
Der Zoll-Gambit: Ein Kampf um die Seele der Globalisierung
- Mohamad Seifeddine
- Quelle: Al Mayadeen Englisch
- 14. April 2025
Chinas jüngster Schritt, ab dem 12. April 2025 Zölle in Höhe von 125 % auf US-Waren zu erheben, markiert einen Wendepunkt in einem der brisantesten Kapitel des chinesisch-amerikanischen Handelskrieges.
Während die globalen Märkte unter den zunehmenden geopolitischen Erschütterungen schwanken, markiert Chinas jüngster Schritt, ab dem 12. April 2025 Zölle in Höhe von 125 % auf US-Waren zu erheben, einen Wendepunkt in einem der volatilsten Kapitel des chinesisch-amerikanischen Handelskrieges. Pekings Reaktion ist alles andere als eine reaktionäre Maßnahme, sondern signalisiert eine neu kalibrierte strategische Haltung: eine, die taktische Zurückhaltung mit souveräner Missachtung in Einklang bringt. Es geht nicht mehr um wirtschaftliche Vergeltungsmaßnahmen – es ist die Kristallisation eines umfassenderen Wettstreits um globale Macht, Legitimität und systemische Alternativen zur vom Westen geführten Globalisierung.
Ein Wechsel von der defensiven Haltung zur durchsetzungsfähigen Doktrin
Im Gegensatz zu früheren Handelskonflikten ist diese jüngste Eskalation durch China nicht in der Sprache des Kompromisses oder der Abschreckung formuliert. Stattdessen stellt sie eine bewusste Hinwendung zu einem zweigleisigen Ansatz dar: Eindämmung ohne Kapitulation und Durchsetzung der wirtschaftlichen Souveränität. Die öffentliche Erklärung von Präsident Xi Jinping – „Wir haben keine Angst … Feindseligkeit gegenüber der Welt führt nur zu Isolation“ – war ebenso eine Botschaft an Washington wie an die zögerlichen Hauptstädte Europas. Vor dem Hintergrund eines Appells an die Staats- und Regierungschefs der EU, sich „wirtschaftlichem Mobbing“ zu widersetzen, offenbaren Xis Worte eine konzertierte Anstrengung, die Erzählung neu zu gestalten und China als Verteidiger des globalen wirtschaftlichen Pluralismus im Gegensatz zum Protektionismus der USA darzustellen.
Das chinesische Finanzministerium schloss sich dieser Haltung an und kündigte an, dass Peking sich nicht an einer weiteren Eskalation beteiligen werde, unabhängig von künftigen Zollerhöhungen der USA. Dies ist weniger ein Zugeständnis als vielmehr eine kalkulierte Abwertung der Strafmaßnahmen Washingtons. Die Botschaft dahinter: Die Kosten für den Unilateralismus Amerikas werden nun von seinen eigenen Verbrauchern, seiner industriellen Basis und dem eigentlichen Fundament seines innenpolitischen Konsenses getragen.
Zölle als Instrumente der strategischen Neuausrichtung
Chinas Wirtschaft geht aus einer Position der inneren Fragilität in diese Phase der Konfrontation. Angesichts anhaltend rückläufiger Immobilienmärkte, steigender Jugendarbeitslosigkeit und schwindenden Verbrauchervertrauens bleiben die Exporte die letzte Bastion, die die Wachstumsziele stützt. Daher wird die Entscheidung, die Zölle zu erhöhen – so mutig sie auch sein mag – durch wirtschaftlichen Pragmatismus gemildert. Peking ist sich sehr wohl bewusst, dass eine offene Eskalation den Deflationsdruck verstärken und Xis ehrgeizige Transformationsagenda, China als globales Zentrum für fortschrittliche Fertigung und Technologie zu positionieren, zum Scheitern bringen könnte.
Doch Peking hat noch andere Möglichkeiten. Die Regierung bereitet eine Reihe von fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen vor, die von Liquiditätsspritzen über Subventionen für den privaten Konsum bis hin zu Anreizen für die Modernisierung der Industrie reichen. Solche Maßnahmen sind zwar nicht neu, doch ihre Umsetzung ist jetzt dringend: Je mehr Washington die Schlinge zuzieht, desto entschlossener wird China, das endogene Wachstum anzukurbeln und die Widerstandsfähigkeit des Landes zu stärken.
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Von amerikanischer Seite ist die Entscheidung von Präsident Donald Trump, einen pauschalen Zoll von 145 % auf alle chinesischen Waren zu erheben, nicht nur eine protektionistische Überreaktion, sondern ein kalkuliertes Manöver, um gleichzeitig den wirtschaftlichen Spielraum Chinas zu verringern und seinen technologischen Aufstieg zu untergraben. Analysten warnen davor, dass die nächste Phase möglicherweise erweiterte Exportkontrollen für kritische Technologien wie Halbleiter, Biotechnologieausrüstung und Präzisionsfertigungswerkzeuge umfassen könnte – Sektoren, in denen China nach wie vor äußerst anfällig ist.
