
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/10016
Vom Recht auf Angriffskrieg
Berlin billigt Israels Angriffskrieg gegen Iran. Völkerrechtler stufen ihn und die Ermordung iranischer Nuklearwissenschaftler als völkerrechtswidrig ein. Berlin hat ähnliche Verbrechen schon zuvor toleriert, etwa im Anti-Terror-Krieg.
BERLIN/TEL AVIV/TEHERAN (Eigener Bericht) – Die Bundesregierung billigt Israels völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Iran und übt keine Kritik an der Ermordung ziviler Wissenschaftler durch die israelischen Streitkräfte. Bundeskanzler Friedrich Merz erklärte bereits am Freitag kategorisch zu dem Überfall auf Iran: „Wir bekräftigen, dass Israel das Recht hat, seine Existenz und die Sicherheit seiner Bürger zu verteidigen.“ Wie aus einer Vielzahl von Stellungnahmen bekannter Völkerrechtler hervorgeht, ist ein Präventivschlag nach Art des israelischen Überfalls auf Iran allenfalls erlaubt, wenn er einen überwältigenden Angriff verhindert, der unmittelbar bevorsteht und anders nicht abgewendet werden kann. Dies war hier nicht der Fall; zudem befand sich Iran in laufenden Atomverhandlungen mit den USA. Auch die gezielte Tötung iranischer Atomwissenschaftler sei völkerrechtlich durch nichts zu rechtfertigen, konstatiert ein US-Experte. Verschiedene Bundesregierungen von Rot-Grün bis zu einer Koalition aus Union und FDP haben in der Vergangenheit Verbrechen enger Verbündeter gedeckt, so die Verschleppung von Terrorverdächtigen in Folterverliese durch die CIA oder US-Drohnenmorde in aller Welt.
Nukleardeal sabotiert
Israel hatte den Angriff auf Iran in der Nacht zum vergangenen Freitag mit der Behauptung begründet, Teheran stehe unmittelbar davor, den Bau einer Atombombe zu vollenden; hindere man es jetzt nicht daran, gebe es keine Möglichkeit mehr dazu. Allerdings sind Belege für die Behauptung nicht bekannt. Bekannt ist vielmehr, dass die Vereinigten Staaten noch mitten in Verhandlungen mit Iran über eine friedliche Beilegung des Atomkonflikts steckten; die nächste Verhandlungsrunde war – auf Seiten der USA unter Führung des Sondergesandten Steve Witkoff – für den gestrigen Sonntag in Oman geplant. Noch am Donnerstag hatte US-Präsident Donald Trump bekräftigt: „Wir setzen uns weiterhin für eine diplomatische Lösung der Atomfrage ein! Meine ganze Regierung ist angewiesen, mit Iran zu verhandeln.“[1] Die Einschätzung, es sei Israel nicht darum gegangen, den Bau einer Atombombe zu verhindern, sondern vielmehr darum, den Verhandlungsprozess zum Scheitern zu bringen, werde von einer ganzen Reihe westlicher Experten „geteilt“, hieß es am gestrigen Sonntag etwa in der New York Times.[2] Als eine Bestätigung für die Einschätzung darf gelten, dass Israel in der ersten Angriffswelle Ali Shamkhani umbrachte; dieser hatte keine militärische Funktion inne und galt auf iranischer Seite als führender Kopf bei den Nuklearverhandlungen.[3]
„Ein verbotener Präventivschlag“
Völkerrechtler stufen Israels Angriff auf Iran weithin als völkerrechtswidrig ein. So wird etwa Tom Dannenbaum, Professor für internationales Recht an der Fletcher School of Law & Diplomacy, mit Bezug auf die Tatsache, dass ein Präventivschlag allenfalls bei einem unmittelbar bevorstehenden, überwältigenden Angriff zulässig sein kann, mit der Feststellung zitiert: „Es wird [von israelischer Seite, d.Red.] nicht einmal ein Angriff behauptet, der diese Kriterien erfüllt.“[4] Matthias Goldmann, Professor für internationales Recht an der EBS University in Wiesbaden, konstatiert, selbst wenn Iran „über Nuklearwaffen“ verfüge, könne das „keinen Angriff“ rechtfertigen: „Der israelische Angriff auf den Iran stellt den geradezu klassischen Fall eines verbotenen Präventivschlags dar.“[5] Kai Ambos, Professor an der Georg-August-Universität Göttingen, warnt, sofern man wirklich den israelischen Angriff als einen zulässigen Präventivschlag werten und damit „die Schwelle für Selbstverteidigung immer weiter nach vorne verlagern“ wolle, „wird das Gewaltverbot – eine Fundamentalnorm des Völkerrechts – praktisch bedeutungslos“. Dann könne „jeder Staat aufgrund eines bloßen Bedrohungsgefühls selbst“ entscheiden, „wann er militärische Gewalt anwenden kann“.[6] Weiterlesen in german-foreign-policy.com
Bei deutschen Politikern und Medienvertretern kein Wort vom völkerrechtswidrigen Überfall und Angriffskrieg Israels gegen den Iran. Stattdessen nur „Krieg zwischen Israel und Iran“ oder Israel kämpft um seine Existenz gegen das Mullah-Regime oder den Erzfeind Iran“. Ansonsten beredtes Schweigen. Viele Deutsche und der Rest der Welt werden diese Doppelzüngigkeit und Doppelmoral des Westens nicht nehr lange hinnehmen.