»Umstritten bedeutet nur, dass man nicht angepasst ist wie die woken Fönfrisuren«

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Redaktion

  1. Januar 2024

»Umstritten bedeutet nur, dass man nicht angepasst ist wie die woken Fönfrisuren«

»Umstritten« – so bezeichnen »Qualitätsmedien« heutzutage kritische Denker, die auf die Realitäts- und Sinnbrüche in Politik und Berichterstattung hinweisen. Wie fühlt sich das an, umstritten zu sein? 

Marcus Klöckner hat ein Buch herausgebracht, in dem sich die Geschichten einiger Umstrittener finden. Einer von ihnen: Patrik Baab.
Wir stellten dem Umstrittenen fünf Fragen.

Redaktion: In den Mainstream-Medien wird (oder wurde) von Ihnen als »umstritten« gesprochen. Hat sich für Sie seither beruflich und privat etwas verändert?

Baab: Die Denunziations-Kampagne der Propaganda-Medien hat uns im September 2022 im Kriegsgebiet überrascht. Ich wurde als Wahlbeobachter Putins hingestellt. Im Donbass hatten wir aber andere Sorgen. Sie richten in der Gefahrenzone die Konzentration darauf, nicht unter Beschuss zu geraten, nicht verhaftet zu werden, nicht auf eine Mine zu treten. Wenn Risiken für Leib und Leben allgegenwärtig sind, kommen Ihnen die Einlassungen irgendwelcher Sitzredakteure in Deutschland vor wie infantiles Geplapper aus der Behaglichkeitszone. Das blenden Sie aus. In drei völkerrechtswidrigen Angriffskriegen – Serbien und Kosovo 1999 bei der KFOR, in Afghanistan 2002 bei der ISAF und im Krieg in der Ukraine bei den Organisatoren im Donbass – habe ich an Pressekonferenzen und Briefings der Besatzungsbehörden teilgenommen. Dabei habe ich auch selbst das Wort ergriffen und meine Eindrücke erläutert, beispielsweise mit Blick auf die Minenlage, die Gefahren von Feuereinwirkung an bereisten Orten oder die Stimmung in der Bevölkerung. Bei der KFOR und der ISAF fand niemand daran etwas auszusetzen. Bei den Russen schon. Neu ist, dass Schreibtischbewohner in Redaktionen und Akademien, die von der Berichterstattung aus Kriegs- und Krisengebieten und den betroffenen Ländern keine Ahnung haben und sich ausrechnen können, dass sie selbst nie an der Front landen, aus der Komfortzone heraus Reportern im Kriegsgebiet in den Rücken fallen und sie damit zusätzlichen Gefahren aussetzen.

Dies zeigt, in welchem Maß im heutigen Journalismus ethische Maßstäbe missachtet werden, wie weit sich die Berichterstattung von der Realitätsprobe vor Ort hin zum postfaktischen Skandalisieren verschoben hat und wie tief die Berichterstattung der Mainstream-Medien, auch der öffentlich-rechtlichen, in das Propagandasystem der NATO verstrickt ist. Erst nach Verlassen des Kriegsgebietes habe ich realisiert, was da gerade geschieht. Personalisieren, skandalisieren, denunzieren – das sind die Verfahren, mit denen sich Kinder des gehobenen Bürgertums in Redaktionen dem Chef anbiedern, statt im Wege der Recherche den Dingen auf den Grund zu gehen. In der ganzen Welt sind die geostrategischen und wirtschaftlichen Kriegsgründe bekannt, nur in deutschen Redaktionen nicht. Beruflich und privat hat sich deshalb für mich verändert, dass ich diesen Weg der Anpassung nicht mitgehe, weiter an journalistischen Handwerksregeln – wie beide Seiten zu hören – festhalte, auf der Realitätsprobe bestehe, der Propaganda die politischen und wirtschaftlichen Fakten entgegenhalte und aus der Perspektive der Betroffenen und nicht der Machteliten berichte. Das alles findet sich in meinem Buch »Auf beiden Seiten der Front«.

Redaktion: Wann ist Ihnen aufgefallen, dass Sie erstmal »zu den Umstrittenen« im Lande gehören?

Baab: Umstritten bedeutet ja nur, dass man nicht so angepasst ist wie die woken Fönfrisuren, die heute die Redaktionen belagern. Damit hatte ich nie Probleme, ich habe eine gewisse sardonische Oppositionslust. Dies ist Grundlage eines guten Journalismus. Er muss sich heute außerhalb der Mainstream-Medien bewegen. Darauf hat die Reporter-Legende John Pilger, der kürzlich verstorben ist, deutlich hingewiesen. Die Synkrisis des deutschen Journalismus mit der Kriegspropaganda der NATO ist bestürzend, nicht nur im Blick auf die Primitivität der Tiefen-Indoktrination und ihre postfaktische Struktur, sondern mehr noch durch die blinde Unterwerfung unter ihren unduldsamen Ausschließlichkeitsanspruch. Aber dies zeigt nur das Maß an Selbstgleichschaltung, das von Talkshow-Moderatoren zu Intendanten, von Funkhausdirektoren zu Sitzredakteuren, von Auslandskorrespondenten zu Wald-und-Wiesen-Reportern reicht. Beim Verzicht auf nüchterne Recherche und vernunftgeleiteten Verstand gleichermaßen unterscheiden sie sich lediglich in der Ausformung ihrer Aggressivität von anderen akademischen »Kopflangern«. Falsifikatorischen Killerinstinkt entwickeln sie lediglich bei der Ächtung von Dissens. Dies entlarvt die Würdelosigkeit der Medienmacher.

Sowohl die öffentlich-rechtlichen Medien als auch die Konzernmedien werden so, wie Günter Grass sich einmal ausgedrückt hat, zu schreibenden »Hofnarren unter Berücksichtigung nicht vorhandener Höfe« – zu Hofnarren der NATO. Die Mainstream-Medien lügen durch Weglassen, verschieben die Aggressionen der Bevölkerung über soziale Missstände auf äußere Feinde und versetzen so die Menschen in Kriegshysterie. Sie sind zum zentralen Kriegstreiber geworden. Weiterlesen bei overton-magazin.de

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