Ein sanftmütiger Revolutionär Von Rainer Werning

Großen Dank für die Genehmigung seinen neuen, in der Jungen Welt erschienen Artikel auf der Hochblauen Seite zu übernehmen. Außerdem möchte ich auf sein neues Buch „Von Marcos zu Marcos“, Promedia Verlag hinweisen, dass ich mir sofort bestellen werden. Evelyn Hecht-Galinski
 
Aus: Ausgabe vom 14.06.2025, Seite 6 / Ausland
Philippinen

Ein sanftmütiger Revolutionär

Luis G. Jalandoni, langjähriger Chefrepräsentant des philippinischen Untergrundbündnisses NDFP, starb mit 90 Jahren im niederländischen Exil
Von Rainer Werning
 
Trotz Repressionen: Jalandoni (r.) und seine Frau Conni verlernten das Lachen nicht

Luis G. Jalandoni lebte seit annähernd 50 Jahren im Exil im niederländischen Utrecht. Er war internationaler Chefrepräsentant des revolutionären Bündnisses der Nationalen Demokratischen Front der Philippinen (NDFP) und bis zum Herbst 2016 langjähriger Delegationsleiter der NDFP bei den Friedensverhandlungen mit Vertretern der Republik der Philippinen. In den Morgenstunden des 7. Juni verstarb er im Kreise seiner engsten Familie und langjährigen Genossen. Mit ihm starb ein Grandseigneur der revolutionären Bewegung auf den Inseln. Unter anderen politischen Umständen auf den Philippinen hätte dieser stets sanft lächelnde und weltgewandte Mann allemal das Zeug dazu gehabt, dem Land als Außenminister zu dienen.

Ka Louie (Genosse Luis), wie er liebevoll von seinen engsten Freunden angeredet wurde, begann sein erfülltes Leben mit einem Klassenverrat. Aufgewachsen in einem ebenso behüteten wie wohlhabenden Elternhaus mit Großgrundbesitz auf der zentralphilippinischen Insel Negros, erlebte er von Kindesbeinen an den klaffenden Widerspruch zwischen wenigen reichen Zuckerbaronen und der Masse verarmter Tagelöhner, die als Saisonarbeiter (Sacadas) ein erbärmliches Leben fristeten.

Im Alter von 20 Jahren trat Ka Louie in ein Priesterseminar ein und studierte dort drei Jahre lang Philosophie und vier Jahre Theologie. Als frisch gekürter Leiter der Sozialarbeit in der Diözese Bacolod erlebte der sensible Jungpriester eine Politisierung im Zeitraffer. Stets war er mit den Nöten von Tagelöhnern, verarmten Pächtern und Kleinbauern konfrontiert. Sein Engagement für deren Belange – der Kampf um gewerkschaftliche Organisierung und Lohnerhöhungen – führte zwangsläufig zu Auseinandersetzungen mit den Großgrundbesitzern und ihren Schlägertrupps.

 

Als Student lernte Jalandoni die Schrift »Philippinische Gesellschaft und Revolution« von José Maria Sison alias Amado Guerrero kennen, dem Gründungsvorsitzenden der Kommunistischen Partei der Philippinen. Die intensive Lektüre dieser Schrift nährte in dem Theologen die Erkenntnis, dass unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen der bewaffnete Kampf unterstützenswert sei. Fortan schloss er sich dem politischen Untergrund an, übernahm bei der Gründung der »Christen für Nationale Befreiung« im Jahre 1972 eine Führungsposition und beteiligte sich aktiv an der Planung und Durchführung politischer Protestmärsche und Streiks.

Kein Wunder, dass Ka Louie und seine spätere Frau Coni Ledesma zur Zielscheibe staatlicher Repression wurden. Beide verbrachten 1974 mehrere Monate in Haft, bis die intensive Unterstützung progressiver Kirchenleute ihre Freilassung bewirkte. Bis Ende des Jahres 1976 war es beiden geglückt, sich in die Niederlande abzusetzen und dort politisches Asyl zu erhalten. Ka Louie avancierte zum leitenden internationalen Vertreter der NDFP in Utrecht und war von 1994 bis 2016 Vorsitzender und Delegationsleiter des NDFP-Verhandlungsteams bei den Friedensgesprächen mit der philippinischen Regierung.

