Wie Selensky mal wieder Biden verärgert hat von Thomas Röper von Anti-Spiegel

Wie Selensky mal wieder Biden verärgert hat

Kolomojsky weigerte sich, die Kaution zu hinterlegen, und seine Anwälte legten gegen den Haftbefehl Berufung ein, doch das Berufungsgericht in Kiew setzte die Berufung für den 25. September an, also auf den Zeitpunkt, wenn Selensky von seiner USA-Reise zurückkehrt. Nach Ansicht einiger ukrainischer Experten bestätigt das einmal mehr, dass die derzeitige Anti-Korruptionskampagne eine Show ist.

 

„Korruptionsbekämpfung“

Wie Selensky mal wieder Biden verärgert hat

von Thomas Röper

15. September 2023 

Unter dem Vorwand, die Korruption in der Ukraine bekämpfen zu wollen, hat der ukrainische Präsident Selensky die US-Regierung schwer verärgert. Die deutschen Medien haben darüber nicht berichtet, also tue ich es.

 

US-Präsident Biden hat in seiner Zeit als Vizepräsident unter Präsident Obama die Kontrolle über die Ukraine übernommen und sich dabei auch selbst über korrupte Geschäfte massiv bereichert. Darüber habe ich in meinem neuesten Buch „Das Ukraine-Kartell“ ausführlich und mit hunderten Quellen berichtet, weshalb ich darauf hier nur oberflächlich eingehen werde. Wer sich für die Details interessiert, sollte das Buch lesen.

„Korruptionsbekämpfung“ als Vorwand zur Machtübernahme

Hier ist zum Verständnis wichtig, wie Biden die Macht in der Ukraine übernommen hat und wie er und sein Team diese Macht seitdem – auch während Donald Trump US-Präsident war – behalten haben. Dazu wurden unter dem Vorwand, die Korruption in der Ukraine bekämpfen zu wollen, diverse Anti-Korruptionsbehörden gegründet, die von westlichen Ausländern direkt oder indirekt geleitet werden. Ich habe auf dem Anti-Spiegel oft über das Anti-Korruptionsbüro (NABU) berichtet, das in der Ukraine als eine Art Sonderstaatsanwaltschaft für schwere Korruptionsfälle zuständig ist, aber in Wahrheit von der US-Botschaft in Kiew kontrolliert wird. Dass der Leiter des NABU selbst rechtskräftig wegen Korruption verurteilt wurde, hat übrigens niemanden in Kiew oder Washington gestört.

Damit hatte das Biden-Team eine mächtige Waffe in der Hand, denn jeder in der Ukraine, der „ungehorsam“ wurde, konnte seitdem problemlos wegen Korruption angeklagt werden, wobei sein Vermögen sofort beschlagnahmt werden kann, ohne ein Gerichtsurteil abzuwarten. Und auch für Verurteilung ist bei Bedarf gesorgt, denn in der Ukraine wurde auch ein, ebenfalls aus den USA kontrolliertes, Anti-Korruptionsgericht geschaffen.

So wurde die „Korruptionsbekämpfung“ zu dem Vorwand, unter dem Biden seinerzeit eines der Instrumente geschaffen hat, mit denen er die Ukraine seit dem Maidan 2014 kontrolliert.

Selenskys „Korruptionsbekämpfung“ verärgert die US-Regierung

Da die Meldungen über Korruption in der Ukraine in den letzten Monaten so häufig wurden, dass sogar westliche Medien sie nicht mehr ignorieren konnten und (zumindest ein wenig) darüber berichten mussten, geriet Selensky unter Druck. Daher hat Selensky am 27. August ein Gesetz in die Rada eingebracht, das Korruption während des Kriegsrechts mit Hochverrat gleichsetzt.

Das klingt gut, hat aber einen Haken: Laut dem Gesetz soll der ukrainische Geheimdienst SBU, der dem Präsidenten untersteht, die Zuständigkeit für Korruptionsfälle bekommen. Das bedeutet, dass Selensky sich die Macht aneignen wollte, über den SBU jeden der Korruption anzuklagen, den er loswerden will.

Aber noch wichtiger ist, dass Selensky damit die von dem Biden-Team geschaffenen und der US-Regierung unterstehenden ukrainischen Anti-Korruptionsbehörden, wie zum Beispiel das NABU, entmachten wollte, womit er ganz nebenbei sich selbst und seine engen Mitarbeiter vor Anklagen wegen Korruption hätte schützen können.

