Neue deutsche Regierung bereitet massive Sozialkürzungen vor Peter Schwarz

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Neue deutsche Regierung bereitet massive Sozialkürzungen vor

Peter Schwarz

28. April 2025

Nach den Plänen der Christlich-Demokratischen Union (CDU), der Christlich-Sozialen Union (CSU) und der Sozialdemokratischen Partei (SPD) soll CDU-Chef Friedrich Merz am 6. Mai zum neuen deutschen Kanzler gewählt werden. Diese Vereinbarung steht unter dem Vorbehalt eines CDU-Parteitags und einer Abstimmung der SPD-Mitglieder über das Koalitionsprogramm. Eine Zustimmung beider Parteien gilt als wahrscheinlich, die CSU hat bereits zugestimmt. Der CDU-Parteitag findet am 28. April statt, die Ergebnisse der SPD-Mitgliederabstimmung werden am 30. April bekannt gegeben.

Der neue deutsche Kanzler Friedrich Merz [Foto: DBT / Tobias Koch]

Während die Vorbereitungen für die Regierungsbildung planmäßig verlaufen, kommt es bereits zu heftigen politischen Spannungen. Vor allem Wirtschaftsverbände und wirtschaftsnahe Zeitungen werfen der künftigen Regierung vor, vor Kürzungen bei Renten, Gesundheit und anderen Sozialausgaben zurückzuschrecken und diese Ausgaben sogar zu erhöhen.

Unter der Überschrift „Zukunft aufgeschoben“ beklagte die konservative Tageszeitung F.A.Z., dass in der Koalitionsvereinbarung „wenig von einem echten Neuanfang zu spüren“ sei. Die Begriffe „Sozialabgaben“, „Sozialabgabenabzüge“, „Lohnnebenkosten“ und „Arbeitskosten“ kämen in der Vereinbarung nicht vor, und viele Themen seien aufgeschoben oder an 15 noch zu bildende Kommissionen verwiesen worden, kritisierte die Zeitung.

Der Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hat berechnet, dass die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Verpflichtung, das Rentenniveau bei 48 Prozent zu halten und die Mutterschaftsleistungen bis 2031 zu verbessern, rund 50 Milliarden Euro kosten wird. „Leider fehlt im Koalitionsvertrag jeglicher Versuch, das Ausgabenwachstum in der Rentenversicherung zu begrenzen“, kritisierte BDA-Chef Steffen Kampeter.

Ähnliche Kritik, auch aus den Reihen der künftigen Regierungsparteien, ist weit verbreitet.

Der Koalitionsvertrag konzentriert sich in erster Linie auf drei Ziele: eine massive Erhöhung der Militärausgaben, die Übernahme der faschistischen Flüchtlingspolitik der AfD und die Errichtung eines Polizeistaats zur Unterdrückung jeglicher Opposition. In diesen Punkten sind sich CDU/CSU und SPD einig. In der Frage der Sozialkürzungen halten sie sich jedoch auffällig zurück. Sie haben sich lediglich zu konkreten Kürzungen beim Bürgergeld (Sozialleistung) sowie zu Einsparungen und Stellenabbau in der Bundesverwaltung verpflichtet. Ansonsten beschränken sie sich auf allgemeine Haushaltsziele.

Das liegt nicht daran, dass sie keine Pläne für solche Kürzungen hätten. Im Wahlkampf forderte die CDU unter Merz eine „wirtschaftliche Wende“ und die strikte Einhaltung der Schuldenbremse, und die SPD ist seit der Agenda 2010 von SPD-Kanzler Gerhard Schröder für massive Sozialkürzungen verantwortlich. Allerdings hält es keine der beiden Parteien für ratsam, Sozialkürzungen anzukündigen, bevor die neue Regierung fest im Sattel sitzt.

Die SPD erzielte bei der Bundestagswahl das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte, die CDU/CSU-Allianz das zweit schlechteste. Dass sie eine knappe Mehrheit der Sitze im Bundestag haben, verdanken sie nur den 14 Prozent, die für Parteien gestimmt haben, die die 5-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament nicht genommen haben. Wäre die Partei von Sahra Wagenknecht, die die Hürde um weniger als 10.000 Stimmen verfehlte, in den Bundestag eingezogen, hätten SPD und CDU/CSU einen weiteren Koalitionspartner gebraucht.

Der Koalitionsvertrag selbst enthält viele leere Versprechungen, wie die Beibehaltung des aktuellen Rentenniveaus, die Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro und die Ausweitung des Mutterschaftsgeldes auf Frauen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Diese sind jedoch nicht ernst gemeint.

Bei der Vorstellung des Vertrags belehrte SPD-Vorsitzender und voraussichtlicher künftiger Finanzminister Lars Klingbeil die Journalisten über den feinen sprachlichen Unterschied zwischen „werden“ und „wollen“. Eine Maßnahme sei nur dann beschlossen, wenn „wir werden“ stehe. Stehe im Vertrag „wir wollen“, sei dies lediglich eine Absichtserklärung. Außerdem seien alle vereinbarten Maßnahmen finanzierungsvorbehalten – mit anderen Worten: Sie würden nur umgesetzt, wenn genug Geld da sei.

Ein genauerer Blick auf die Zahlen zeigt, dass die künftige Regierung Sozialkürzungen vorbereitet, die Schröders Agenda 2010 im Vergleich dazu bescheiden erscheinen lassen. Dies gilt umso mehr, als CDU/CSU und SPD sich hartnäckig weigern, den enormen Reichtum und die Gewinne anzutasten, die Banken, Hedgefonds und Milliardäre in den letzten Jahren angehäuft haben, oder sie lediglich höher zu besteuern. Sie sind entschlossen, die Arbeiterklasse für den gigantischen Militäraufmarsch bezahlen zu lassen.

