Will Europa sich für die Ukraine opfern? Von Thomas Röper

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Nach Trumps Wahlsieg

Will Europa sich für die Ukraine opfern?

Die Meldungen der letzten Woche deuten an, dass die EU Kiew nach Trumps Amtsantritt notfalls alleine weiter unterstützen will. Und die ganz neuen Meldungen lassen sogar ein noch schlimmeres Szenario möglich erscheinen: Einen heißen Krieg in Europa.
 

Thomas Röper

Der wöchentliche Nachrichtenrückblick des russischen Fernsehens erschien am Sonntag nur wenige Stunden, bevor gemeldet wurde, dass US-Präsident Biden erlaubt hat, mit amerikanischen Raketen tief nach Russland zu feuern.

Ohne diese Meldung ist der Beitrag des russischen Deutschland-Korrespondenten natürlich ein wenig veraltet, aber andererseits ist sein Beitrag dadurch umso interessanter, denn er zeigt, wie absehbar diese Entwicklung auch in Europa war. Daher habe ich seinen Beitrag wie jede Woche übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Europa gewöhnt sich an die neue Realität

Die Analyse der Geschehnisse in den USA hat Europa in mittlere Alarmstufe versetzt – noch nicht in Panik, aber auch nicht mehr in Sorge. Der eigentliche Grund, der die linksliberalen Eliten nervös macht, ist die konservative Wende, die Europa unter Trump schneller vollziehen könnte.

„Das Ergebnis der amerikanischen Präsidentschaftswahlen hat eine neue Realität geschaffen. Die Zukunft liegt bei souveränen, unabhängigen, stolzen und erfolgshungrigen Nationen. Das ist die neue Realität. In Europa müssen alle ihr Schicksal und ihre Politik darauf ausrichten“, sagte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban.

Bislang sind in Europa jedoch eher diejenigen in der Mehrzahl, die sich nicht an die neue Realität anpassen wollen. Oder besser gesagt, sie können es nicht, weil sie selbst Teil des Problems sind, mit dem der Kontinent konfrontiert ist.

Am 19. November werden die Außenminister Polens, Frankreichs, Deutschlands, Großbritanniens und Italiens in Warschau unter Beteiligung Kiews die Frage erörtern, ob dem Land die Erlaubnis erteilt werden soll, mit westlichen Langstreckenwaffen tief in russisches Territorium zu feuern oder nicht. Die Anstifter sind eindeutig Paris und London, die die Ukraine bereits mit Marschflugkörpern beliefern und davon träumen, die Republikaner über die roten Linien zu ziehen, wohin die Demokraten noch nie einen Fuß gesetzt haben, während sie sich gleichzeitig die Möglichkeit vorbehalten, einer direkten Antwort auf die Frage auszuweichen: Was tun, wenn es nicht klappt?

„Wenn die Trump-Administration unseren tapferen ukrainischen Verbündeten die Unterstützung entzieht, werden dann Großbritannien und Europa einspringen, um die Lücke zu füllen? Werden sie die eingefrorenen russischen Vermögenswerte beschlagnahmen? Nicht nur die Zinsen, sondern auch die dahinter stehenden Vermögenswerte?“, fragte Ed Davey, Chef der britischen Liberaldemokraten, den britischen Premierminister im Parlament.

„Er weiß, dass wir die Ukraine im Angesicht der russischen Aggression nachdrücklich und entschieden unterstützen. Und wie er weiß, habe ich in den letzten Wochen mit anderen Staats- und Regierungschefs erörtert, wie man die Ukraine derzeit in die bestmögliche und stärkste Position bringen kann“, antwortete der britische Premierminister Keir Starmer.

Der Londoner Telegraph schreibt, dass Präsident Macron und Premierminister Starmer darauf zählen, dass Biden die Kontinuität in der Außenpolitik durch die Ermächtigung zum Angriff auf russisches Territorium sicherstellt, die dann nur schwer widerrufen werden kann. Aber die Bereitschaft des scheidenden Präsidenten, seinem Nachfolger ein unlösbares Problem zu bereiten, ist vielleicht nicht so groß, wie Europa erwartet, schließlich hat Trump, der den Obersten Gerichtshof kontrolliert, Biden versprochen, seinen nichtsnutzigen Sohn Hunter zu begnadigen, und wenn der eine zu weit geht, könnte der andere seine Meinung ändern. Der Telegraph bezeichnet Macrons und Starmers Vorgehen daher als „letzten verzweifelten Versuch, Trump davon abzuhalten, die Unterstützung für die Ukraine zu kürzen“. Allerdings geben sie selbst nicht zu, dass dieser Versuch der letzte ist.

