Eine bemerkenswerte Liaison Moshe Zuckermann

Dank an Moshe Zuckermann nicht nur für die Genehmigung seinen heutigen auf Overton- Magazin erschienen Artikel auf der Hochblauen Seite zu übernehmen, sondern das er sich aktuell mit Juden und Israel und ihrer verhängnisvollen Beziehung zur AfD  beschäftigt. Wie erschreckend  ähnlich sie sich  doch sind und sich ihre Strategien gleichen. Das Phänomen der Beziehung von Zionismus und Faschismus ist leider nicht neu. Evelyn Hecht-Galinski

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Eine bemerkenswerte Liaison


Bild: AfD

Was hat Israel mit der AfD zu schaffen? Einiges, wie sich herausstellt.

Dass der Faschismus in Israel inzwischen als enttabuisiert gelten darf, ist so offenkundig wie auch erklärbar: Von einem Regime, das selbst den Faschismus praktiziert, kann man nicht erwarten, dass es den Faschismus verurteilt oder ihm gar entgegenwirkt. Auch Nichtfaschisten verstehen dabei, was gespielt wird: Man weiß, dass es sich nicht schickt, sich offen zum Faschismus zu bekennen, flirtet mit ihm aber bzw. zeigt sich ihm gegenüber verständnisvoll, wenn er sich gegen “die Araber” bzw. gegen “die Palästinenser” richtet.

Wie sich im Gazakrieg gezeigt hat, war die Unterstützung für das barbarische Vorgehen der IDF übergreifend, auch “Liberale” fügten sich unverhohlen in den nationalen Konsens des offenen Araberhasses ein. Natürlich hatte das vor allem mit der Katastrophe des 7. Oktobers zu tun, aber man konnte sich sehr bald nicht mehr des Eindrucks erwehren, dass das Desaster willig zum Anlass genommen wurde, die liberale Maske, die über viele Jahre eben nur Maske gewesen war, endlich ablegen zu dürfen.

Das ist freilich nicht ganz neu: Seit bald 60 Jahren unterhält Israel ein höchst repressives Okkupationsregime, das längst schon zum integralen Bestandteil der politischen Kultur des Landes, mithin des zionistischen Selbstverständnisses geronnen ist. Von den nationalreligiösen Siedlern und anderen Anhängern der Großisrael-Ideologie ganz zu schweigen. Es gibt zwar nicht wenige Menschen im Land, die sich gegen die Okkupation äußern, aber seit längerem nicht mehr öffentlich und jedenfalls nicht in einem Maß, das ihrer vorgeblichen Gesinnung Wirkung zu verleihen vermöchte. Von Politikern, die heute noch die Zweistaatenlösung propagieren und die Besatzung dabei für ein gravierendes Hindernis erachten, kann ohnehin keine Rede sein. Auch als Nichtfaschisten beteiligen sie sich blutentleert am objektiv praktizierten Faschismus.

Gleichsetzung von Faschismus und Demokratie

Als sich die israelische Justizministerin Ayelet Shaked im Jahr 2019 in einem Wahlspot mit einem Flakon, auf dem “Faschismus” stand, parfümierte und keck dazu hauchte: “Für mich riecht es nach Demokratie”, handelte es sich zwar um ein Wahlkampf-Gimmick, das gleichwohl einen Wahrheitskern enthielt, den man allzu leicht zu übersehen geneigt war: Die Gleichsetzung von Faschismus und Demokratie war Programm. Der hetzerische Populismus hat immer schon zu suggerieren versucht, dass Volkes Stimme sich nicht in den Wahlergebnissen der formalen Demokratie repräsentiert finde; vielmehr werde die wahre Demokratie, mithin die authentische Stimme “des Volkes”, durch einen konspirativen “deep state” unterwandert; daher das immer wieder angefachte Ressentiment gegen “die da oben”, das dem deutschen Stammtischgedröhn allzu vertraut ist. In den USA gerann “Washington” zum populistisch eingesetzten Reizwort, das sich zum Fanal des Sturmes auf das Kapitol am 6. Januar 2021 steigerte.

