
Dank an David Goeßmann für die Genehmigung seinen heute auf Telepolis veröffentlichten Artikel auf der Hochblauen Seite zu übernehmen. Evelyn Hecht-Galinski
Studie: Schwenkt die Weltbevölkerung von den USA nach China?
US-Präsident Donald Trump und der chinesische Präsident Xi Jinping. Bild: Shutterstock
Befragung bringt eine Verschiebung zutage. Was sind die Gründe dafür? Und wollen die Menschen Aufrüstung für Sicherheit? (Leserdebatte)
Die Wahrnehmung der Großmächte in der Welt hat sich im letzten Jahr verschoben. Die USA haben einen starken Einbruch bei der Beliebtheit hinnehmen müssen. China hingegen wird immer positiver wahrgenommen. Das zeigt die Befragung von 110.000 Menschen in hundert Ländern.
Der Absturz
Der Democracy Perception Index [1] misst seit sieben Jahren die nationalen Stimmungslagen bezüglich Demokratie. Beim Länderranking wird dabei der Unterschied zwischen positiven und negativen Antworten festgehalten. Diese Netto-Wahrnehmung fiel bei den USA steil ab von +22 Prozent vor einem Jahr auf -5 Prozent heute.
Das heißt, mehr Befragte haben einen negativen Blick auf das Land. Darüber hinaus ist die Zahl der Länder, die eine positive Einstellung zu den USA haben, von 76 auf nur noch 45 Prozent gesunken. Vor allem im Mittleren und Nahen Osten sind die Werte besonders negativ, aber auch Westeuropa zeigt sich kritisch gegenüber dem transatlantischen Partner.
China hat die Vereinigten Staaten nun zum ersten Mal klar überholt und ist deutlich populärer, und das in allen Regionen mit Ausnahme von Europa. Die Netto-Wahrnehmung liegt insgesamt bei +14 Prozent. In mehr als 75 Prozent der untersuchten Länder erhält China nun eine positivere Bewertung als die USA.
Der Trump-Faktor
Damit ist China unter den Großmächten das einzige Land mit einer weltweit positiven Bilanz. Denn Russland wird weiter eher negativ betrachtet, auch wenn das Land sich deutlich verbesserte und jetzt bei -9 Prozent liegt, in Schlagnähe zu den abgesackten USA. Der Trend bei Russland geht zudem seit der Ukraine-Invasion von 2022 kontinuierlich nach oben.
Laut Anders Fogh Rasmussen, Gründer der Allianz der Demokratien und ehemaliger Nato-Generalsekretär, ist der Rückgang eng mit verschiedenen Entscheidungen von US-Präsident Donald Trump verbunden. „Präsident Trump hat einen Handelskrieg ausgelöst, den ukrainischen Präsidenten im Oval Office beschimpft und die Verbündeten verunsichert, während er die Gegner ermutigt hat“, so Rasmussen [2].
Es ist keine Überraschung, dass sich das Image Amerikas verschlechtert, selbst bei denen, die es einst bewunderten.
Xi Jinping auf der Überholspur
Der Trump-Faktor ist sicherlich entscheidend für den Beliebtheitsabsturz im letzten Jahr. So sticht der US-Präsident bei den Befragungen als Staatschef mit dem negativsten Image weltweit hervor.
In 82 Prozent der Länder sehen ihn mehr Menschen negativ als positiv. Danach folgt der russische Präsident Wladimir Putin mit einer negativen Wahrnehmung in 61 Prozent der Länder.
Bei dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping sind es eine Minderheit von 44 Prozent der Staaten. Die durchschnittliche Netto-Wahrnehmung global liegt bei Trump bei -30 Prozent, bei Putin sind es -17 Prozent, bei Xi +2 Prozent.
Der Israel-Faktor
Der Abwärtstrend der USA startete jedoch schon im letzten Jahr. Der Wahrnehmungswert fiel von 27 Prozent in 2023 auf 22 Prozent in 2024.
Ein Grund dafür könnte die Unterstützung der USA für Israels Krieg gegen Gaza sein. Denn insbesondere im Globalen Süden wird der Krieg und die US-Hilfe dafür seit Beginn scharf verurteilt [3], während Holocaustforscher [4] und der Internationale Gerichtshof [5] von Genozid bzw. „möglichem Völkermord“ an den Palästinensern sprechen.