Ein schönes Beispiel dafür, dass Selensky diese Vollmachten bereits eingesetzt hat, obwohl das Gesetz dazu noch gar nicht beschlossen war, ist die Verhaftung des Oligarchen Igor Kolomoisky nur wenige Tage später, denn er wurde aufgrund von Korruptionsvorwürfen verhaftet, die der SBU, der dafür (noch) gar nicht zuständig war, erhoben hatte.

Dass die US-Regierung diese Anmaßung Selenskys nicht gefallen konnte, ist klar. Was erwartet man in so einem Fall? Ganz klar: Es ist zu erwarten, dass Vertreter der US-Regierung umgehend nach Kiew reisen und Selensky kräftig den Kopf waschen.

Und genau das ist auch passiert, denn am 6. September, nur etwa zehn Tage, nachdem Selensky seinen Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht hatte, berichtete der Spiegel unter der Überschrift „Offenbar neues Hilfspaket – US-Außenminister Blinken zu Besuch in Kiew“:

„Überraschende Reise in die Ukraine: US-Außenminister Antony Blinken ist in Kiew eingetroffen. Offenbar will er auch ein milliardenschweres Hilfspaket vorstellen.“

Der Grund der Reise war natürlich nicht das neue Hilfspaket, denn Blinken hatte auch Victoria Nuland dabei, die die Ukraine zusammen mit Biden seit 2014 geführt hat und sich daher bestens in dem Land auskennt. Der Grund für die Reise war Selenskys Idee, die von den USA geschaffenen Machtstrukturen in Kiew anzutasten.

Selensky bekommt auf die Finger

Offiziell wurden natürlich Bilder und Erklärungen der Eintracht zwischen Blinken und Selensky in die Welt geschickt, aber dass es hinter den Kulissen gekracht hat, ist klar, denn ukrainische Medien berichteten nur wenige Tage später, dass Selensky es sich anders überlegt und sein Gesetz wieder zurückgezogen hat.

Das Wirtschaftsportal RBC-Ukraine berichtete aus eigenen Quellen in der ukrainischen Regierung, dass „internationale Partner“ Vertretern der ukrainischen Regierung bereits signalisiert hätten, dass sie die Initiative des Präsidialamtes, Korruption mit Hochverrat gleichzusetzen und bestimmte Korruptionsfälle in die Zuständigkeit des SBU zu überführen, „nicht unterstützten“. Demnach gab es „Anrufe von Botschaften und von Partnern auf der anderen Seite des Ozeans“ beim Büro des ukrainischen Präsidenten, die klar zum Ausdruck gebracht hätten, dass sie die Verabschiedung dieses Gesetzes „nicht verstehen würden“ und dass es nicht ohne Reaktion bleiben würde.

Außerdem hätten sich „die sieben Botschaften“ über die Pläne Selenksy beschwert. Als „die sieben Botschaften“ werden in Kiew die Botschaften der G7-Staaten bezeichnet. Die US-Regierung hat also schwere Geschütze aufgefahren, indem sie nicht nur Blinken und Nuland nach Kiew geschickt, sondern auch die G7 eingeschaltet hat. Unter dem Druck ist Selensky dann eingeknickt und hat das Gesetz am 12. September wieder zurückgezogen.

Das war übrigens nicht die erste spontane Kiew-Reise, die Blinken mit Nuland machen musste, weil Selensky an Bidens Tafelsilber wollte. Einen ähnlichen Fall gab es schon im Mai 2021, bei Interesse finden Sie die Details hier.

Ein Experte der russischen Nachrichtenagentur TASS hat zu dem Thema der Hintergründe der aktuellen Bemühungen Selenskys, die Korruption „zu bekämpfen“, eine sehr interessante Analyse geschrieben, die ich Ihnen auf keinen Fall vorenthalten möchte und die ich daher übersetzt habe.

Beginn der Übersetzung:

Gleichzusetzen mit Hochverrat: Was steckt hinter der Anti-Korruptionskampagne in der Ukraine?

Andrej Nizamutdinow über die Entlassung von Resnikow, die Verhaftung von Kolomojsky und andere „Erscheinungsformen“ der Korruptionsbekämpfung in Kiew

In den letzten Wochen hat sich in der Ukraine eine groß angelegte Anti-Korruptions-Kampagne entfaltet. Zu den auffälligsten Erscheinungsformen gehören massenhafte Säuberungen in Militärkommissionen, die Auswechslung der Führung des Verteidigungsministeriums, hochrangige Beamte, die des Betrugs verdächtigt werden, und die Verhaftung von Igor Kolomojsky, einem der berüchtigtsten ukrainischen Oligarchen. Es ist so weit gekommen, dass der ukrainische Präsident Wladimir Selensky öffentlich die Initiative ergriffen hat, Korruption mit Hochverrat gleichzusetzen.

