Dank an Annette Groth, die mir dieses wichtige Interview aus „il manifesto2, übersetzt vom Gewerkschaftsforum Hannover zur Verbreitung und Veröffentlichung zusandte. Evelyn Hecht-Galinski
.
Zur Lage in Amsterdam hat die linke italienische Tageszeitung „il manifesto“ in ihrer heutigen Ausgabe mit dem linksalternativen und antiimperialistischen Stadtrat Jazie Veldhuyzen gebracht,die das GEWERKSCHAFTSFORUM HANNOVER übersetzt haben.
————————————————-
„il manifesto“ 12. November 2024
„Polizeigewalt in Amsterdam durch den Ausnahmezustand gedeckt“
HOLLAND. Interview mit Jazie Veldhuyzen, Stadtrat von Amsterdam, nach den Ausschreitungen beim Europa-League-Spiel Ajax gegen Maccab und der Verhaftung am Sonntag auf dem Dam-Platz: „Diejenigen, die an den nicht genehmigten Demos teilgenommen haben, sind nicht antisemitisch, sondern über Israels Politik empört. Unter ihnen sind auch antizionistische Juden, wie die Gruppe Erev Rav.“
Massimiliano Sfregola
Die Krawalle, die letzte Woche Amsterdam in Aufruhr versetzten und die Politiker und Medien auf der ganzen Welt von Pogromen reden ließen, werden immer noch diskutiert, obwohl die Fans von Maccabi Tel Aviv längst wieder abgereist sind. Erst in den letzten Stunden hat die Polizei Beweise gesammelt, die mehrere Gewalttaten israelischer Fans belegen, die ihre Spuren mit Gürteln, Stöcken und Steinen hinterließen, als sie Menschen auf der Straße angriffen.
Zu spät. Inzwischen wird nur noch das offizielle Narrativ der „Judenjagd“ akzeptiert, und in den Niederlanden beginnt eine sehr lange Woche des Kräftemessens: Die rot-grüne Bürgermeisterin der Hauptstadt Femke Halsema wird sich heute in einer Dringlichkeitsdebatte gegen den Vorwurf der rechten und rechtsextremen Opposition verteidigen müssen, ein „Pogrom“ ermöglicht zu haben. Am Mittwoch ist eine Debatte in der Tweede Kamer, der niederländischen Abgeordnetenkammer, geplant.
Und in der Großstadt bleibt der Ausnahmezustand in Kraft. Die Bürgermeisterin hat ihn bis Donnerstag verlängert: „In Amsterdam gilt im Moment eine Polizeiverordnung, zumindest bis Donnerstag: Demonstrationen sind verboten und die Polizeibeamten bekommen besondere Befugnisse. So etwas haben wir nur während der Covid-Pandemie erlebt“, sagt Jazie Veldhuyzen, Amsterdamer Stadtrat und Fraktionsvorsitzender der linken Liste De Vonk sowie eine der wenigen kritischen Stimmen in dieser Angelegenheit.
Wir haben über Streaming von Ihrer Verhaftung während der Pro-Palästina-Demonstration am Sonntag erfahren, die vor allem organisiert wurde, um gegen den Ausnahmezustand protestieren sollte. Was war geschehen?
Mir wurde mit Verhaftung gedroht, die schließlich in einer „administrativen Entfernung“ endete. Ich war dort als Aktivist und als Vertreter der Institutionen: Die Polizei forderte mich und andere Demonstranten auf, den Dam-Platz zu verlassen. Als wir uns weigerten, wurden wir umzingelt, abgeholt, in einen Bus verladen und aus dem Stadtzentrum gebracht, wo wir den Befehl bekamen, uns auflzuösen. Auf dem Platz lief es unterdessen schlecht für diejenigen, die palästinensische Symbole trugen: Fahnen wurden runtergerissen – genau wie es die Maccabi-Hooligans getan hatten. Und diejenigen, die Kuffiehs ((Palästinensertücher)) trugen und sich in der Nähe des Dam-Platzes aufhielten, wurden angehalten und ihre Personalien festgestellt. Ein Journalist und ein Rechtsanwalt wurden verhaftet. Eine Frau kam mit einem Kind, auf das mit Gummiknüppeln eingeschlagen wurde, ins Krankenhaus. Eine dystopische Situation, wenn man bedenkt, dass die Kundgebung zwar lautstark, aber friedlich war.
Was geschieht derzeit in Amsterdam?
Die Bürgermeisterin verhängte und verlängerte diesen Ausnahmezustand, der in nie dagewesener Weise in die verfassungsmäßigen Rechte eingreift und der Polizei enorme Befugnisse einräumt: von willkürlichen „Kontrollen und Durchsuchungen“ bis hin zu einem absoluten Verbot, auf die Straße zu gehen. Im Vorfeld war jedoch bekannt, dass die Maccabi-Hooligans eine Gefahr darstellten. Wir hatten bereits Alarm geschlagen, aber Halsema wollte nicht hören. Sie kamen, griffen Menschen und Eigentum an, und als ein Taxifahrer seine Stimme erhob, verprügelten sie ihn. Taxifahrer sind in Amsterdam eine sehr geschlossene Gruppe, weshalb das Gerücht, dass Hooligans, die den Völkermord in Gaza verherrlichen, einen von ihnen angegriffen hatten, die Spannungen erhöhte. Verschiedene Einwohner beschlossen, auf die Straße zu gehen, sich den Verboten zu widersetzen und ihre Straßen zu schützen.
Antisemitismus hat mit dem hier hier nichts zu tun: Man kann nicht wegen einiger vereinzelter Videos, die im Internet kursieren und Hass auf Juden verherrlichen, von Pogromen sprechen und sie mit den Protestierenden in Verbindung bringen: Diejenigen, die an den Aufmärschen und nicht genehmigten Aktionen teilgenommen haben, sind keine Antisemiten, sondern empören sich über die Politik des Staates Israel. Und unter ihnen befinden sich auch antizionistische Juden, wie die Gruppe Erev Rav.
Der heutige Tag verspricht eine hitzige Stadtratssitzung zu bringen: Linke und Rechte werden gemeinsam über Pogrome und den grassierenden Antisemitismus in Amsterdam sprechen. Wird es bei der Vertretung einer alternativen Sichtweise ein Verhältnis von Einer gegen Vierundvierzig geben?
Die Rechte wird die Absetzung von Bürgermeisterin Halsema fordern, der vorgeworfen wird, die Maccabi-Hooligans nicht ausreichend geschützt zu haben. Ich habe bereits eine Anfrage zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Ausnahmezustands und der Polizeigewalt bei der Demonstration am Sonntag eingereicht. Wir werden Fünf gegen 40 sein: Meine Partei und DENK (eine multiethnische Partei von Einwanderern der zweiten Generation, Anm. d. Red.) werden die Einzigen sein, die sagen, dass die Gewalt von den Hooligans provoziert und angeheizt wurde. Die Mehrheit der Ratsmitglieder der Vereinigten Linken Liste (Rot-Grün und Labour) hat zu viel Angst, sich in dieser Frage zu exponieren, auch wenn einige privat solidarisch sind.
(Übersetzung: Gewerkschaftsforum Hannover)
Kommentar hinterlassen
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.