Dass Ka Louie in der Endphase des blutrünstigen Duterte-Regimes (2016–2022) als »Terrorist« eingestuft wurde, sagt mehr über die Verfasstheit der politischen Staatsführung in Manila mitsamt ihren kläffenden Pinschern aus als über eine Persönlichkeit, die sich stets in aufrechtem Gang für die Interessen der Massen einsetzte. Sein Vermächtnis wird noch lange nachhallen, wenn die »traditionellen Politiker« (Trapos) und ihre Claqueure auf den Inseln längst vergessen sind.

 
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Von Marcos zu Marcos

ISBN: 978-3-85371-550-5. Kategorie: .Schwieger, Jörg / Werning, Rainer (Hg.): Von Marcos zu Marcos.
Die Philippinen seit 1965

Promedia 2025. ca. 224 S. 14,8 x 21.

Print: € 24,00. ISBN: 978-3-85371-550-5.
E-Book: € 19,99. ISBN: 978-3-85371-932-9.

 

Mit Beiträgen von Antonio Ablon, Astrud Beringer, Rufa Cagoco-Guiam, Eric Gutierrez, Herbert Docena, Mary Lou U. Hardillo, Mary Montemayor, Mirjam Overhoff, Michael Reckordt, Epifanio San Juan Jr., Rainer Werning, Marina Wetzlmaier u.a.

Über 30 namhafte philippinische und deutschsprachige Autor:innen untersuchen die gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Entwicklung des Landes im Kontext zunehmend eingeschränkter Handlungsräume. Eine eigene Betrachtung widmet sich der geostrategischen Lage der Philippinen in der asiatisch-pazifischen Region.

Seit 2022 sind die Philippinen durch Präsident Ferdinand Marcos Jr. nach fast vier Jahrzehnten wieder fest im Griff einer der mächtigsten Familiendynastien des Landes. Für sie begann 1965 mit der Präsidentschaft von Ferdinand Marcos Sr. eine historisch beispiellose Ära. Keine andere Familie hat eine solch dominante Stellung erreicht.

Durch die Verhängung des Kriegsrechts 1972 entledigte sich Marcos Sr. aller politischen Widersacher und begründete seine Herrschaft als „konstitutionellen Autoritarismus“. Mit der Ermordung des bekanntesten Oppositionspolitikers Benigno S. Aquino im Jahr 1983 gewann eine kombinierte innen- und wirtschaftspolitische Krise an Dynamik. Diese führte 1986 zum (vorläufigen) Ende der Marcos-Herrschaft.

Der daraufhin erwartete gesellschaftliche Aufbruch weckte unter Millionen Filipinos, von denen viele im Ausland leben, Hoffnungen auf Freiheit und ein besseres Leben. Doch kehrte die einstige Herrscherfamilie wieder an die Macht zurück. Zum 60. Jahrestag der Marcos-Herrschaft ziehen die Buchbeiträge eine Bilanz.

Die Herausgeber

Rainer Werning, geboren 1949 in Münster, ist Politikwissenschaftler und Publizist mit den Schwerpunkten Südost- und Ostasien. Seit 1970 mehrfache und längere Studienaufenthalte in den Philippinen. Im Promedia Verlag ist von ihm (zusammen mit Du-Yul Song) erschienen: „Korea. Von der Kolonie zum geteilten Land“.

Jörg Schwieger, geboren 1953 in Hannover, ist evangelischer Theologe und Germanist. Er war von 1982 bis 1986 Geschäftsführer der „Aktionsgruppe Philippinen“ und von 1987 bis 1991 Geschäftsführer des philippinenbüro e.V. sowie langjähriger Mitarbeiter im kirchlichen Entwicklungsdienst in unterschiedlichen (Leitungs)- Funktionen.

24,00  / 19,99 

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