
Dank an Moshe Zuckermann für die Genehmigung seinen heutigen, auf Overton-Magazin veröffentlichten Artikel auf der Hochblauen Seite zu übernehmen. Evelyn Hecht-Galinski
https://overton-magazin.de/top-story/trump-der-friedensbringer/
Trump, der Friedensbringer?
Was ist von Trumps zweiten Amtsperiode im Hinblick auf den israelisch-palästinensischen Konflikt zu erwarten? Etwa Frieden?
Es gibt Menschen, die Donald Trump für einen Friedensbringer halten. In seiner ersten Amtszeit habe er keinen Krieg initiiert, hielt ihm diese Woche Alice Weidel zugute. Möglicherweise werde gerade er die Beendigung des russisch-ukrainischen Krieg vorantreiben, meinen so manche Publizisten. Wieder andere vermuten, der Friedensnobelpreis stehe ihm vor Augen. Nun, meinen und hoffen darf man ja alles, was noch in der Zukunft liegt, also noch nicht zu belegen ist außer durch das Wunschdenken und den Brustton der Überzeugung.
Vielleicht darf man sich aber auch an dem orientieren, was der Mann sagt und macht, mithin auch versuchen, seine Motivationen genauer anzuvisieren. Denn ein Präsident, der bei seinem Amtsantritt alle begnadigt, die am 6. Januar 2021 an der vandalistischen Insurrektion gegen den Kongress der Vereinigten Staaten beteiligt waren, und zwar unter seiner Anleitung als bereits abgewählter, aber immerhin noch amtierender US-Präsident, darf zumindest als ein Politiker gelten, dem der Rechtsstaat (je nach Laune) nicht sonderlich gilt, der aber vor allem der Gewalt nicht grundsätzlich abgeneigt ist.
Die gnädigen unter seinen Kritikern sprechen davon, dass er kein guter Verlierer sei bzw. Niederlagen als eine existenzielle Erniedrigung empfinde, die weniger nachsichtigen bescheinigten ihm einen pathologischen Narzissmus. Aber diese Attribute sind im hier erörterten Zusammenhang nur insofern relevant, als sie sich in seiner Politik und seinen angekündigten politischen Vorhaben niederschlagen. Gemeint ist damit also nicht seine berüchtigte polemische, zuweilen erstaunlich primitive Streitlust, sondern Bestrebungen und Willensentscheidungen, die sich auf die Lebensrealität von Menschen und das Schicksal von Staaten und Nationen auswirken.
Was hat er also, kaum im Amt, bereits angekündigt? In seiner Antrittsrede sprach er ausführlich über die Rücknahme des Panamakanals. Wie die “Frankfurter Rundschau” bemerkte, berief er sich dabei u.a. “auf das Konzept des manifest destiny – also die Idee, dass die Expansion der USA unvermeidlich und noch dazu ein göttliches Recht sei.” Zudem will er nicht nur den Golf von Mexiko in Golf von Amerika umbenennen, sondern plant auch Kanada zum 51. Bundesstaat der USA zu machen.
Eklatant ist vor allem seine Bestrebung, Grönland unter US-Konrolle zu bringen; begründet wird dieses Vorhaben mit der “wirtschaftlichen Sicherheit” (economic security) der USA und als “absolute Notwendigkeit” (absolute necessity) qualifiziert. Grönland genießt seit 1979 eine Autonomie innerhalb des dänischen Königsreiches, die Oberhoheit über die Insel liegt also bei Dänemark. Das beeindruckt Trump nicht sonderlich. Bei einem Telefonat mit der dänischen Regierungschefin Mette Frederiksen, das als “schrecklich” beschrieben worden ist, soll er “konkrete Maßnahmen” angedroht haben, falls Dänemark sich seinem Plan widersetzen werde. Darunter muss man sich nicht nur ökonomische Schritte wie unmäßig erhöhte Zölle gegen das skandinavische Land vorstellen, sondern Martialischeres: Bei einer in seinem Florida-Refugium Mar a Lago abgehaltenen Pressekonferenz weigerte er sich, Militärgewalt auszuschließen.
Der “Friedensbringer” hat also unmissverständliche Expansionsambitionen. Dabei ist die reale Anwendung von Brachialgewalt nicht seine Priorität. Er hat die Mentalität des kapitalistischen Immobilienhändlers nie abgelegt, handelt mithin so, als würde er im realen Leben Monopoly spielen. Er hält Ausschau nach Gelegenheiten der Profitmache, bei denen es zum einen um den realen materiellen Gewinn geht, zum anderen aber um das Ansehen des Machtmenschen und Gewinners. Sein unübersehbarer Lustgewinn am “You’re fired!” in der TV-Reality-Show “The Apprentice” korrespondiert mit seinen aktuellen Racheaktionen gegen politische Gegner und “abtrünnige” Gefolgsleute.
Geht man aber auf seine Bestrebungen ein, so begnügt er sich mit einem erfolgreichen Deal, bei dem allerdings Voraussetzung ist, dass man seiner Bestrebung willfahrt. Ist man aber nicht willig, dann braucht er Gewalt – womit auch seine Vorstellung von einem fairen Deal von vornherein als absurd zu sehen ist. Das muß insofern festgehalten werden, als die Vermengung von narzisstischen Erfolgsbedürfnissen, die Betrachtung der Welt als eine Art Brettspiel und der Besitz an realer Gewalt (auch Militärgewalt), die nach seinen jeweiligen Bedürfnissen einsetzbar ist, dazu führt, ihn für einen “friedenswilligen” Dealmacher zu halten, der aber zu jedem gegebenen Moment – er ist unberechenbar – auch aus der vermeintlichen Mäßigkeit ins ressentimentgeladene Brachiale übergehen kann. Die Gewaltandrohung gegen Dänemark etwa muss man ernst nehmen.
