
Frontlinie durch Stellvertreter: Warum die Staaten am Persischen Golf in Washingtons Krieg gegen den Iran nicht neutral bleiben können
Während der Iran und der Besatzungsstaat in eine direkte Konfrontation eintreten, sehen sich die arabischen Staaten am Persischen Golf mit beispiellosen Bedrohungen für ihre Sicherheit, Souveränität und Energieversorgung konfrontiert.
20. Juni 2025
Bildnachweis: The Cradle
Der sich rasch verschärfende Krieg zwischen dem Iran und Israel hat die Staaten am Persischen Golf in einen Strudel geopolitischer Gefahren katapultiert. Aufgrund ihrer strategisch günstigen Lage und der dichten Netzwerke US-Militäreinrichtungen in ihrem Hoheitsgebiet sind sich diese Staaten bewusst, dass jede Entscheidung der USA, sich an den Krieg zu beteiligen, ihre ohnehin fragile Neutralität zunichte machen würde. Ihre Territorien würden dann zu Frontgebieten werden.
Während der von den USA unterstützte Krieg Israels gegen den Iran eskaliert, versuchen die Monarchien am Persischen Golf einen schwierigen Balanceakt: Sie wollen die Sicherheit gewährleisten, ihre Energieexporte sichern und einen Krieg mit ungewissem Ausgang vermeiden, der wichtige Wirtschaftszweige wie die Luftfahrt und die Meerwasserentsalzung zerstören könnte. Doch sie sind in einem immer enger werdenden Netz regionaler Allianzen und strategischer Abhängigkeiten gefangen, das ihnen wenig Handlungsspielraum lässt.
Diplomatische Annäherungsversuche inmitten von Feuerstürmen
Unmittelbar nach dem Angriff Tel Avivs auf iranische Nuklear- und Militärstandorte am 13. Juni bemühten sich die Hauptstädte am Golf um eine Deeskalation. Saudi-Arabien startete eine Reihe diplomatischer Kontakte mit europäischen und regionalen Hauptstädten – von Berlin und Brüssel bis Amman und Bagdad – und mahnte zur Zurückhaltung.
Katar folgte mit Anrufen in Ankara, Rom und Ottawa, während die Vereinigten Arabischen Emirate sich mit Paris, Islamabad und Budapest abstimmten. Selbst das traditionell passive Kuwait und das neutrale Oman suchten die Hilfe der Türkei, um die regionale Lage zu beruhigen.
In einer gemeinsamen Erklärung von 20 arabischen und islamischen Staaten, darunter alle sechs Mitglieder des Golf-Kooperationsrats (GCC), wurde jeglicher Angriff auf Nuklearanlagen verurteilt und die Forderung nach einer atomwaffenfreien Region bekräftigt. Es folgten symbolische Gesten: Die VAE verzichteten auf Visabussen für iranische Staatsangehörige, und Riad beschleunigte die Rückkehr iranischer Pilger.
Die deutlichste Stimme in der Region kam jedoch vom ehemaligen Premierminister Katars, Hamad bin Jassim, der davor warnte, dass der Zusammenbruch des Iran unkontrollierbares Chaos auslösen würde. Er forderte die Herrscher am Persischen Golf auf, Druck auf Washington auszuüben, um „den israelischen Wahnsinn sofort zu beenden“ und zu verhindern, dass die Region in einen umfassenden Krieg abgleitet.
Die tickende Zeitbombe der US-Stützpunkte
Die militärische Präsenz der USA am Persischen Golf ist sowohl Abschreckung als auch Provokation. Katar, der einzige Verbündete der USA außerhalb der NATO am Persischen Golf, beherbergt mit Al-Udeid und Al-Sailiya die größten US-Stützpunkte in der Region, die weniger als 300 Kilometer vom Iran entfernt liegen – also sogar innerhalb der Reichweite älterer iranischer Raketensysteme. Kuwait beherbergt vier wichtige US-Stützpunkte, die Vereinigten Arabischen Emirate drei, Saudi-Arabien, Bahrain und Oman leisten jeweils wichtige logistische und luftverteidigungstechnische Unterstützung.
Zwar behalten die Golfstaaten das Recht, offensive Operationen von diesen Stützpunkten aus zu vetoieren, doch diese Souveränität ist weitgehend theoretisch, wenn Washington eine Eskalation beschließt. Iranische Regierungsvertreter haben bereits deutlich gemacht, dass jede Plattform, die für Angriffe genutzt wird, als legitimes Vergeltungsziel betrachtet wird. Sollten US-Luftangriffe von Golfstaaten aus gestartet werden, wird keine dieser Monarchien den Folgen entkommen.
Lähmung des Flugverkehrs und wirtschaftliche Erschütterungen
Als die Spannungen eskalierten, wurden die Luftkorridore der Region gesperrt. Flüge über den Iran, den Irak, den Libanon und Syrien wurden umgeleitet, ausgesetzt oder ganz gestrichen. Emirates und Qatar Airways strichen Dutzende von Flügen, während es am Dubai International Airport zu massiven Verspätungen kam.
Die Kosten für Umleitungen stiegen sprunghaft an. Die Treibstoffkosten schossen in die Höhe. Die Passagierzahlen gingen zurück. Die finanziellen Auswirkungen waren sofort spürbar: Die Aktien von Air Arabia brachen um 10 Prozent ein – der stärkste Einbruch seit der Finanzkrise 2008.
