
„Eine zunehmend anarchische, nihilistische Welt“
Qantara: Ereignisse wie die Covid-Pandemie und der Russland-Ukraine-Krieg haben die Welt tiefgreifend verändert. Ihr neuestes Buch haben Sie aber „Die Welt nach Gaza“ genannt. Was macht Gaza so bedeutend?
Pankaj Mishra: Die Zerstörung Gazas ist der monströse Höhepunkt einer Entwicklung, die vor allem in Westeuropa und den USA zu beobachten ist. Dabei zeigt sich sehr deutlich ein Rechtsruck, sogar ein Erstarken der extremen Rechten, besonders in den USA, was lange vor Biden oder Trump begann.
Im Kern geht es um eine Entwicklung hin zu politischem Nihilismus: eine Ablehnung von Gesetzen und Normen und eine Hinwendung zur Gesetzlosigkeit, in der ohne Einschränkungen Macht und Reichtum angestrebt werden.
Die massenweise Tötung von Palästinenser:innen, die Zerstörung der Infrastruktur und die anhaltende Gewalt im Westjordanland sind Teil dieses Prozesses. Die Komplizenschaft des Westens deutet auf diese zunehmend anarchische, nihilistische Welt hin.
Sie argumentieren in Ihrem Buch auch, dass der Westen die Erinnerung an den Holocaust instrumentalisiert hat, um Gewalt und Ungleichheit zu rechtfertigen. Ziehen wir die falschen Lehren aus der Geschichte?
Länder wie Deutschland und Österreich haben die Erinnerung an den Holocaust instrumentalisiert, indem sie sich selbst als Hüter dieser Erinnerung darstellten. Deutschland strebte nach der NS-Zeit durch gute Beziehungen zu Israel eine moralische Rehabilitierung an – und ist heute dessen zweitgrößter Waffenlieferant.
Aber die Länder, die sich am stärksten für die Verteidigung Israels engagieren – Deutschland und die USA – verdienen eine genauere Betrachtung. Hinter der moralischen Sprache verbirgt sich tiefer Zynismus. Weiterlesen bei qantara.de
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Sehr wichtiges Interview!
Herzliche Wochenendgrüße