„Eine starke Ukraine bedeutet, dass ihre Unterstützung eine absolute Priorität bleibt. Frankreich wird sich dafür einsetzen, dass die NATO und ihre Verbündeten die ukrainische Armee so lange wie nötig unterstützen“, sagte der französische Präsident Emmanuel Macron.

Der französische Präsident sagt mehr, als er tut. Aber etwas tut er: Frankreich kündigte diese Woche an, dass es in Kürze sechs Mirage-Kampfjets in die Ukraine verlegen und die Ausbildung der sogenannten Brigade „Anna von Kiew“ abschließen wird, die in mittelalterlichen Chroniken nur als „Anna von Russland“ bekannt ist. Die Brigade wird mit französischer Ausrüstung ausgestattet und verfügt über 2.300 Soldaten. Zuvor wurde berichtet, dass die Stärke der Brigade bei etwa 4.000 Mann liegen würde, aber es scheint, dass die Situation mit den Reserven an der Front so schlecht ist, dass sie vorher angefangen haben, sie auf kritische Gebiete zu verteilen. Gleichzeitig wird in den westlichen Medien immer häufiger behauptet, das Hauptproblem der Ukraine sei der Mangel an Infanterie und nicht an Ausrüstung. Und genau die will die NATO ihr nicht geben.

Sogar der polnische Verteidigungsminister nicht, der sagte: „Die Ukraine und Präsident Selensky haben ein kurzes Gedächtnis. Polen hat alles getan und wird auch weiterhin alles tun, was möglich ist. Selensky fordert, dass wir hier gemeinsam mit ihnen kämpfen. Es geht nicht nur um Polen, er sagt das in einem weiteren Sinne. Aber das ist seine Rolle, und wir haben Grenzen, die wir nicht überschreiten.“

Man kann die Rolle des Kanonenfutters nicht ewig spielen, und dem Westen bleiben zwei Möglichkeiten: entweder zu zahlen und weiter auf einen Frieden zu Russlands Bedingungen zu warten oder eigene Kräfte einzusetzen. Für Europa ist das doppelt unklug in einer Situation, in der die Auswahl des Teams darauf hindeutet, dass sich Washingtons außenpolitische Prioritäten unter Trump in Richtung Naher Osten und Asien verschieben werden, also weniger Ukraine, dafür mehr Israel, Iran und China. Die Frage ist vor allem, um wie viel.

„Wenn man bedenkt, wie viel die USA bereits in die Unterstützung der Ukraine investiert haben, welche gigantischen Mittel den Verteidigern der Ukraine zur Verfügung gestellt wurden, kann ich mir nicht vorstellen, dass Präsident Donald Trump es Russland erlauben wird, die Ukraine zu zerstören“, sagte der polnische Präsident Andrzej Duda.

Die Absicht, die Ukraine zu zerstören, die Duda Russland unterstellt, scheint es bisher nicht gegeben zu haben, und auch die These von den in den Krieg investierten Mitteln ist schwach: Die USA haben Billionen für Afghanistan ausgegeben, was sie nicht daran gehindert hat, das Land den Taliban zu überlassen. Es ist also nicht eine Frage des Geldes, sondern der Zielsetzung.

Die Demokraten, vertreten durch Außenminister Blinken, sagen, dass die USA alles erfüllen werden, was sie versprochen haben, es sind noch etwa acht Milliarden Dollar übrig, aber zum Abschied raten sie den Verbündeten, sich auf das Schlimmste vorzubereiten, wie Blinken sagte: „Wir haben 50 Länder, die die Ukraine unterstützen, und ich bin nach den heutigen Gesprächen und den Gesprächen, die wir fast jeden Tag führen, davon überzeugt, dass diese Unterstützung weitergehen wird. Und nicht nur das. Ich erwarte, dass sie zunehmen wird.“

Ein diplomatisches Meisterstück: Wie lässt man Verbündete wissen, dass in der Ukraine bald alles auf ihre Kosten geht, und dass man dabei erwartet, dass sie ihre Unterstützung erhöhen.

Wenn es tatsächlich zu einer Änderung der Geberliste des Kiewer Regimes kommt, wird Deutschland, das derzeit an zweiter Stelle steht, auf den ersten Platz rücken müssen, der bisher von den USA besetzt ist. Aber Scholz will nicht, denn in Deutschland herrscht eine politische Krise, Wahlen stehen an, und er hat kein Geld übrig, aber er hat ein Telefon und die Nummer des Kremls. Dem Foto nach zu urteilen, das der Kanzler in sozialen Medien veröffentlicht hat, waren Scholz‘ Sprecher Hebestreit und sein Sicherheitsberater Jens Plöttner anwesend, als er mit dem russischen Präsidenten sprach.

