudem in einer von den Medien gefeierten „historischen Rede“ von Wirtschaftsminister Robert Habeck zum Israel-Gaza-Krieg, in der er die Brutalität der israelischen Armee gegen Palästinenser einfach ausblendete.
Deutsche Politiker drängen nun den Kanzler zu deutlichen Worten gegenüber seinem Gast. Erdoğans Aussagen seien „gefährlich und durch nichts zu rechtfertigen“. Scholz müsse die deutsche Position gegenüber Israel deshalb „klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen.“ Regierungssprecher Steffen Hebestreit versicherte in der Bundespressekonferenz, dass die deutsche Position gegenüber Israel felsenfest sei. Der Bundeskanzler werde dies auch im Gespräch mit dem türkischen Präsidenten „sehr deutlich machen.“
Die scharfen Töne der arabischen Staaten und der Türkei gegen Israel haben in den vergangenen Tagen ein neues Niveau erreicht. Die Israel-kritischen Positionen der Türkei haben aber ihren Ursprung nicht in der Solidarität der türkischen Staatenlenker in der Region mit den Hamas-Kämpfern. Erdoğans Äußerungen sind vielmehr der türkischen Innenpolitik geschuldet, Israel-kritische Äußerungen richten sich in erster Linie an die innertürkische Öffentlichkeit. Der türkische Präsident ist immer dafür bekannt gewesen, dass er Außenpolitik kurzfristig für innenpolitische Interessen instrumentalisiert. Hinzu kommt, dass fast alle Parteien in der Türkei von israelischen „Kriegsverbrechen“ und einem „Genozid in Gaza“ sprechen. Aus diesem Grund zeigt Erdoğan eine starke Geste der Solidarität gegenüber den Palästinensern.
Deutsche Medien haben in vergangenen Tagen behauptet, dass Erdoğan sogar das Existenzrecht des jüdischen Staats infrage gestellt habe, „was eine Abkehr von seiner bisherigen Position darstellte.“ Die Türkei fährt aber keinen neuen Kurs in ihrer Außenpolitik. Im Gegenteil: Erdoğan hält fest an seiner Schaukelpolitik, die im Grunde im Dienst der NATO-Politik in der Region steht. Die bilateralen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Israel und der Türkei sind trotz der vielen politischen Tiefen in der Vergangenheit in Krisenzeiten nicht nur stark geblieben, sondern haben sich sogar verbessert. Das Handelsvolumen hat sich während der 20 Jahre AKP-Regierung zwischen 2002 und 2022 versechsfacht. Obwohl Erdoğan Israel mehrfach des Völkermords in Gaza bezichtigt hat, wird von türkischen Häfen aus weiterhin Treibstoff an Israel geliefert. Und Scholz und die US-Amerikaner sind sich dieses Standpunkts der türkischen Politik bewusst.
Erdoğan besucht Berlin, da sowohl Deutschland als auch die EU auf seine Kooperation in der Migrationspolitik angewiesen sind. Zuletzt hatte der türkische Präsident die Bundesrepublik im Jahr 2020 besucht. Schon damals spielte die Migrationspolitik in der EU eine wichtige Rolle. Die damalige Kanzlerin Angela Merkel hatte dem türkischen Präsidenten eine Aufstockung der Flüchtlingshilfen in Aussicht gestellt. Olaf Scholz will seinerseits „im großen Stil“ abschieben und strebt eine Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik an. Da führt kein Weg an Erdoğan vorbei. Die Medienkampagne gegen seinen Besuch in Deutschland ist nichts anderes als ein Ablenkungsmanöver und ein Ringen um Moral, die nur vom dominierenden Haltungsjournalismus in Deutschland zeugt.
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