
Etablierte Parteien in Sachsen bringen die rechtsextreme AfD in Schlüsselpositionen des Parlaments
24. Januar 2025
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und AfD-Landesvorsitzender Jörg Urban [Foto von Sandro Halank / Wikimedia Commons (Ausschnitt) / CC BY-SA 4.0]
Im Dezember wählte der sächsische Landtag Michael Kretschmer (CDU) erneut zum Ministerpräsidenten. Er steht einer Minderheitsregierung aus CDU und SPD vor. Nun wurden die Mitglieder der einzelnen Parlamentsausschüsse ernannt, darunter auch die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD).
Der Landtag benötigte nur 21 Minuten, um alle Ausschüsse des Parlaments auf die Fraktionen aufzuteilen, berichtete der MDR. Mit Zustimmung der anderen Parteien besetzt die AfD Schlüsselpositionen, die für den Ausbau eines Polizeistaats von entscheidender Bedeutung sind. CDU und AfD führen jeweils den Vorsitz in vier Ausschüssen, während die migrantenfeindliche Abspaltung der Linkspartei, Bund Sarah Wagenknecht (BSW), und die SPD jeweils den Vorsitz in einem Ausschuss führen.
Was wir im Dezember geschrieben haben, dass alle Parteien „näher zusammenrücken und weiter nach rechts rücken“, hat sich nun anschaulich bestätigt. Die AfD hatte zwar auch in der Vergangenheit schon den Vorsitz in einigen Ausschüssen inne, war aber noch nie in so vielen und vor allem so wichtigen vertreten. Ministerpräsident Kretschmer hatte schon vor seiner Wahl erklärt, er wolle durch regelmäßige Konsultationen mit allen Parteien, auch mit der AfD, einen engeren Beitrag leisten.
Laut der Website des Sächsischen Landtags sorgen Ausschüsse „für eine effektive parlamentarische Arbeit, indem sie Beratungen und Beschlüsse für die Plenarsitzung vorbereiten“. Sie haben unter anderem die Aufgabe, dem Landtag Gesetzesvorlagen und Anträge zu empfehlen und so „technische und politische Entscheidungen für die Plenarsitzung“ vorzubereiten. Der Ausschussvorsitzende leitet und plant nicht nur die Sitzungen, sondern entscheidet auch über die zu behandelnden Anträge und Themen.
Mit den Stimmen der CDU – und zum Teil auch der SPD und des BSW – wurden nun Rechtsextreme zu Vorsitzenden der Ausschüsse für Justiz, Inneres, Bildung und Finanzen gewählt. Darüber hinaus stellt die AfD den stellvertretenden Vorsitz in den Ausschüssen für Wirtschaft, Wissenschaft und Petitionen sowie im Ausschuss für Geschäftsordnung und Immunitätsfragen.
Die AfD stellt auch den stellvertretenden Vorsitzenden des Corona-Untersuchungsausschusses, der im Oktober mit den Stimmen von AfD und BSW eingesetzt wurde – für die Einsetzung eines solchen Gremiums hatten aber alle Parteien gestimmt. Da alle Parteien inzwischen eine Politik des ungebremsten Durchlaufens der Pandemie befürworten und AfD und BSW für ihre Verharmlosung des Coronavirus berüchtigt sind, wird dieser Ausschuss vor allem der Verbreitung von Desinformation und Verschwörungstheorien dienen.
Ein Blick auf die AfD-Vertreter zeigt den reaktionären politischen Charakter dieser Partei, die ihre Mitglieder größtenteils aus dem Sicherheits-, Polizei- und Staatsapparat rekrutiert, sich aber gleichzeitig als Partei des Friedens und der Freiheit präsentiert.
Holger Hentschel, der künftige Vorsitzende des Finanzausschusses, war acht Jahre lang regelmäßig bei der Luftwaffe, bevor er 2014 der AfD beitrat und seitdem für sie arbeitet.
Alexander Wiesner, Vorsitzender des Rechtsausschusses, trägt nicht nur als altes Mitglied des Corps Saxonia Leipzig (nach dem Vorbild der reaktionären Duell-Studentenverbindungen unter dem Kaiser) einige Narben davon, sondern beschäftigte bis vor kurzem auch Kurt Hättasch in seinem Landtagsbüro. Hättasch sitzt seit November als Mitglied der rechtsterroristischen Gruppe „Sächsische Separatisten“ in Untersuchungshaft.
Lars Kuppi, der den Ausschuss für innere Angelegenheiten leiten soll, diente nur zwei Jahre in der Bundeswehr (Streitkräfte), bevor er 1992 zur Polizei wechselte. Zuletzt war er als Polizeisergeant in Chemnitz tätig. Er ist ein Unterstützer der formell aufgelösten AfD-Fraktion um den Faschisten Björn Höcke und den inzwischen ausgeschlossenen Neonazi Andreas Kalbitz. Wegen seiner offenen Verbrüderung mit Neonazis wurde er sogar aus der rechtsextremen Polizeigewerkschaft ausgeschlossen.