Viele im In- und Ausland sind jedoch der Meinung, dass diese Kampagne nur vorübergehend ist und die Aufmerksamkeit von den wichtigsten korrupten Beamten ablenken soll, die in dem Gebäude in der Bankova-Straße in Kiew sitzen, in dem sich das Büro des Präsidenten und der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat befinden.

Die Bestie der Korruption

Die ukrainische Korruption gleicht jener schrecklichen Bestie, die Alexander Radischtschew im Vorwort seines Buches erwähnt: „Die Bestie ist boshaft, schelmisch, riesig, stoisch und bellend.“ Alle Präsidenten, von Leonid Krawtschuk bis Petro Poroschenko, haben versucht, diese Bestie zu bekämpfen, aber wie in der Fabel ist sie immer noch da: Nach den Bewertungen der internationalen Organisation Transparency International ist die Ukraine nach wie vor das korrupteste Land in Europa. Der derzeitige US-Präsident Joe Biden sagte 2015 als US-Vizepräsident vor der Werchowna Rada: „Die Korruption frisst die Ukraine wie Krebs.“ Allerdings heißt es, dass Biden selbst über seinen Sohn Hunter in ukrainische Korruptionsfälle verwickelt war. Das behauptet jedenfalls der ehemalige ukrainische Generalstaatsanwalt Wiktor Schokin, der auf direkten Wunsch Bidens entlassen wurde. Viele meinen, dass das geschah, weil er diesen Machenschaften gefährlich nahe kam.

Selensky, der als Präsidentschaftskandidat in die ukrainische Politik eintrat, versprach natürlich auch, die Korruption zu bekämpfen, und erklärte öffentlich: „Es wird Verhaftungen geben.“ Über laute Versprechungen ging die Sache jedoch nicht hinaus. Der Ruf des Präsidenten selbst wurde durch eine internationale Untersuchung über Offshore-Konten und Auslandsimmobilien von Wladimir Selensky und seinem engsten Kreis beschädigt.

Es ist kein Geheimnis für die ukrainische Bevölkerung und für informierte Beobachter außerhalb der Ukraine, dass der Kampf gegen die Korruption in dem Land nur ein Vorwand war und ist, um politische Rechnungen zwischen verschiedenen Clans zu begleichen und Eigentum umzuverteilen. Offensichtlich in der Erwartung, die Situation, wenn schon nicht umzukehren, so doch zumindest unter ihre Kontrolle zu bringen und gleichzeitig der Sache einen gewissen äußeren Glanz zu verleihen, haben die EU und die USA auf der Schaffung mehrerer Strukturen bestanden, die den Kampf gegen die Korruption in der Ukraine führen sollen. Dabei handelt es sich um das Nationale Antikorruptionsbüro der Ukraine (NABU), die Spezialisierte Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAP), das Oberste Antikorruptionsgericht (SACS) und das Staatliche Ermittlungsbüro (SBI).

Alle diese Strukturen stehen unter ausländischer Kontrolle, da so genannte internationale Experten als „Aufseher“ tätig sind. Dabei wirft die Vertikale des Präsidenten sowohl unter Poroschenko als auch unter Selensky ihnen bei der ersten Gelegenheit Knüppel zwischen die Beine und zieht es vor, sich auf die „traditionellen“ Sicherheitskräfte und das von ihnen kontrollierte Justizsystem zu verlassen. Es liegt auf der Hand, dass man in einer solchen Situation nicht von einem ernsthaften Erfolg bei der Korruptionsbekämpfung sprechen kann. Es ist kein Zufall, dass die EU-Kommission, als sie im Juni dieses Jahres ihren vorläufigen Bericht über die Vorbereitung der Ukraine auf die EU-Beitrittsgespräche vorlegte, die Bemühungen Kiews zur Verabschiedung von Gesetzen zur Bekämpfung von Korruption, Geldwäsche und Oligarchentum mit einer bescheidenen Drei auf der Fünf-Punkte-Skala bewertete.

