Wie demokratisch angeblich autoritär regierte Staaten sind Thomas Röper

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Referendum in Kasachstan

Wie demokratisch angeblich autoritär regierte Staaten sind

In Kasachstan, das laut deutschen Medien „autoritär regiert wird“, darf das Volk in einem Referendum entscheiden, ob dort ein Atomkraftwerk gebaut werden soll oder nicht.

Thomas Röper

Über Kasachstan erfahren wir im deutschen Wikipedia und in deutschen Medien, dass das Land „autoritär regiert wird“, dass die „Menschenrechtslage als kritisch gilt“ und dass die „Meinungsfreiheit stark eingeschränkt ist“. Ich war noch nicht in Kasachstan, aber ich kenne viele, die aus Kasachstan kommen. Nach Russland gehen sie vor allem aus zwei Gründen, einerseits, weil der Lebensstandard in Russland höher ist, und andererseits verlassen manche ethnische Russen Kasachstan, weil es dort teilweise russlandfeindliche, nationalistische Tendenzen gibt, die von westlichen NGOs geschürt werden. Die Regierung versucht zwar gegenzusteuern, aber das gelingt nur bedingt. Aber dass sich jemand aus Kasachstan über seine undemokratische Regierung beschwert hätte, habe zumindest ich noch nicht erlebt.

Das nach westlichen Angaben undemokratische Kasachstan tut nun etwas, was in den „wahren und einzigen Demokratien“ des Westens undenkbar wäre: In Kasachstan, in dem es keine aktiven AKW, sondern nur ein vor 25 Jahren stillgelegtes sowjetisches AKW gibt, soll ein neues Kernkraftwerk gebaut werden. Die Entscheidung darüber wird jedoch nicht von der Regierung getroffen, sondern die Regierung lässt das Volk am 6. Oktober in einem Referendum darüber abstimmen, ob das Land wieder in die Kernkraft einsteigen soll oder nicht.

Im besten Deutschland aller Zeiten sind Volksabstimmungen bekanntlich nicht vorgesehen, die deutsche „Demokratie“ lässt die Bürger nicht über Sachfragen entscheiden, in Deutschland – und im ach so demokratischen Westen generell – dürfen die Menschen nur Vertreter wählen, die dann für sie Entscheidungen treffen.

Auf die Idee, dass Angela Merkel beispielsweise eine Volksabstimmung ausgerufen hätte, um das deutsche Volk über den hochgradig umstrittenen Atomausstieg entscheiden zu lassen, wäre in Deutschland niemand gekommen. Und die Anhänger der Klima-Religion, die sich selbst ja als die einzigen wahren Demokraten ansehen, würden nie auf die Idee kommen, das Volk über Energiewende, Kohleausstieg, Windkraft, CO2-Abgabe und so weiter abstimmen zu lassen.

Ich will hier keine Werbung für Kasachstan machen, ich will damit nur zeigen, dass die angeblich „autoritär“ oder „autokratisch“ regierten Staaten in vielem demokratischer sind, als die selbsternannten Demokratien des Westens.

Ich bin bekanntlich ein Anhänger von mehr Demokratie, also von der Einführung einer möglichst direkten Demokratie, bei der das Volk über wichtige Sachfragen entscheiden darf. Und ich finde es immer wieder interessant, dass das ausgerechnet in den Staaten möglich ist, die von den westlichen Medien als „autoritär“ oder „autokratisch“ bezeichnet werden, während Volksabstimmungen in kaum einem westlichen Land vorgesehen sind.

Ich könnte dazu auch Beispiele aus Russland anführen, wo es gerade im kommunalen Bereich viel demokratischer zugeht als in Deutschland. Wenn eine Stadt in Deutschland ein großes Bauprojekt beschließt, können die Menschen darauf in der Regel keinen wirklichen Einfluss nehmen. Das ist in Russland anders, wie ich an zwei willkürlichen Beispielen aus meiner Wahlheimat Petersburg zeigen will.

Als vor etwa 20 Jahren beschlossen wurde, dass Gazprom nach Petersburg umzieht, sollte dazu unmittelbar neben dem Stadtzentrum ein Wolkenkratzer als Firmensitz gebaut werden. In Petersburg mit seinem historischen Stadtzentrum hätte der Wolkenkratzer das Stadtbild dominiert, was die Menschen in der Stadt nicht wollten. Nach Protesten wurde der schon begonnene Bau gestoppt. Der Wolkenkratzer, das Lachta-Center, das mit 462 Metern Höhe das höchste Gebäude Europas ist, wurde trotzdem gebaut, aber nicht im Zentrum, sondern am Stadtrand. Und das war eine gute Entscheidung, denn rund um den Wolkenkratzer ist hochmoderner Stadtteil entstanden, sodass Petersburg heute im Grunde zwei Stadtzentren hat: Das wunderschöne, historische alte Stadtzentrum und im Norden der Stadt ein hochmodernes Stadtzentrum. Diese Kombination ist eines der vielen Details, die Petersburg so einzigartig und spannend machen.

Das zweite Beispiel ist nicht so spektakulär. Im Süden von Petersburg gibt es den riesigen Park Alexandrino, der noch zur Zarenzeit angelegt wurde und eine Größe von über 110 Hektar hat. Wer dort spazieren geht, hat eher das Gefühl in einem Wald als in einem Park zu sein. Zu Sowjetzeiten ist rund um ihn herum ein Stadtteil mit Hochhäusern entstanden und natürlich weckt so viel unbebautes Land in einer boomenden Großstadt den Hunger von Investoren. Daher wollten Bauunternehmer Teile vom Rand des Parks mit neuen Hochhäusern und Einkaufszentren bebauen und die Stadt hat grünes Licht gegeben. Aber man hat Rechnung ohne die Anwohner gemacht, deren Proteste so deutlich waren, dass die Stadt die Baugenehmigung zurückgezogen hat, sodass bis heute nicht ein ein einziger Quadratmeter des Parks bebaut wurde.

Ich will hier kein Demokratie-Ranking aufstellen, aber in meinen Augen ist Demokratie, wenn die Menschen auf konkrete Sachfragen, die ihr Leben unmittelbar betreffen, Einfluss nehmen können, und wenn die Regierung versucht, den Willen der Menschen im Land umzusetzen. Demokratie ist für mich nicht, alle paar Jahre ein Kreuz auf einem Wahlzettel zu machen und dann andere Entscheidungen treffen zu lassen, die die Menschen nicht beeinflussen können.

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