Energieengpässe in Gefahr
Der Iran verfügt über die zweitgrößten Erdgas- und drittgrößten Ölreserven der Welt. Ein einziger israelischer Angriff auf eine South Pars-Gasplattform, die mit dem für Katar lebenswichtigen North Field verbunden ist, ließ die Ölpreise um über 10 Prozent steigen. Sollte der Konflikt andauern, werden die Preise voraussichtlich die 100-Dollar-Marke pro Barrel überschreiten.
Dieser Angriff, der zwar die Anlagen in Katar verschonte, erschütterte die globalen Energiemärkte und untergrub das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Golfstaaten als Exporteure. Die GCC-Staaten stehen vor einem Dilemma: Während höhere Ölpreise vorübergehend die Einnahmen steigern, stellen die Gefahr von Lieferkettenunterbrechungen und gezielte Angriffe auf die Infrastruktur eine existenzielle Bedrohung für ihre energiebasierten Volkswirtschaften dar. Selbst kurze Schließungen von Schifffahrtswegen oder Störungen in Raffinerien könnten katastrophale wirtschaftliche Folgen haben.
Meeresengen am Abgrund
Die Straße von Hormus ist die Lebensader der Region – täglich passieren 20 Prozent des weltweiten Flüssiggasvolumens diese enge Meerenge. Der Iran hat wiederholt gedroht, die Straße im Falle eines Angriffs zu sperren. Ein solcher Schritt würde die Exporte Kuwaits, Katars und Bahrains lahmlegen, da diese Länder über keine nennenswerten Alternativrouten verfügen.
Selbst Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, die über Ersatzpipelines zum Roten Meer und zum Arabischen Meer verfügen, können die strategische Bedeutung der Straße von Hormus nicht vollständig ausgleichen. Weiter südlich sank der tägliche Öltransit durch die Bab al-Mandab-Straße, die bereits durch jemenitische Militäroperationen gegen israelische Schiffe gestört ist, von 8,7 Millionen Barrel im Jahr 2023 auf vier Millionen im Jahr 2024.
Eine gleichzeitige Schließung beider Meerengen hätte katastrophale Folgen: Über 60 Prozent des Öls aus der Golfregion würden vom Weltmarkt verschwinden, was die Preise auf weit über 200 Dollar pro Barrel treiben würde.
Ein nukleares und cybertechnisches Kreuzfeuer
Eine weitere stille Gefahr droht: radioaktiver Niederschlag. Die iranischen Nuklearanlagen in der Nähe des Persischen Golfs stellen ein erhebliches Umweltrisiko dar. Ein durch israelische Angriffe oder Sabotage ausgelöstes Leck könnte die Meeresökosysteme zerstören und entsalztes Wasser ungenießbar machen – eine existenzielle Krise für Katar, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate, die fast vollständig auf Meerwasser als Trinkwasserquelle angewiesen sind.
Kuwait liegt nur 250 Kilometer vom nächsten iranischen Reaktor entfernt, und die Strömungen im Golf fließen von der iranischen Küste aus. Dennoch gibt es keinen umfassenden regionalen Notfallplan. Wie der Außenminister Katars kürzlich warnte, könnte selbst eine geringfügige Kontamination die Süßwasservorräte innerhalb weniger Tage erschöpfen.
Unterdessen ist die Cyberkriegsführung aus dem Schatten ins Rampenlicht getreten. Störungen in der Straße von Hormus haben bereits fast 1.000 Schiffe dazu gezwungen, aufgrund mutmaßlicher GPS-Störungen auf analoge Navigation umzusteigen. Die Golfstaaten stehen nun vor der gewaltigen Herausforderung, nicht nur ihre Grenzen und Infrastruktur, sondern auch ihre digitale Souveränität zu verteidigen.
Strategische Widersprüche
Die „Operation Al-Aqsa Flood“ vom 7. Oktober 2023 hat die politische Geografie der Region neu gezeichnet. Die arabischen Staaten am Persischen Golf, die lange Zeit unter dem Schutz der USA standen, gehen nun auf Distanz: Sie normalisieren ihre Beziehungen zu Tel Aviv, strecken Teheran die Hand zur Versöhnung aus und bitten Washington um strategische Zurückhaltung.
Doch diese widersprüchlichen Schritte – Israel beschwichtigen, die Islamische Republik besänftigen und sich auf die USA verlassen – kollidieren mit einer regionalen Realität, die eine unentschlossene Haltung nicht länger toleriert. Es entsteht eine Westasienpolitik, die auf drei Säulen ruht: Versöhnung mit dem Iran, bedingte Normalisierung mit dem Besatzungsstaat und fortgesetzte Abhängigkeit vom Sicherheitsschirm der USA.
Ob diese fragile Strategie angesichts eines sich ausweitenden Krieges Bestand haben kann, bleibt abzuwarten. Aber wenn sich die Flammen ausbreiten, wird die Fassade der Stabilität am Golf als eine der ersten brennen.
Die in diesem Artikel geäußerten Meinungen spiegeln nicht unbedingt die Meinung von The Cradle wider.
Übersetzt mit Deepl.com
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