Gleichsetzen mit Hochverrat

Der nächste Bericht der EU-Kommission ist für Oktober vorgesehen und viele Beobachter sind der Meinung, dass die ukrainische Regierung ihren „Auftritt“ gegen die Korruption auf dieses Datum sowie auf den in etwa einer Woche erwarteten Besuch Selenskys in den USA abstimmen will. Das umso mehr, als es keine Möglichkeit gab, etwas zu schweigen: Ende August und Anfang September veröffentlichten amerikanische, europäische und japanische Medien zahlreiche Artikel über die Veruntreuung ausländischer militärischer und humanitärer Hilfe und andere massive Missstände in verschiedenen Regierungsstellen. So wurde beispielsweise die Geschichte des ehemaligen Militärkommandanten von Odessa, Jewgenij Borissow, verbreitet, der unter dem Deckmantel der humanitären Hilfe ein Auto für 250.000 Dollar importierte und für 4,5 Millionen Dollar Immobilien in Spanien kaufte. Danach hieß es, dass fast alle regionalen Militärkommissionen ein System der Bestechung und Erpressung von Personen entwickelt hatten, die sich vom Militärdienst „befreien“ wollten. Medizinische Einrichtungen und Bildungseinrichtungen waren in Korruptionsfälle verwickelt, indem sie gefälschte Dokumente über den Gesundheitszustand oder die Einschreibung in Studiengänge ausstellten, ebenso wie Grenz- und Zollbeamte, die Wehrpflichtigen gegen ein beträchtliches Schmiergeld Genehmigungen für Reisen ins Ausland ausstellten…

Hinzu kamen Skandale im Verteidigungsministerium und in anderen Dienststellen, wo laut Medienberichten mit dem Segen und unter Beteiligung hochrangiger Beamter versucht wurde, aus dem Kauf von Lebensmitteln, Uniformen, Treibstoff und anderen Ausrüstungsgegenständen für den Bedarf der Armee Profit zu schlagen. All diese Tatsachen konnten im Ausland natürlich nicht unbemerkt bleiben. In den USA sprachen die Republikaner, die den Kongress kontrollieren, von der Notwendigkeit, eine Rechenschaftspflicht und Kontrolle über die Verwendung der Kiew zur Verfügung gestellten Hilfe einzuführen. Ähnliche Vorschläge wurden auch in Europa laut. Das ging so weit, dass der litauische Präsident Gitanas Nauseda, einer der eifrigsten Unterstützer Kiews, sogar sagte, dass „ernste Korruptionsskandale in der Ukraine“ „ein großer Schlag für das Image des Landes“ seien und sich unweigerlich auf die Stimmung in den Ländern auswirkten, die das Land mit Hilfe versorgen.

Ich denke, es waren diese mehr als durchsichtigen Andeutungen über eine mögliche Kürzung der ausländischen Hilfe, ohne die Kiew nach allgemeiner Auffassung nicht in der Lage ist, auch nur ein paar Tage zu überleben, die Selensky zu einer Reaktion zwangen. Die ersten Opfer der Kampagne waren die Leiter der Militärkommissionen, die entlassen wurden und von denen viele nach Überprüfungen strafrechtlich verfolgt wurden. Später trat Verteidigungsminister Alexej Resnikow zurück und mehrere seiner Untergebenen wurden des Missbrauchs bei der Beschaffung von Lebensmitteln und Munition für die Armee beschuldigt. Am 27. August schließlich kündigte Selensky die Einbringung eines Gesetzentwurfs in die Rada an, der Korruption während des Kriegszustands mit Hochverrat gleichsetzt.

Kolomojsky und andere

Wenige Tage nach dieser Erklärung wurde ein neuer Skandal bekannt: Der ukrainische Geheimdienst SBU nahm den Oligarchen Igor Kolomojsky fest, der beschuldigt wird, durch Betrug erworbenes Eigentum legalisiert zu haben. Den Ermittlungen zufolge hat Kolomojsky im Zeitraum 2013 bis 2020 mehr als 13 Millionen Dollar legalisiert, indem er sie ins Ausland verschob und dabei die Infrastruktur von ihm kontrollierter Banken nutzte. Daraufhin schickte das Schewtschenkiwski-Bezirksgericht von Kiew den Geschäftsmann mit der Möglichkeit, eine Kaution in Höhe von 509 Millionen Griwna (etwa 13,8 Millionen Dollar) zu hinterlegen, für zwei Monate in Haft.

