
Aufklärung über einen Krieg ohne Ende
22. März 2025
Mit einem Vortrag hat der Nahost-Experte Michael Lüders grundlegende Aussagen aus seinem neuen Buch über den Nahost-Konflikt in Berlin vorgestellt. Dabei hat er über Interessen im Hintergrund ebenso aufgeklärt wie er falschen Darstellungen zu dem Konflikt widersprach. Ein Bericht von Tilo Gräser
«Es muss erst noch schlimmer werden, bevor es besser werden kann.» So schätzt der Nahost-Experte und Publizist Michael Lüders die aktuelle Lage im Palästina-Israel-Konflikt ein. Er sagte dazu am Donnerstag in Berlin:
«Die Palästinenser sind in einer furchtbaren Situation. Sie haben wenig Verbündete oder gar keine. Egal was sie tun, ob sie verhandeln, ob sie Widerstand leisten: Sie haben keine Chance, weil die israelische Seite nicht gewillt ist, zu verhandeln.»
Lüders sagte das am Ende eines mehr als einstündigen Vortrages im Berliner Kino «Babylon», in dem er die wichtigsten Erkenntnisse aus seinem jüngsten Buch „Krieg ohne Ende?“ vorstellte. Eingeladen hatte dazu der «Kulturkreis Pankow» im Rahmen seiner Veranstaltungsreihe «Denkraum».
Michael Lüders beim Vortrag im Berliner Kino «Babylon» (Fotos: Tilo Gräser)
In der folgenden Diskussion mit dem Publikum tauchte fast erwartungsgemäß und unvermeidlich eine mutmaßliche «Hasbara»-Aktivistin auf. Sie gab unter anderem vor, vom Autor wissen zu wollen, «ob Juden ein Recht auf einen souveränen Staat haben» oder «wieder in die ganze Welt vertrieben werden sollten».
Der renommierte Islam- und Politikwissenschaftler reagierte souverän auf diese Attacke aus Kreisen, die er selbst in seinem Buch benennt. Darin macht er auf das 2006 in Israel neu entstandene «Ministerium für Strategische Angelegenheiten und Hasbara» aufmerksam, «de facto ein Propagandaministerium».
Zensur und Denkverbote
«Hasbara», deutsch «Erklärung» oder «Öffentlichkeitsarbeit», steht laut Lüders für die Versuche der israelischen Regierung, international eine möglichst positive Berichterstattung über Israel zu erwirken. Dabei werde alles bekämpft, «was die Großisrael-Verfechter als ‹Delegitimierung› Israels bezeichnen».
«Letztendlich geht es darum, das offizielle israelische Verständnis nahöstlicher Geschichte und Gegenwart durchzusetzen und dessen Kritiker oder Widersacher als Antisemiten oder Terroristen zu framen. Zu diesem Weltbild gehört, die entscheidende Verantwortung für den zugrunde liegenden Konflikt allein der palästinensischen Seite zuzuweisen.»
Dieser Versuch, den renommierten Nahost-Experten zu diskreditieren, steht für die gesellschaftliche Atmosphäre in Deutschland, in der eine Welle der Zensur und Denkverbote jegliche Kritik an der Politik der israelischen Führung unmöglich machen soll. Eine solche Haltung laufe «dem Denken und Handeln in einer freiheitlichen Gesellschaft» zuwider, schreibt Lüders in seinem Buch.
In dem geht er zu Beginn auf die Gründe dafür ein, wie es dazu kam, dass 2008 die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Sicherheit Israels zur deutschen «Staatsräson» erklärte. Diese laufe darauf hinaus, «die Causa Israel/Palästina allein oder doch vorrangig durch die Brille des Holocausts zu betrachten», und werde seitdem massiv durchgesetzt.
Wie und warum das geschieht, erklärte er auch zu Beginn seines Vortrages in dem gut gefüllten Saal des Kinos in Berlins Mitte. Die «Staatsräson» habe inzwischen so etwas wie Gesetzeskraft, sagte Lüders und verwies dabei auf Resolutionen des Bundestages aus den letzten Monaten, «die im Grundsatz Kritik an Israel gleichsetzen mit Antisemitismus».