„Ich habe mit Präsident Putin telefoniert und ihn aufgefordert, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden und seine Truppen abzuziehen. Russland muss seine Bereitschaft zeigen, mit der Ukraine zu verhandeln, um einen gerechten und dauerhaften Frieden zu erreichen“, berichtete Scholz.

Inhaltlich nichts Neues, es ist die gleiche Forderung nach Kapitulation. Neu ist allein die Tatsache des Gesprächs selbst, denn Scholz durchbricht das Fenster der Kommunikation, das er selbst geschlossen hat. Die Medien schreiben, dass der Anruf in Moskau mit den Verbündeten bereits am 18. Oktober vereinbart wurde, als Biden, Starmer und Macron in Berlin waren, und es ist nicht ausgeschlossen, dass der Anruf als Handlungsoption für den Fall eines Sieges von Trump erwogen wurde.

Vielleicht ist das nur Spekulation, aber immerhin hat Europa Angst, dass die USA hinter seinem Rücken etwas mit Russland vereinbaren könnten, und hat telefonisch eine erste Anmeldung zur Teilnahme abgegeben. Nun, nur das Leben wird den Ton der Ultimaten korrigieren, wenn die Zeit reicht.

Am Mittwoch ging Scholz zum ersten Mal seit dem Ausscheiden der Freien Demokraten aus seiner Koalition in den Bundestag, wo er keine Mehrheit mehr hat. Dort sagte er: „Ich bin sehr stolz darauf, dass Deutschland ein Land ist, das gut mit seinem Geld umgeht.“ Darauf erntete Scholz im Bundestag lautes Lachen, aber er wiederholte: „Ich bin stolz darauf, dass Deutschland ein Land ist, das gut mit seinem Geld gut umgeht, mit einer Staatsverschuldung von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, während unsere Partner über 100 Prozent haben.“

Das bedeutet, dass Deutschland noch einen langen Weg vor sich hat, um wie Frankreich zu werden. Man kann und muss dringend Kredite aufnehmen, um Haushaltslöcher zu schließen, aber man muss auch sparen. Die Hilfen für Kinder und Alte, Wissenschaft, Kultur und Verkehr sollen unter die Räder kommen.

In Düsseldorf demonstrierten diese Woche 35.000 Menschen gegen die Kürzungen im Sozialbereich. Auch in Berlin wird es wohl nicht ohne Proteste ablaufen, denn der Hauptstadt fehlen für das nächste Jahr drei Milliarden Euro. Es wird gekürzt und Preise werden angehoben, doch selbst in dieser Situation finden die Grünen Gründe für erstaunliche Initiativen. Um die Zahl der Sexualdelikte in den öffentlichen Verkehrsmitteln – 391 Vorfälle in einem Jahr – zu verringern, haben sie die Idee der Geschlechtertrennung entwickelt: Frauen sollen in der U-Bahn und den Zügen in separaten Waggons fahren können. Und dann sprechen sie von Sparmaßnahmen.

Alice Weidel, Co-Vorsitzende der AfD, kommentierte das im Bundestag so: „Was diese Regierung diesem Land und seinen Bürgern angetan hat, ist beispiellos, diese Regierung hat Wohlstand zerstört und dem Land geschadet wie keine andere zuvor. Ihre grüne Transformationspolitik bringt Deutschland auf den Weg der Deindustrialisierung, vertreibt Unternehmen aus dem Land und legt den Mittelstand in Schutt und Asche. Hunderttausende von Arbeitsplätzen sind durch Ihre Politik bereits verloren gegangen, die Zahl der Insolvenzen hat den Höchststand der letzten 20 Jahre erreicht.“

Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen von der Bewegung Sarah Wagenknecht ergänzte: „Wir, die Union Sarah Wagenknecht, lehnen den Sanktionskrieg gegen Russland ab. Außenministerin Baerbock hat immer wieder gesagt, man müsse Russland durch Sanktionen vernichten. Wir sind der Meinung, dass die ständige Ausweitung der Sanktionen nur die Vernichtung der Industrie in Deutschland beschleunigen wird. Das ist unverantwortlich. Genauso wie die Tatsache, dass Sie auf Kosten unseres Landes zahlreiche Milliarden Euro für Waffenlieferungen und Militärhilfe an die Ukraine ausgegeben haben.“

