Brief an den Präsidenten des Zentralrats Schuster von Annette Groth

Dank an Annette Groth für diesen „sitzenden“ Brief an den Präsidenten der Zentralrats der Juden Schuster. Hoffentlich wird der Zentralrat von einem Berg von kritischen Briefen überrollt. Nachahmung empfohlen! EHG

 

Leo-Baeck-Haus, Postfach 04 02 07, 10061 Berlin, info@zentralratderjuden.de

Guten Tag Herr Schuster,                                                                 18.4. 2025

als ehemalige UNHCR-Mitarbeiterin finde ich es empörend, dass Sie öffentlich an die Bundesregierung appellieren, ihre finanzielle Unterstützung für UNRWA einzustellen. Sie wissen sehr wohl, dass UNRWA 13 000 MitarbeiterInnen hat, die aufopferungsvolle Arbeit leisten, auch in den palästinensischen Flüchtlingslagern im Libanon und in Jordanien. Ohne UNRWA gäbe es dort keine Schulen, keine medizinischen Einrichtungen und viele andere lebensnotwendigen Dienstleistungen. Davon konnte ich mich vor einigen Jahren als Berichterstatterin des Europarats für syrische und palästinensische Flüchtlinge im Libanon und Jordanien überzeugen.

Und wie wichtig UNRWAs Arbeit in Palästina und in Gaza ist, brauche ich Ihnen auch nicht erzählen. Wenn UNRWA die Finanzmittel aus Deutschland entzogen würden, hätte das gravierende negative Auswirkungen auf die Menschen in diesen Ländern. Wollen Sie mitschuldig an dem Tod von Kindern, Frauen und Männern sein, die dringend benötigte medizinische Behandlung nicht erhalten, weil aus finanziellen Gründen kein Personal da ist? Hassen Sie die Palästinenser so sehr, dass Sie ihnen keine Hilfe geben wollen?

Ihr Argument, dass UNRWA mit Hamas-Leuten durchsetzt ist, ist lächerlich und entbehrt jeglicher Grundlage. Auch das werden Sie wissen, denn die Untersuchungen der UNRWA und anderer UN-Organisationen über mögliche UNRWA-Mitarbeiter, die an dem Überfall vom 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen sein sollen, haben gezeigt, dass es wohl acht Beschuldigte gab, die sofort entlassen wurden.

Ich glaube, dass es Ihnen wie der israelischen Regierung darum geht, die Palästinenser für den Überfall zu bestrafen. Wenn das nicht der Fall sein sollte, müssten Sie laut den Völkermord in Gaza verurteilen und die deutsche Regierung zur sofortigen Beendigung ihrer Waffenlieferungen auffordern. Das wäre im Sinn eines humanistischen Verständnisses des Judentums, wie es mir etliche jüdische Freunde und Freundinnen erklären.

Ich bin sehr froh darüber, dass es inzwischen viele jüdische Wissenschaftler und Intellektuelle gibt, die den Völkermord verurteilen und die Menschenrechte für Palästinenser einfordern.

Ohne die Einhaltung des Völkerrechts und der verschiedenen Konventionen, in denen u.a. die Regeln zum Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegen verankert sind, verenden wir in der Barbarei. Die Anzeichen dafür sind unübersehbar.

Ich bin auch froh über den Brief der vier ehemaligen Botschafter in Israel, die ihre Sorge über die Verbrechen in Gaza äußern: „Der Blick auf Gaza ist verstörend. Das Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 mit fast 1200 Toten und 250 verschleppten Geiseln traumatisiert Israel bis heute und hat uns alle erschüttert. Die israelische Reaktion brachte Zehntausenden Menschen den Tod, infiziert ganze Generationen mit Hass und fügt Israels Sicherheitsinteressen massiven Schaden zu. Diese Situation und die deutsche Positionierung hierzu besorgen nicht nur uns, die Autoren, sondern, wie wir aus zahlreichen Gesprächen wissen, auch viele Beamte in der Bundesregierung.

Israel muss sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit gefallen lassen. Die aktuelle Bilanz: über 50.000 dokumentierte Tote, davon 18.000 Kinder, Zehntausende Verwundete und für immer Verstümmelte, die Zerstörung von 20 Krankenhäusern und Geburtskliniken, die Blockade von Nahrungs- und Medikamententransporten, Amputationen bei Kindern und Kaiserschnitte ohne Narkose, über 1000 getötete Rettungskräfte und über 200 getötete Journalisten. Kirchen, Moscheen, Museen und 90 Prozent aller Schulen und Hochschulen zerstört mit verheerenden Auswirkungen auf die kulturelle Identität Gazas.“

Wie lange soll dieses Morden noch anhalten?

Es wäre sehr wünschenswert, dass Sie Ihre Autorität für Diplomatie und Frieden einsetzen, statt ein Verbot der Unterstützung für UNRWA zu fordern.

Mit friedlichen Grüßen und in Erwartung einer Antwort verbleibe ich

Annette Groth

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