Pink-Washing: Israel und Ukraine kleiden rechte Ideologie in die Regenbogenflagge Von Gert Ewen Ungar

Pink-Washing: Israel und Ukraine kleiden rechte Ideologie in die Regenbogenflagge

Sowohl in Israel als auch in der Ukraine herrschen rechtsnationalistische Regierungen, denen es gelingt, das LGBT-Thema für sich zu instrumentalisieren. Die mangelnde Resilienz der LGBT-Community gegen rechts ist dabei kein Zufall. Sie ist in der Identitätspolitik angelegt.

Pink-Washing: Israel und Ukraine kleiden rechte Ideologie in die Regenbogenflagge

Von Gert Ewen Ungar

  • Sowohl in Israel als auch in der Ukraine herrschen rechtsnationalistische Regierungen, denen es gelingt, das LGBT-Thema für sich zu instrumentalisieren. Die mangelnde Resilienz der LGBT-Community gegen rechts ist dabei kein Zufall. Sie ist in der Identitätspolitik angelegt.
Quelle: www.globallookpress.com © www.AlexanderPohl.photography /

Die LGBT-Community in Deutschland jubelt. Das Online-Magazin queer.de, das sich selbst als „Zentralorgan der Homolobby“ beschreibt, präsentiert das Bild eines israelischen Soldaten mit einer Regenbogenfahne im Gaza-Streifen. Israel weiß das Bild zu vermarkten. Die israelische Botschaft in Deutschland schreibt auf X „Die erste Pride-Flagge in Gaza“.

Israel wird regelmäßig vorgeworfen, das LGBT-Thema zu instrumentalisieren und mit dem Verweis auf die Toleranz gegenüber sexuellen Minderheiten in Israel von der Unterdrückung der Palästinenser, dem Besatzungs- und Apartheitsregime abzulenken. Man nennt das „Pink-Washing“. Bestehendes Unrecht wird mit dem Hinweis auf echte oder vermeintliche Toleranz gegenüber LGBT relativiert. Es ist eine modernisierte und erweiterte Spielart des Whataboutism.

Tatsächlich ist die aktuelle Regierung unter Ministerpräsident Netanjahu eine rechtsnationalistische Koalition, in der auch regelmäßig faschistische Töne angeschlagen werden. Offen geäußert werden Vernichtungsideen gegenüber dem palästinensischen Volk.

Ungeachtet dieser kruden Vernichtungsphantasien israelischer Regierungsvertreter präsentiert sich Israel in Deutschland seit langem als einziges Land in Nahost, in dem queere Menschen respektiert werden – und hat damit Erfolg. Kein Christopher Street Day (CSD), keine Gay Pride, auf der nicht Flaggen mit regenbogenfarbenen Davidsternen flattern.

Auch die Ukraine hat verstanden, dass sich rechte, nationalistische und rassistische Politik besser und einfacher verkauft, wenn man sie mit einer Regenbogenflagge umhüllt. Wie auch Israel, pflegt die Ukraine eine rechtsnationalistische Idee, in deren Kern sich ebenfalls eine rassistische Auslöschungs-Ideologie findet. Bei Israel sind es die Palästinenser, die Ukraine möchte allen Russen und allem Russischen das Licht ausblasen.

Auch die Ukraine wirbt mit Gay-Prides in Kiew und präsentiert sich auf den deutschen CSDs als weltoffen und tolerant. In diesem Jahr brillierte die Ukraine auf dem Berliner CSD mit dem ungrammatischen Slogan „Be pride like Ukraine“. Auf dem CSD in München trällerte der ukrainische Sänger Mélovin den versammelten Queers ein faschistisches Ständchen, das den Antisemiten und Massenmörder Bandera als ukrainischen Nationalhelden verherrlichte.

Diese mangelnde Resilienz gegen rechts in der queeren Community ist kein Zufall, denn die ideologischen Grundlagen der Identitätspolitik sind ebenfalls rechten Ursprungs. Identitätspolitik ist historisch die konservative Antwort auf den Universalismus der Aufklärung. Wir sind eben nicht alle gleich, sondern ganz unterschiedlich. Unterschiedlichkeit wird zu einem zu schützenden Wert, ist der zentrale Gedanke der Identitätspolitik, der wichtiger ist als Gleichheit.

Daher ist der Zynismus, der sich im Hissen der Regenbogenflagge in Gaza oder einer Gay-Pride durch Kiew zeigt, während in unmittelbarer Nähe Menschen getötet werden, keine Ungeschicklichkeit und kein Versehen. Das Anliegen der LGBT-Community, ihre Art zu leben müsste überall auf der Welt respektiert werden, ist wichtiger als das Leben der Palästinenser in Gaza oder der Menschen in Donezk und Lugansk. Da muss man einfach mal Prioritäten setzen. Für die Legitimation von Unrecht lässt sich die LGBT-Bewegung wunderbar instrumentalisieren.

Sowohl der israelische Soldat Yoav Atzmoni, der die Regenbogenfahne in Gaza präsentierte, als auch die Veranstalter des CSD in München distanzieren sich zwar. Atzmoni findet Netanjahu nicht gut; der CSD München behauptet, nicht vorab über den Bandera-Song informiert worden zu sein. So richtig glaubwürdig wirkt das aber nicht. Letztlich hält man sein eigenes Anliegen für wichtiger als alles andere in der Welt. Diese Unfähigkeit zur Gewichtung und die darin angelegte Maßlosigkeit aber ist das zentrale Problem der LGBT-Bewegung. Denn dann wiegt das Zeigen der Regenbogenflagge in Gaza eben das Leben von tausenden Palästinensern auf.

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