
JAZZ 19_25
Vier Sterne Köche auf Reisen
Von Jürgen Scherer
- Mai 2025
Sie treten auf als die angesagtesten Sterneköche Europas. Ob sie das wirklich sind, sei dahingestellt. Jedenfalls haben sie angeblich bewährte Rezepte im Reisekoffer. Schließlich kochen sie für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit. Sie vertreten, zumindest geben sie das vor, die West-Ost resp.Ost-West – Hochkochliga unserer Tage und scheuen weder Kosten noch Mühen, ihrer angemaßten Berufung gerecht zu werden.
Jede/r von uns kennt sie mit Namen und bevorzugtem Gericht:
Emanuel Macron, Präsident Frankreichs, Oberkoch eines ansehnlichen europäischen Atomwaffenarsenals;
Keir Starmer, Premierminister seiner Majestät und, ganz der alten Tradition einer Seemacht entsprechend, Meeresfrüchtekochspezialist, in diesem Fall für seegestüztes Atomwaffenarsenal, sprich entsprechend dauerheiße U-Boote;
Friedrich Merz, neuester Bundeskanzler der BRD, Möchtegernkochazubi für heiße Kerne mit Ambitionen auf die in Bälde mit allergrößten Gulaschkanonen zu versehende größte und schlagkräftigste Armee im europäischen Verbund;
Donald Tusk, Ministerpräsident Polens, Miraculixadept mit einem Kochbudget, das am ehesten den Vorstellungen seines Hochkochnamensvetters in den USA entspricht, nämlich 4,5 % des Gesamtkochbudgets seines Landes
Zu welchem Behufe sich diese „VierSterneKöche“ (der USdonald würde vielleicht sagen ‚tough guys‘) kürzlich getroffen haben, hat sicherlich noch jede/r von uns in Erinnerung:
Mit der Bahn zu Wladimir, nein nicht zu Putin, zu Selenskij. Blitzbesuch, um dem lieben Wladimir mal wieder zu versichern, dass Europa von der West – bis zur Ostkochfront hinter ihm stehe; da könne sich der russische Wladimir auf den Schnellkochtopf stellen soviel er wolle.
Selenskij fühlte sich mal wieder gebauchpinselt, ob solcher Solidaritätsbekundungen und versprach, dass er, gemeinsam mit seinem Küchenpersonal, weiterhin für die Friedens- und Freiheitskocherei alles zu geben bereit sei, inkl. des Lebens seines Küchenpersonals (auch wenn er vermutlich weiß, dass er im Auftrag des Westens einen Stellvertreterschlacht führt, um dem kapitalistischen Staat Russland zu zeigen, wo die kapitalistischen Staaten des Westens die Grenzen für kapitalistische Eroberungen gewahrt wissen wollten – außer ihren eigenen, notabene).
Es geht nämlich, wie schon oft in der Geschichte, um Einflussgebiete und Interessensphären. Die Ukraine war schon immer von West bis Ost begehrt: Sei es als „Kornkammer Europas“, sei es neuerdings auch noch als Hort „seltener Erden“. Oder als weiterer Vorposten der NATO im Ringen um vorsorgliche küchentechnische Überlegenheit, dh zum „Schutz von Macht und Einfluss“ im Rahmen der Weltküche und ihrer bevorzugten Rezepte.
Es geht um die alte Frage: Wer ist Koch und wer ist Kellner? Dabei könnte es doch endlich auch mal heißen: Wie schön, dass es so viele Köche gibt. Lassen wir sie ihre unterschiedlichen Mahlzeiten zubereiten und dann schaun mer mal. Aber da die Inhaber der Küchen leider immer wieder darauf aus sind, möglichst viel Gewinn zu machen, und zwar auf Kosten des jeweils anderen, artet das Wettbewerbsgebaren immer mal wieder in Messerstechereien aus, die ganz oft desaströse Ergebnisse zeitigen, wie zu archaischen Zeiten sogar Menschenopfer mit sich bringen. Damit diese Menschenopfer vom Küchenpersonal gebilligt werden, benötigt es ein dafür einsehbares Ziel. Dieses heißt in unseren Zeiten im wohlbekannten Denglisch: Award; der derzeit gängige Begriff für die eigentlichen alten Begriffe „Auszeichnung und Ehre“. Und was wäre schöner, als dafür alles zu geben – bis aufs Messer oder das Hackebeil, auf englisch auch Tomahawk genannt.
Wichtig bei all dieser Kocherei bleibt, dass das Personal nicht zu genau weiß, um welches Gericht es eigentlich geht. Denn es soll mit Herzblut beim Küchenkampf mitmachen, auch wenn abgeschnittene Gliedmaßen oder gar Köpfe die Folge sind.
Die Einflüsterer können aufgrund dieses bewährten Vorgehens den Erfolg ihrer Bemühungen gelassen registrieren und den Gewinn daraus mit zynischer Verachtung für „das dumme Küchenpersonal“ einsäckeln.
Es sei denn, die Küchenbediensteten erkennen endlich, dass sie die eigentlichen Köche sind, die für die Zutaten für schmackhafte Mahlzeiten zuständig sind.
Das Herumrühren in irgendwelchen undurchsichtig zustande gekommenen Soẞen mit ungeeigneten Küchengeräten führt nämlich, wenn man namhaften Küchenhistorikern glauben darf, meist eher zu Vergiftungserscheinungen mit unübersehbaren Kollateralschäden.
So zeigt sich also, dass wir vorgeblichen Sterneköchen auch im Küchenbereich nicht trauen dürfen. Es bedarf schon eines hohen Maßes an wirklicher Kochkunst, wenn die Zutaten für ein völkerübergreifendes Festmahl, ein Friedensmahl sozusagen, stimmig sein sollen.
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