Dabei sind die Auswirkungen des von US-Präsident Donald Trump angezettelten Handelskriegs noch gar nicht berücksichtigt, obwohl die Bundesregierung ihre Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft deswegen bereits nach unten korrigiert hat. Die Wirtschaft wird das dritte Jahr in Folge nicht wachsen. Die Steuereinnahmen sinken entsprechend, das Defizit im Bundeshaushalt wächst.

Im Jahr 2024 belief sich das Defizit des Bundes, der Länder, der Kommunen und der Sozialversicherungsträger bereits auf 104,4 Milliarden Euro, 12,7 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Die enormen Ausgaben für die Aufrüstung und die Fortsetzung des Krieges in der Ukraine, für die der Bundestag Kreditbewilligungen in Höhe von über 1 Billion Euro beschlossen hat, werden das Haushaltsdefizit weiter verschärfen. Die Regierenden sind entschlossen, dieses Loch auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung zu stopfen. Die Summen sind enorm.

In der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung, die ausschließlich aus den sinkenden Realeinkommen der Lohnabhängigen finanziert werden, häufen sich Defizite in zweistelliger Milliardenhöhe. Allein die Staatszuschüsse zur Rentenversicherung müssten daher von derzeit 120 Milliarden Euro auf 150 Milliarden Euro pro Jahr steigen. Der Koalitionsvertrag sieht zwar eine Erhöhung der staatlichen Zuschüsse vor, diese werden jedoch bei einer Verschärfung der Haushaltskrise den Finanzierungsbeschränkungen zum Opfer fallen. Die Folge wären steigende Beiträge und sinkende Leistungen.

Ein Grund, warum die SPD trotz ihres miserablen Wahlergebnisses in der neuen Regierung gebraucht wird, ist ihre enge Verbindung zu den Gewerkschaften. Zahlreiche führende Gewerkschaftsfunktionäre sind Mitglieder der SPD. Die Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes DGB, Yasmin Fahimi, ist ehemalige SPD-Generalsekretärin. Ihr Ehemann, Michael Vassiliadis, ist Vorsitzender der Chemiegewerkschaft IGBCE und seit 44 Jahren Mitglied der SPD.

Seit Jahren spielen die Gewerkschaften eine Schlüsselrolle bei der Durchsetzung von Sozialkürzungen, Reallohnsenkungen und Massenentlassungen sowie bei der Unterdrückung des Widerstands gegen diese Maßnahmen oder dessen Kanalisierung in fruchtlose Proteste. Doch nun verlieren sie sichtbar an Autorität.

Deshalb wenden sich führende Vertreter der CDU/CSU und der SPD an die AfD, um ihr Auftrieb zu geben. Jahrzehntelange Sozialkürzungen der SPD, der Grünen und der Linkspartei, unterstützt von den Gewerkschaften, haben die AfD zur zweitstärksten Kraft im Bundestag werden lassen. Jetzt wird die faschistische Partei gebraucht, um die wachsende soziale und politische Opposition einzuschüchtern und zu unterdrücken.

Friedrich Merz hatte bereits im Wahlkampf die sogenannte „Firewall“ gegen eine Zusammenarbeit mit der extremen Rechten eingerissen, als er mit Unterstützung der AfD zwei Anträge zur Migrationspolitik und inneren Sicherheit im Parlament durchsetzte. Vor einer Woche forderte der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Jens Spahn, der Bundestag solle die AfD „wie jede andere Oppositionspartei“ behandeln. Zwei weitere CDU-Politiker, die für Ministerposten im Gespräch sind, Johann Wadepfuhl und Mathias Middelberg, unterstützten ihn. Dies war ein klares Signal, dass die CDU bereit ist, mit der AfD zu kooperieren, sollte sich die Krise der SPD verschärfen.

Spahn selbst wird voraussichtlich keinen Ministerposten übernehmen, sondern die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag führen. Angesichts der knappen Mehrheit der Regierung ist dies eine Schlüsselrolle, die es dem 44-Jährigen ermöglichen wird, sich der AfD anzunähern und sich als Nachfolger von Merz zu etablieren. Viele halten Merz, der trotz seiner 69 Jahre noch nie ein Regierungsamt bekleidet hat, für zu schwach, um die politischen Herausforderungen zu meistern. Spahn gilt als machtgieriger Populist, der Elon Musk lobt und Kontakte zu Donald Trumps Umfeld unterhält.

Bezeichnenderweise hat auch Carsten Linnemann, ein weiterer aufstrebender CDU-Politiker, angekündigt, dass er kein Ministeramt anstreben werde. Der langjährige Chef des wirtschaftsliberalen Flügels der Partei bleibt Generalsekretär der CDU.

Der Rechtsruck der herrschenden Klasse, ihr Angriff auf die sozialen Errungenschaften und demokratischen Rechte der Arbeiterklasse und ihre Hinwendung zu Militarismus und Krieg sind internationale Entwicklungen, die in allen kapitalistischen Ländern stattfinden. Sie sind das Ergebnis des Bankrotts des kapitalistischen Systems, der wachsenden sozialen Ungleichheit und der Verschärfung imperialistischer Konflikte. Sie können nur durch die unabhängige Mobilisierung der internationalen Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms gestoppt werden.

Übersetzt mit Deepl.com

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