Sebastian Wippel ist ein weiterer Polizist, der notorisch gegen Migrant*innen hetzt und im Parlamentarischen Kontrollgremium der AfD sitzt. Wippel, der laut einem Urteil des Landgerichts Görlitz aus dem Jahr 2020 öffentlich als Faschist bezeichnet werden darf, verteilte 2018 bei einer Feier zum muslimischen Fest Eid al-Fitr Flugblätter, in denen unter anderem dazu aufgerufen wurde, das Land zu verlassen.
Ein Faschist ist also an der Überwachung polizeilicher Maßnahmen wie der „akustischen Überwachung“ von Privatwohnungen und anderen „Einsätzen von Spezialmitteln“ beteiligt, wie es der Sächsische Landtag beschreibt.
Sächsische Beamte treten seit Jahrzehnten so offen auf demokratische Grundrechte, dass 2011 sogar der ehemalige Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse von der besonderen „sächsischen Demokratie“ sprach. Schon vor dem Auftreten der AfD waren politische Schauprozesse gegen Nazigegner wie Lothar König in Sachsen an der Tagesordnung. Doch jetzt dürfen sich die rechtsextremen Beamten offen selbst überwachen.
Carsten Hütter sitzt für die AfD in der Parlamentarischen Kontrollkommission, dem Gremium, das den Verfassungsschutz (Inlandsgeheimdienst) auf Landesebene überwacht. Hütter diente 12 Jahre lang in der Bundeswehr und schied 1995 als Stabsfeldwebel aus dem Dienst aus.
Im Jahr 2018 wollte er in der Tradition eines bekannteren Unteroffiziers namens Adolf Hitler eine parlamentarische Anfrage nutzen, um die Anzahl und alle registrierten Adressen der seit 2010 in Sachsen lebenden Sinti und Roma zu erfassen. Er will die Antifa (die antifaschistische Bewegung) als Gruppe von Schwerverbrechern und linksradikalen Terroristen verbieten lassen.
Damit liegt er auf einer Linie mit dem sächsischen Verfassungsschutz, der sich jahrelang weigerte, PEGIDA oder die AfD als rechtsextremistisch zu bezeichnen, gleichzeitig aber linke Bands, Konzerte und Proteste als „linksextremistisch“ diffamierte. Gleichzeitig ist der Verfassungsschutz über ein Netzwerk von Informanten tief in die Neonazi-Szene verstrickt. Die Enthüllungen rund um den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), der zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen ermordete, werfen ein Schlaglicht auf diese staatlich geförderten Strukturen.
Schließlich wurde mit André Wendt ein weiterer Soldat zum Landtagspräsidenten wiedergewählt. Wendt trat 1993 in die Bundeswehr ein und ist seit 1999 Berufssoldat. Als solcher war er an Einsätzen im ehemaligen Jugoslawien und in Afghanistan beteiligt.
Manche Parteien heucheln jetzt scheinheilig Empörung, wenn sie diese oder jene Personalie der AfD kritisieren, aber in Wirklichkeit sind sie sich in den Grundsatzfragen der Ausweitung staatlicher Repressionsmöglichkeiten, massenhafter Abschiebungen und Sozialabbau einig. Deshalb kann sich Kretschmers Minderheitsregierung mit Unterstützung aller im Landtag vertretenen Parteien an der Macht halten.
Die Entwicklungen in Sachsen widerlegen alle Gerüchte über eine angebliche „Brandmauer“ gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD. Vor allem zeigen sie, wie weit die Integration dieser rechtsextremen Partei in den Staat bereits fortgeschritten ist.
Wie schnell die selbsternannten „Parteien der demokratischen Mitte“ ihre Versprechen, die extreme Rechte zu meiden, vergessen, wurde kürzlich in Österreich deutlich. Dort bereitet sich die Schwesterpartei der Christlich Demokratischen Union (CDU), die konservative Österreichische Volkspartei (ÖVP), auf den Eintritt in eine Bundesregierung unter dem Neonazi Herbert Kickl von der Freiheitlichen Partei Österreichs vor.
Die Rückkehr rechtsextremer und faschistischer Elemente in das Tagesgeschäft der Regierung ist ein weltweites Phänomen. Den Weg dafür haben insbesondere jene pseudolinken Kräfte geebnet – auch in Sachsen –, die ständig eine Politik des „kleineren Übels“ predigten und jede unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse unterdrückten.
Übersetzt mit Deepl.com
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