Der Faktor Israel könnte auch für dieses Jahr negativ für die USA zu Buche geschlagen haben, da der Krieg mit US-Unterstützung weitergeht, während der Gazastreifen einer Todeszone gleicht [6]. So landet Israel im Länderranking des Democracy Perception Index auf dem zweitletzten Platz mit einer Netto-Wahrnehmung von -23 Prozent.
Kooperation statt Waffen
Während Konflikte und Krieg rund um den Globus wüten und sich verschärfen, zeigt die Studie, dass die Menschen überall auf der Welt von den Staaten fordern, dass sie dem internationalen Recht folgen sollen. In 85 Prozent der untersuchten Länder stimmt die Mehrheit der Menschen der folgenden Aussage zu: „Länder sollten dem internationalen Recht und Vereinbarungen folgen, auch wenn das ihre Handlungsfreiheit eingrenzt.“
Auch sind die meisten Befragten weltweit nicht wirklich besorgt, dass ein anderes Land ihr Land überfallen könnte. Die Sorge ist im Übrigen auffallend gering ausgeprägt in den Vereinigten Staaten, China, aber auch in nordeuropäischen Ländern wie Schweden, Finnland oder Norwegen.
Überall auf der Welt sagen die Menschen zudem, dass der beste Weg, sich gegen äußere Bedrohungen zu verteidigen, darin bestehe, internationale Partnerschaften zu stärken – und eben nicht durch erhöhte Ausgaben fürs Militär, nukleare Abschreckung und vor allem nicht durch eine allgemeine Wehrpflicht. Die „Stärkung von Allianzen“ ist die Top-Priorität in 87 von 100 untersuchten Staaten, oft mit weitem Abstand.
Die niedrige Kampfbereitschaft
Das gilt selbst für Länder, wo die Bedrohungsangst hoch ist. Zu den wenigen Ausnahmen gehören die Ukraine, Polen, China und die Türkei, wo man stärker aufs Militärische setzen möchte.
In Europa ist man insgesamt zugleich nicht bereit, für das eigene Land zu kämpfen. Der Anteil liegt bei 41 Prozent der befragten 18- bis 55-Jährigen. In Deutschland, gemeinsam mit Frankreich, Italien, Belgien und den Niederlanden, sind die Werte besonders niedrig. Dort wollen weniger als ein Drittel für das eigene Land kämpfen.
Auch bei der Frage nach höheren Ausgaben für Verteidigung zeigen sich die Europäer skeptisch. Vor allem im westlichen und südlichen Europa ist die Opposition deutlich und es gibt eine Mehrheit in diesen Ländern, die Ausgabenerhöhungen fürs Militär ablehnt. In Deutschland ist die öffentliche Meinung dazu gespalten.
Unzufrieden mit der realexistierenden Demokratie
Schließlich zeigt sich, dass in den OECD-Staaten die Menschen nicht zufrieden sind mit ihren Regierungen. Die durchschnittliche Bewertung über 18 Politikfelder hinweg ist wenn überhaupt mittelmäßig.
Das betrifft vor allem soziale Bereiche wie Jobs, Arbeitslosigkeit, Lebenshaltungskosten und bezahlbares Wohnen. Die mächtigen Industriestaaten wie die USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien befinden sich dabei am Ende der Liste. Dort werden die Regierungen insgesamt schlecht eingeschätzt.
Positiv zu werten ist der Befund, dass weiter Zweidrittel der befragten Menschen auf der Welt Demokratie unterstützen. Allerdings gibt es auch hier ein schlechte Nachricht.
Die meisten schätzen die demokratische Lage in ihrem Land als mangelhaft ein. Das gilt auch für Europa und die USA, wobei die Deutschen sie als mäßig einschätzen.
URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-10383032
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.niradata.com/dpi
[2] https://www.reuters.com/world/global-perceptions-us-fall-below-china-survey-says-2025-05-12/
[3] https://www.deccanherald.com/opinion/we-should-listento-the-global-south-ongaza-2948096
[4] https://www.democracynow.org/2023/10/16/raz_segal_textbook_case_of_genocide
[5] https://www.npr.org/2024/01/26/1227078791/icj-israel-genocide-gaza-palestinians-south-africa
[6] https://www.972mag.com/gazan-children-starving-israeli-siege/
Copyright © 2025 Heise Medien
Kommentar hinterlassen
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.