Pekings Zollreaktion muss daher nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern auch als geopolitische Erklärung interpretiert werden: China wird sich weder zur Unterwerfung zwingen lassen, noch wird es zulassen, dass seine globale wirtschaftliche Rolle vom Willen eines einzelnen Gegners diktiert wird.
Europa: Dreh- und Angelpunkt zwischen Anpassung und Autonomie
Chinas Rhetorik gegenüber Europa war in den letzten Wochen ungewöhnlich pointiert und strategisch. Xis direkter Appell an den spanischen Premierminister Pedro Sanchez war mehr als nur diplomatisches Protokoll – es war ein kalkulierter Versuch, die Europäische Union als potenzielle dritte Achse in der entstehenden globalen Ordnung zu positionieren. Indem Peking Brüssel auffordert, dem amerikanischen Unilateralismus zu widerstehen und „strategische Autonomie“ zu akzeptieren, bietet es der EU nicht nur Marktzugang, sondern auch eine geopolitische Alternative.
Diese Annäherung kommt jedoch zu einer Zeit, in der europäische Entscheidungsträger zunehmend besorgt über die Überkapazitäten und die industrielle Dominanz Chinas sind. Der sogenannte „Export-Tsunami“, der sich aus dem Verlust des Marktzugangs in die USA ergeben könnte, wird chinesische Waren unweigerlich nach Europa und in den globalen Süden umleiten und das Schreckgespenst neuer protektionistischer Gegenreaktionen heraufbeschwören. Der Kontinent befindet sich somit in einem prekären Balanceakt: Er muss seine Abhängigkeit von chinesischen Lieferketten neu ausbalancieren und gleichzeitig dem Druck der USA, sich vollständig zu entkoppeln, widerstehen.
Jenseits des Handels: Der Kampf um die Seele der Globalisierung
Was als Zollstreit begann, hat sich zu einer Konfrontation über die Architektur der Globalisierung selbst entwickelt. Trumps Handelsdoktrin ist nicht einfach transaktional; sie ist revisionistisch und zielt darauf ab, genau die Mechanismen abzubauen, die die Liberalisierung des Welthandels seit Jahrzehnten untermauern. Indem er Chinas Status als „Fabrik der Welt“ ins Visier nimmt, versucht Trump, die Vorrangstellung der amerikanischen Industrie wiederherzustellen – wenn auch eher durch Zwangsmaßnahmen als durch Wettbewerb.
China seinerseits verteidigt mehr als nur Exporteinnahmen. Es verteidigt ein Entwicklungsmodell, das die liberale Wirtschaftsordnung nach 2008 in Frage stellt, ein Modell, das auf staatlich gelenktem Kapitalismus, infrastruktureller Hebelwirkung und globalen Südpartnerschaften basiert.
Doch die Kosten sind auf beiden Seiten hoch. Amerikanische Verbraucher sehen sich in Schlüsselsektoren, von der Elektronik bis zur Energie, mit Preisschocks konfrontiert. Unterdessen kämpfen chinesische Hersteller mit Auftragsstornierungen, Entlassungen und Marktunsicherheit. Das Vertrauen der globalen Investoren schwindet, und Institutionen wie Goldman Sachs korrigieren Chinas BIP-Prognosen nach unten, in einigen Fällen unter die symbolische Schwelle von 4 %.
Was vor uns liegt
Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Verlauf des Handelskrieges noch ungewiss. Klar ist jedoch, dass China nicht länger bereit ist, den Schock stillschweigend hinzunehmen. Die Ära der „strategischen Geduld“ scheint vorbei zu sein. An ihre Stelle tritt ein konfrontativeres, aber dennoch kalkuliertes China, das nationalistische Entschlossenheit mit wirtschaftlichem Realismus verbindet.
Ob Xi Jinping diese Krise in einen Wendepunkt für Strukturreformen und eine tiefere Selbstversorgung verwandeln kann, bleibt eine offene Frage. Ebenso ungewiss ist, ob Trumps Zollblitz eine Wiederbelebung der Binnenwirtschaft bewirken oder die Fragmentierung der Weltwirtschaft beschleunigen wird.
So oder so, dieser Konflikt hat die Sprache der Handelspolitik bereits überschritten. Er ist zu einem Stresstest für die Wirtschaftsordnung der Nachkriegszeit geworden, und die Welt könnte bald feststellen, dass sie ihren Zweck nicht mehr erfüllt.
Die in diesem Artikel geäußerten Meinungen spiegeln nicht unbedingt die Meinung von Al Mayadeen wider, sondern geben ausschließlich die Meinung des Verfassers wieder.
Übersetzt mit Deepl.com
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Mohamad Seifeddine
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