Die damit verbundene Gleichsetzung von Kritik an Israel mit Antisemitismus sei «im Grunde genommen der feuchte Traum der Großisrael-Apologeten, die der Meinung sind, dass Israel ein Land sei, das Anrecht habe auf das gesamte vermeintlich biblisch verheißene Land zwischen Mittelmeer und Jordan-Fluss». Der Nahost-Experte machte ebenso deutlich, dass die deutsche «Staatsräson» auch dazu führt, dass die deutsche Politik auf die aktuelle israelische Eskalation durch erneute massive Bombenangriffe auf den Gaza-Streifen nicht reagiert.
Moral und Interessen
Seit Dienstag, als die israelische Armee den Waffenstillstand brach und den Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser fortsetzte, seien mindestens 570 Menschen in Gaza-Streifen getötet und über 900 Menschen verletzt worden – «wie üblich die meisten Opfer Frauen und Kinder». Aber das fechte niemanden in der deutschen Politik wie auch in der Europäischen Union (EU) oder in den USA so richtig an, nach dem Motto:
«Es ist halt so und es gibt keinen Bedarf hier zu handeln, ganz anders als im Fall der Ukraine, wo die Prioritäten ganz anders gesetzt sind.»
In nüchterner und klarer Sprache, manchmal mit deutlich zugespitzten Worten, beschrieb Lüders die verbrecherische Politik Israels und seiner westlichen Unterstützer. Das zum Teil brutale Vorgehen der deutschen Polizei gegen die palästinensischen Proteste ebenso wie die Attacken auf Kritiker der israelischen Politik trage dazu bei, «den Freiheitsraum in der hiesigen Gesellschaft immer mehr einzuschränken».
Lüders beschrieb in seinem Vortrag, woher die deutsche bedingungslose Unterstützung für die israelische Führung kommt und was diese mit der historischen Schuld der Judenvernichtung durch die deutschen Faschisten zu tun hat. Auch im Buch geht er ausführlich darauf ein und zeigt dort, wie sich Moral mit handfesten Interessen der Bundesrepublik Deutschland vermischten und vermischen, deren erste Führungsriegen nach der Gründung 1949 mit alten Faschisten durchsetzt waren.
Hinter der moralischen Attitüde der bundesdeutschen Staatsräson stehen bis heute klare materielle und politische Interessen der politisch Herrschenden hierzulande. So berichtete der Publizist von Aussagen eines CDU-Politikers, wonach Deutschland israelische Waffen, vor allem Drohnen, brauche. Deshalb könne nicht über die Palästina-Thematik gesprochen werden.
Es gibt laut Lüders eine enge Verzahnung des deutschen und des israelischen Militärs – ein «ganz, ganz wesentlicher Faktor». Auf Kosten der deutschen Steuerzahler seien Israel 2022 unter anderem drei in Deutschland hergestellte U-Boote zum Teil geschenkt worden, erinnerte er. Auch das führt er in seinem Buch genauer aus.
Er sei selber überrascht gewesen, berichtete er, dass er bei seinen Recherchen feststellen musste, dass die führenden Zionisten wie Chaim Weizmann und David-Ben-Gurion im frühen 20. Jahrhundert in ihren Schriften klarstellten, es gebe keinen Platz für beide Völker in dem beanspruchten Land. Das gesamte, vermeintlich biblisch verheißene Land zwischen Mittelmeer und Jordan-Fluss gehöre den Juden. Weiterlesen bei transition-news.org
Unterstützung und Verrat
Schon die frühen Pläne der 1896 gegründeten zionistischen Bewegung hätten vorgesehen, die einheimische Bevölkerung in Palästina – die damals noch nicht als «Palästinenser», sondern als «Araber» bezeichnet wurde – zu «transferieren». «Transfer» sei die damalige Umschreibung gewesen «für das, was wir heute als ethnische Säuberung bezeichnen». Weiterlesen bei transition-news.org
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