Heinrich Heine sprach 1844 noch vom greinenden Volk als dem “großen Lümmel”, den man mit dem “alten Entsagungslied” (“das Eiapopeia vom Himmel”) einlulle. Der Populismus des 21. Jahrhunderts bedarf der Religion nicht mehr (wenngleich auch diese gegebenenfalls zupass kommen mag), er will auch nicht mehr einlullen, sondern ganz im Gegenteil aufhetzen, “das Volk” im Sinne der Macht- und Herrschaftsinteressen faschistischer Führer aktivieren.

Dabei entstehen skurrile, freilich mittlerweile normalisierte Bündnisse, die eine Zeitenwende einzuläuten scheinen. Man bedenke nur, wer während Benjamin Netanjahus Amtsjahre alles an ultrarechten Populisten und Faschisten einen Kranz zum Andenken an die Opfer des Nazismus in Yad Vashem niederlegen durfte: Sebastian Kurz, Viktor Orbán, Rodrigo Duterte, Jair Bolsonaro, um nur einige zu nennen, vom bewunderten Donald Trump ganz zu schweigen. Dass in Israel die Shoah-Erinnerung seit Jahrzehnten zu fremdbestimmten (vor allem politischen) Zwecken instrumentalisiert wird, ist allbekannt. Man kann aber nur noch von Ekel erfasst sein, wenn man der Pietät ansichtig wird, die sich derlei Gäste in der Gedenkstätte aufzusetzen pflegen. Nirgends wird das Andenken der Opfer so kontaminiert wie bei diesen staatlich initiierten und zeremoniell gestylten Besuchen von rassistischen Verachtern von Menschenrechten, Menschenleben und menschlichem Leid.

In den 1960er Jahren war in der alten Bundesrepublik die NPD, die als politische Herberge von Altnazis galt, verfemt. Man konnte davon ausgehen, dass sie es nicht in den Bundestag schaffen würde, obgleich bekannt war, dass sich sehr viele in der deutschen Bevölkerung noch nicht von ihrer Nazi-Vergangenheit loszulösen vermochten (zugleich sich aber auch nicht getrauten, ihre Gesinnungsaffinität öffentlich zu artikulieren). Darum ging es in Alexander und Margarete Mitscherlichs “Die Unfähigkeit zu trauern”. Das, was damals die Grundlage für die ansetzende Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit abgab, die, wie es über die Jahre scheinen mochte, einen beachtlichen Erfolg zu verzeichnen hatte, hat inzwischen eine Metamorphose erfahren: Etabliert hat sich mit merklichem Erfolg die AfD – nicht mehr die Partei von Altnazis, die es kaum mehr gibt, dafür aber die dezidierte politische Herberge für das, was man als die emphatischste Annäherung an einen deutschen Neonazismus ansehen muss. Das Tabu der Nachkriegszeit ist fühlbar aufgeweicht.

Israel und die AfD

Man hätte erwarten dürfen, dass Israel, das Land, das für sich eine Art Monopol über das Shoah-Gedenken beansprucht und je nach interessegeleitetem Bedarf auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit den “Antisemitismus” all seiner Kritiker anprangert, sich über den politischen Aufschwung der AfD entrüstet. Davon kann indes nicht die Rede sein. Vor allem, weil sich die AfD nicht antisemitisch gibt, sondern ganz im Gegenteil in einem kaum noch zu ertragenden Maß philosemitisch; sie sieht sich als Beschützerin der Juden in Deutschland. Als Feinde gelten ihr der Islam und die Flüchtlinge aus den islamischen Ländern – ein mehr als willkommener Ersatz für den in Deutschland noch immer öffentlich tabuisierten Antisemitismus.