Ohne die AfD und die Union von Sarah Wagenknecht gäbe es niemanden, der der Regierung die ganze Wahrheit über die fatale deutsche Waffen- und Sanktionspolitik sagen könnte, denn alle anderen Mitte-Rechts- und Mitte-Links-Parteien sind damit beschäftigt, darüber zu streiten, woher das Geld für die Unterstützung der Ukraine kommen soll oder wie man den Geldmangel ausgleichen kann. Wie beispielsweise die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, die sagte: „Wir müssen uns auch für die Lieferung von Langstreckenwaffensystemen einsetzen. Und das nicht nur, weil wir Langstreckenwaffen toll finden, sondern um die massiven Angriffe, die jeden Tag vor unserer Haustür stattfinden, zu verhindern.“

Und was ist, wenn sie nicht vor der Tür, sondern schon dahinter kommen? Außenministerin Baerbock macht sich darüber keine Sorgen. Und sie ist mit den Grünen nicht allein. Auch die Christdemokraten und andere Demokraten sind bereit, das Risiko einzugehen, auch wenn es kein Geheimnis mehr ist, dass die deutschen Taurus Ziele nur mit direkter Beteiligung deutscher Spezialisten treffen können. In der Regierung hat sich nur der Kanzler, der in seiner eigenen sozialdemokratischen Partei selbst regelmäßig in der Kritik steht, bisher gegen die Herausgabe der Langstreckenwaffen gewehrt. Und das ist noch so eine kluge Entscheidung, wie der Anruf bei Putin. Aber wenn Kiew Taurus hätte, würde wahrscheinlich jemand anderes den Anruf tätigen, und es wäre schwieriger, sich auf Trump zu verlassen, wenn etwas passiert, obwohl Scholz das natürlich wahrscheinlich nicht mehr muss. Das ist ein Problem für den nächsten Kanzler.

Der Vorsitzende der CDU Deutschlands und wohl nächste Kanzler Friedrich Merz sagte im Bundestag: „Donald Trump kennt Ihren Namen nur vom G20-Gipfel in Hamburg, den Sie so großartig organisiert haben. Nur von dort kennt er Ihren Namen, und glauben Sie nicht, dass Sie im Weißen Haus bei dem neuen amerikanischen Präsidenten Autorität haben. Trump wird Sie nicht ernst nehmen, weil Sie zu den Leichtgewichten gehören.“

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz ist ehemaliger Manager des Investmentfonds BlackRock und aktuell Befürworter von Ultimaten an Russland. Er bereitet sich bereits auf den Wechsel ins Bundeskanzleramt vor, obwohl er den Übergang zu den wirklichen politischen Schwergewichten noch vor sich hat. Und in der jetzigen Situation ist selbst das Amt des Bundeskanzlers keine Garantie für diesen Status, was Merz, nach seiner abfälligen Bemerkung über Scholz zu urteilen, auch erkannt hat.

Der Spiegel schreibt: „Die neue Regierung wird, unabhängig von der Zusammensetzung der Koalition, vor historischen Problemen stehen. Und zu Lösung jedes Problems wird es viel Geld brauchen. Die neue Regierung wird das Land aus einer tiefen Schwächephase herausführen müssen. Das Scheitern der nächsten Regierung wird jedoch nicht mehr das Scheitern einer Regierung sein. Das Funktionieren des Staates wird in Frage gestellt und das Vertrauen in die Demokratie wird grundlegend beschädigt.“

Aber darüber werden sich Merz und seine Partei sich später Gedanken machen, denn jetzt geht es um die Wahl, die sieben Monate früher als geplant stattfindet. In Absprache mit der Opposition wird Scholz dem Parlament am 11. Dezember die Vertrauensfrage stellen, am 16. Dezember erhält er dann sein Misstrauensvotum, so dass die Wahlen am 23. Februar nächsten Jahres stattfinden werden, wonach Merz versuchen wird, eine neue Regierung zu bilden – höchstwahrscheinlich mit den Sozialdemokraten. Nur ohne Scholz.

Man kann jetzt schon sagen, dass es bis zur Bundestagswahl noch 14 Wochen sind. Und da nach dem Misstrauensvotum nur noch 10 Wochen verbleiben, verspricht das einen sehr intensiven Wahlkampf. Das Interessanteste und vielleicht Unerwartetste wird jedoch beginnen, nachdem Trump ins Weiße Haus einzieht und mehr oder weniger deutlich wird, was er wirklich von Deutschland und Europa will.

Ende der Übersetzung

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