Kolomojsky weigerte sich, die Kaution zu hinterlegen, und seine Anwälte legten gegen den Haftbefehl Berufung ein, doch das Berufungsgericht in Kiew setzte die Berufung für den 25. September an, also auf den Zeitpunkt, wenn Selensky von seiner USA-Reise zurückkehrt. Nach Ansicht einiger ukrainischer Experten bestätigt das einmal mehr, dass die derzeitige Anti-Korruptionskampagne eine Show ist. Selensky „muss [US-Präsident Joe Biden] und allen anderen zeigen, dass er die Korruption und die Oligarchie bekämpft“, sagte Oleg Soskin, Berater des ehemaligen ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma.

Im Anschluss an den SBU schlossen sich NABU und SAP dem Fall an und beschuldigten Kolomojsky, 9,2 Milliarden Griwna (über 249 Millionen Dollar) an Geldern aus der Privatbank übernommen zu haben, deren größter Aktionär er bis 2016 war. „Sie haben beschlossen, Kolomoisky wie eine Vogelscheuche abzubilden und ihn von allen Seiten zu berauben“, so Soskin. Ihm zufolge zeigt diese ganze Situation die tiefste Undankbarkeit von Selensky, denn es war Kolomojsky, „der diesen von niemandem gewollten drittklassigen Komiker aus der Provinz nahm, ihn wusch <…> und ihn schließlich zum Präsidenten machte.“

Dass Kolomojsky den Wahlkampf von Selensky unterstützt hat, ist bekannt. Aber es ist auch bekannt, dass der ukrainische Oligarch in den USA wegen des Verdachts auf Geldwäsche auf der Sanktionsliste steht. Auf den ersten Blick mag es so aussehen, als habe Selensky beschlossen, seinen früheren Gönner an Washington auszuliefern, um seinen jetzigen Gönnern zu gefallen. Doch so einfach ist es nicht.

Politische Verstrickungen

Das ukrainische Portal „Strana“ gab seine eigene Version der Ereignisse wieder und erinnerte daran, dass die Leiter der ukrainischen Antikorruptionsbehörden – SAP, NABU und SACS – Anfang September Washington besuchten. Sie trafen sich mit Vertretern des US-Außenministeriums, des Justiz- und des Finanzministeriums sowie der Behörde USAID. Es ist davon auszugehen, dass die ukrainischen Vertreter die US-Gesprächspartner über ihre Absicht informierten, Anklage gegen Kolomojsky zu erheben. Der „rivalisierende“ SBU, der von Selensky kontrolliert wird, schaltete sich in den Fall ein. Es ist also möglich, dass das Umfeld des ukrainischen Präsidenten beschloss, proaktiv zu handeln, um weniger schwerwiegende Anklagen gegen den Oligarchen zu erheben und den Fall später vielleicht ganz fallen zu lassen. Der stellvertretende Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Rostislaw Schurma, hat jedenfalls in einem Interview mit der ukrainischen Ausgabe des Magazins Forbes gesagt, dass Kolomojsky für seinen Anteil am Vermögen von „Ukrnafta“, dem größten ukrainischen Gas- und Ölunternehmen, entschädigt werden könnte. Dieser Anteil, fast 42 Prozent, wurde im November letzten Jahres auf der Grundlage des Gesetzes über die Zwangsveräußerung von strategisch wichtigem Verteidigungseigentum im Rahmen des Kriegsrechts oder des Ausnahmezustands beschlagnahmt.

Übrigens löste der Gedanke, Korruption mit Hochverrat gleichzusetzen, im Westen alles andere als eindeutige Reaktionen aus, denn die Umsetzung „nach Selensky“ setzt voraus, dass alle aufsehenerregenden Korruptionsfälle dem SBU übertragen werden, was weder den spezialisierten Korruptionsbekämpfungsbehörden noch denjenigen, die deren Arbeit kontrollieren und leiten, passt. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum US-Außenminister Anthony Blinken und seine Stellvertreterin Victoria Nuland, die seit dem Euromaidan alle Hebel der ukrainischen Innen- und Außenpolitik fest in der Hand hat, Anfang September zu einem Blitzbesuch nach Kiew kamen.

Politico zitiert einen europäischen Diplomaten, der die Ukraine als „ein sehr korruptes Land“ bezeichnete, und weist darauf hin, dass es ein falsches Signal sein könnte, den ukrainischen Sicherheitsdiensten zusätzliche Befugnisse im Kampf gegen die Korruption zu geben. Aufgrund dieses Signals, so der Gesprächspartner der Zeitung, könnte die EU-Kommission die Frist für die Vorlage des Berichts über die Erfüllung der Bedingungen für den EU-Beitritt Kiews hinausschieben.