Das offizielle Israel gibt sich der AfD gegenüber distanziert, handelt dabei allerdings scheinheilig. Denn Tuchfühlung gibt es – mit wem, wenn nicht – mit der Führung der Siedler im Westjordanland, allen voran mit Jossi Dagan, einem führenden Siedlerpolitiker und mit Journalisten der Siedler-Medien. Es heißt zudem, dass es beim Besuch einer Delegation der AfD-Bundestagsfraktion in Israel im Jahr 2023 (mit obligatorischem Yad Vashem-Zeremoniell) zu Treffen mit Vertretern rechtsradikaler israelischer Organisationen gekommen sei.

Das nimmt sich noch harmlos aus gemessen an vergangenen Vorgaben ganz anderer Art für die Affinität von Israel und der AfD. 2018 hielt die AfD eine Veranstaltung über Antisemitismus ab. Rafi Eitan, eine Mossad-Legende, der bei der Entführung Adolf Eichmanns nach Israel eine leitende Funktion bekleidete, wurde zur Teilnahme an der Veranstaltung eingeladen. Er entschuldigte sich, der Einladung aus gesundheitlichen Gründen nicht nachkommen zu können, entsandte jedoch stattdessen eine Videobotschaft, in der er die Einstellung der AfD zum Judentum lobte. Einen gesonderten Gruß ließ er dem damaligen Parteivorsitzenden Alexander Gauland zukommen. Gauland hatte bekanntlich behauptet, dass man auf die deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg stolz zu sein hätte. Damit ließ es Eitan nicht bewenden, sondern forderte auch die deutsche Regierung auf, die “muslimische Masseneinwanderung” nach Europa zu stoppen. Diese sei nämlich nicht im Interesse Israels, da sie ob ihrer Massivität Wahlergebnisse zu beeinflussen vermag. Er zog daraus die praktische Schlussfolgerung, dass islamfeindliche Parteien in den Staaten, die von dieser Masseneinwanderung betroffen sind, zu erstarken hätten, auf dass die Unterstützung für Israel nicht erodiere. Er fügte noch hinzu, dass die AfD, wenn sie vernünftig und realistisch handeln werde, das Potential hätte, sich in eine Alternative nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa zu verwandeln.

Der damalige israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, war alles andere als beglückt über Eitans Unterstützung der AfD, nannte sie mithin „traurig und beschämend“. Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, dass gerade der, der einst Eichmann vor Gericht gebracht hatte, in Deutschen, die auf die NS-Vergangenheit stolz seien, eine Alternative für Europa zu erkennen vermag. Rafi Eitan hat späterhin einen Rückzieher gemacht und seine Video-Botschaft als Fehler eingesehen.

Fremdbestimmte Instrumentalisierung der Shoah-Erinnerung

Gleichwohl müssen sowohl die Kritik des Botschafters als auch der Rückzieher Eitans für irrelevant erachtet werden. Denn sie sind nur zwei Seiten desselben dominanten Musters in Israels politischer Kultur, vor allem aber der ideologisch befrachteten Beziehung zu Deutschland: die fremdbestimmte Instrumentalisierung der Shoah-Erinnerung. Während der Botschafter des zionistischen Staates Rafi Eitan maßregelt, um die israelische Shoah-Erinnerung unbefleckt zu erhalten, die freilich gerade im diplomatischen Bereich stets abrufbar ist, wenn es um israelische Interessen geht, die mit der Shoah als solcher kaum etwas zu tun haben (niemand weiß es besser als der Funktionär im diplomatischen Dienst), setzt Eitan sein Renommee als Eichmann-Entführer und zionistische Mossad-Prominenz ein, um die deutsche Politik im Interesse Israels zu manipulieren.

Warum meint er, sich das leisten zu dürfen? Weil es sich in Deutschland gerade wegen der Shoah-Erinnerung niemand erlauben würde, ihm diese Aktivität zu verbieten (für die staatsoffizielle deutsche Befindlichkeit gibt es ja keinen Unterschied zwischen Juden, Zionismus und Israel), es sei denn er profiliert sich als Anhänger der in Deutschland (noch) tabuisierten AfD – und genau davon soll er abgebracht werden, wie sich an der Maßregelung des Botschafters erweist. Und Eitan sieht sich gezwungen, seinen “Fehler” einzusehen. Aber gemessen an Israels Ideologie und Interessenpolitik per se war das überhaupt kein Fehler, sondern durchaus zweckrational gedacht; denn der Feind meines Feindes mag realpolitisch gesehen als mein Freund gelten.