Die Idee, Korruption mit Hochverrat gleichzusetzen, musste Selensky offenbar aufgeben. Grund dafür waren Medienberichten zufolge die Anweisungen der „sieben Botschaften“, wie die diplomatischen Vertretungen der G7-Länder in Kiew manchmal genannt werden. „Es gab in der Bankova-Straße Anrufe von Botschaften und von Partnern jenseits des Ozeans. Es wurde klar zum Ausdruck gebracht, dass sie die Verabschiedung dieses Gesetzes nicht verstehen würden und dass sie nicht unbeantwortet bleiben würden“, sagten Quellen im Büro des ukrainischen Präsidenten gegenüber Reportern.

Es ist alles Kopfsache

Während die ausländischen Aufseher den ukrainischen Präsidenten direkt oder indirekt auf den richtigen Weg führen, sind auch Selenskys politische Gegner im Lande nicht untätig. Die Werchowna Rada hat bereits einen Gesetzentwurf eingebracht, der Korruption mit Hochverrat gleichsetzt, nur dass der Verfasser nicht das Staatsoberhaupt, sondern der Abgeordnete Dmitri Rasumkow ist. Im Wahlkampf 2019 wurde er zur Nummer eins der Präsidentenpartei „Diener des Volkes“, dann zum Parlamentspräsidenten gewählt, musste aber (aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit Selenskys Team und der Parteiführung) 2021 zurücktreten. Er kehrte nicht in die Fraktion der „Diener des Volkes“ zurück, sondern organisierte seine eigene interfraktionelle Gruppe. In einem Interview mit dem Portal „Strana“ erklärte Rasumkow, dass sein Projekt nicht die von Selensky geplante Übertragung der Ermittlungen in Korruptionsfällen vom NABU und der SAP an den SBU vorsieht. „Mit Hilfe des SBU wird die Regierung in der Lage sein, ihre politischen Gegner unter Druck zu setzen und ihre eigenen Korruptionsfälle zu ‚begraben’“, zitierte die Zeitschrift Rasumkow.

Die Befürchtungen des ehemaligen Sprechers werden durch einen Bericht der Schweizer Nichtregierungsorganisation Global Initiative against Transnational Organised Crime bestätigt, in dem Beweise für umfangreiche Korruption in Odessa, unter anderem durch die Organisation von Lieferungen über den Getreidekorridor, sowie für die zunehmende Rolle des Büros des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selensky in diesem Bereich angeführt werden. In dem 48-seitigen Dokument wird behauptet, dass es „praktisch unmöglich ist, in der Stadt eine Baugenehmigung zu erhalten, ohne Tausende von Dollar an Bestechungsgeldern zu zahlen“, und dass die Organisation des Getreidekorridors mit der Erhebung von Abgaben von Exporteuren einherging. In dem Bericht heißt es auch, dass der SBU die „volle Kontrolle“ über den Hafen von Odessa übernommen hat. Darüber hinaus wiesen die Forscher auf die Ernennung von Oleg Kiper zum Leiter der Regionalverwaltung von Odessa hin, der Chefankläger in Kiew war und zuvor als freier Berater von Andrej Jermak, dem stellvertretenden Leiter des Präsidialamtes (der das Amt jetzt leitet), tätig war. Diese Ernennung, so die NGO, „stärkt wahrscheinlich die inoffizielle Machtvertikale zwischen dem Büro des Präsidenten und Odessa, die angeblich bereits die Korruptionsdynamik verändert: Einer Quelle zufolge bestimmt das Büro des Präsidenten nun vollständig die Höhe der Korruptionsgebühren in allen Gebieten.“

In der Tat sind die Ukrainer selbst insgesamt der Meinung, dass in erster Linie der Präsident für die grassierende Korruption in der Regierung und in der Militärverwaltung verantwortlich ist. Das ist jedenfalls die Meinung von 78 Prozent der Teilnehmer an einer im Juli durchgeführten Umfrage der Ilko Kucheriv Democratic Initiatives Foundation. An der Umfrage nahmen etwa 4.000 Menschen im Alter ab 18 Jahren teil. Nur 18 Prozent der Befragten teilten nicht die Meinung, dass Selensky direkt für die Korruption verantwortlich sei.

Was gibt es da noch hinzuzufügen? Außer der Volksweisheit: der Fisch stinkt vom Kopf.

Ende der Übersetzung


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