Yair Netanjahu wurde zum Helden der AfD

So erklärt es sich, dass im Jahr 2018 eine “Bundesvereinigung Juden in der AfD e.V.” gegründet werden konnte. Und so kommt es, dass der Sohn des israelischen Ministerpräsidenten, Yair Netanjahu, Betreiber der giftigsten Hetzmaschine der inner- und außerisraelischen Propaganda, die Araber und Linke gleichermaßen nahezu pathologisch hasst und verfolgt, im Jahr 2020 zum Helden der AfD avancieren konnte: Einen Twitter-Text des Sprösslings, in dem es heißt “Schengen ist tot. Hoffentlich auch bald die globalistische EU. Dann wird Europa wieder frei, demokratisch und christlich sein!”, postete AfD-Politiker Joachim Kuhs seinerseits auf Twitter mit dem strahlenden Konterfei des Textverfassers darauf. Dieser bestärkte wiederum die Aktivität der Partei und warb für sie ganz im Geiste des ein Jahr zuvor verstorbenen Rafi Eitan.

Verwundern kann diese Liaison des Netanjahu-Sohnes mit der neonazistischen Partei nicht. Bereits 2017 postete er über Facebook eine “Die Nahrungskette“ betitelte Karikatur, die einem Antisemitismus vom Schlage der “Protokolle der Weisen von Zion” in nichts nachstand. Zu sehen ist auf ihr der ungarisch-jüdische Milliardär George Soros hinter einem Echsenwesen, vor dem eine andere (jüdische?) Drahtziehergestalt steht, während vor ihnen, in einer Art Wagonreihe nacheinander postiert, der ehemalige Premierminister Ehud Barak, Eldad Yaniv, eine zentrale Figur in der damaligen Demonstrationsaktivität gegen Netanjahu, und Meni Naftali, Zeuge in einem von der Polizei gegen das Ehepaar Netanjahu geführten Korruptionsakte, zu erkennen sind. Jeder von ihnen hält eine Angelrute in den Händen, an deren Schnur ein je spezifisches Symbol materiell-korrupter Verführung vor der Nase der jeweils vorderen Person/Gestalt hängt.

Es handelt sich um eine wirklich antisemitische, verschwörungstheoretisch beseelte Karikatur, die nicht von ungefähr die lobende Aufmerksamkeit David Dukes erregte, des prominentesten Neonazis der USA, ehemals führenden Mitglieds des Ku-Klux-Klans, White-Supremacy-Ideologen, bekannten Holocaust-Leugners und Antisemiten. Er erfreute sich an den „antisemitischen Botschaften“ der Karikatur und ergötzte sich an der Darstellung des Juden George Soros als Person, die die Welt beherrscht. Yair Netanjahu durfte sich seinerseits an der Anerkennung seitens der ihm angemessenen Verbündeten delektieren.

Heinrich Heine hat manches prophetische Wort ausgesprochen. Eines der verstörendsten ist sein Gedicht “An Edom!” von 1824. Es gehört in den hier erörterten Zusammenhang:

Ein Jahrtausend schon und länger

Dulden wir uns brüderlich,

Du, du duldest, daß ich atme,

Daß du rasest, dulde ich.

 

Manchmal nur, in dunkeln Zeiten,

Ward dir wunderlich zu Mut,

Und die liebefrommen Tätzchen

Färbest Du mit meinem Blut!

 

Jetzt wird unsre Freundschaft fester,

Und noch täglich nimmt sie zu;

Denn ich selbst begann zu rasen,

Und ich werde fast wie Du.

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