Netanjahu muss Trump fürchten
Wer Trumps launenhafte Sprunghaftigkeit heftig zu schmecken bekommen hat, ist sein größter Anhänger im Nahen Osten: Benjamin Netanjahu. Der israelische Premier hat den “Fehler” begangen, der gewählten Präsidenten Joe Biden zu seinem Wahlerfolg zu beglückwünschen, womit er für den grollenden Trump gestorben war. Der ehemalige Anhänger hat nun, da Trump ins Weiße Haus zurückgekehrt ist, guten Grund, den alt-neuen US-Präsidenten zu fürchten. Eine Kostprobe davon hat er bereits vor Trumps diesmaligem Amtsantritt bekommen.
Obgleich Netanjahu den (schon seit langem zwecklosen) Krieg mit der Hamas nicht beenden will, weil ihm Ben-Gvir und Smotrich, die der Weiterführung des Krieges emphatisch das Wort reden, die Auflösung seiner Regierungskoalition und den damit einhergehenden Machtverlust androhen, musste er sich dem Druck der Amerikaner, an entscheidender Stelle dem Trumps, beugen und den längst fälligen Deal mit der Hamas (der schon vor Monaten zu haben gewesen wäre) eingehen. Ben-Gvir und Smotrich musste er versprechen, die Kampfhandlungen in Gaza nach Ablauf der ersten Deal-Phase wieder aufzunehmen (womit das Schicksal der verbleibenden großen Majorität der in Hamas-Haft befindlichen Geiseln besiegelt sein dürfte).
Trump aber will den Deal durchgezogen haben und schickte diese Woche bereits seinen Beauftragten, um Druck auszuüben, auf dass die Verhandlungen über die nächste Deal-Phase jetzt schon beginnen. Der israelische Premier dürfte sich kaum in der Lage sehen, diesem Druck zu widerstehen. Wie hier bereits letzte Woche dargelegt, sieht sich Netanjahu einer Zwickmühlensituation ausgesetzt, aus der er sich kaum unbeschadet loszulösen vermag.
Viele der Netanjahu-Anhänger, allen voran die polemischen Sprachrohre seiner medial tobenden, faschistischen Giftmaschine, die beglückt waren über die Wiederwahl Trumps zum Präsidenten, geben sich nun “entsetzt” und “enttäuscht”. Damit hatten sie nun wahrhaft nicht gerechnet. Sie hatten natürlich guten Grund, sich Trump herbeizuwünschen – zum einen hatte er sich stets “auf Israels Seite” gestellt und erkannte die Okkupation nie als solche an; zum anderen wirkt er jetzt all dem, was Joe Biden wollte und initiierte, dezidiert entgegen, und Biden wollte den Krieg schon lange beendet sehen.
Was treibt Donald Trump bei seinem “Friedensbringer”-Getue an?
Er will diese lästige Störung in der ihm letztlich fremden, fernen Region, in der sein Land aber nun mal involviert ist, loswerden. In der ihm eigenen Art will er den seit vielen Jahrzehnten schwärenden Konflikt mit seinen unsäglichen Leiderfahrungen im Handumdrehen (bei Trump ist man fast geneigt “schwuppdiwupp” zu sagen) aus der Welt schaffen. Entsprechend artikuliert sich seine Rhetorik.
Die Katastrophe im Gazastreifen erkennt er als “real mess” an, ohne freilich sich zu fragen, was sein Land dazu beigetragen hat, dieses Chaos zu verursachen; Israels Belieferung mit Schwerstgeschützen hat er erneut zugesagt. Die palästinensische Bevölkerung des gebeutelten Landstreifens nimmt er als abstrakte Entität wahr: Um den Wiederaufbau anzugehen, schlägt er vor, “to just clean out” Gaza, um einen “virtual clean state” zu schaffen. Das Territorium soll also von diesem leidigen Ärgernis, das man “Bewohner” bzw. “Menschen” zu nennen pflegt, gesäubert werden, kurzum: Voraussetzung für den Wiederaufbau ist eine massive ethnische Säuberung.
Wohin sollen aber anderthalb Millionen Bewohner des Gazastreifens hingebracht (um nicht zu sagen “hingesäubert”) werden? Auch dafür hat der US-Präsident ein kommode Lösung: Ägypten und Jordanien mögen sie aufnehmen. Der Mann, der (südamerikanische) Flüchtlinge im eigenen Land verabscheut und gleich nach Amtsantritt Schritte zu deren Vertreibung unternommen hat, schlägt den beiden arabischen Staaten die Schaffung eines neuen Flüchtlingsdebakels in den eigenen Ländern vor.
Was hat Trump vor Augen? Die “schönen Strände” und das “gute Wetter” in diesem Landstrich hervorhebend, ist er wieder ganz Immobilienunternehmer. Er denkt an eine Art Gaza-Riviera. In der Tat visiert er die Realität in Kategorien eines Brettspiels an: So wie man Steinchen auf dem Monopoly-Brett bewegt, Häuser und Hotels aufbaut und verkauft, so sind ihm die Menschen in Gaza nichts als bewegbare Steinchen. Dass es dabei um 1-2 Millionen lebenden Menschen mit eigenen Bedürfnissen, Interessen und Ausrichtungen auf ihr Leben geht, tangiert ihn wenig. Die realen Bewohner der Wolkenkratzer, die er in den 1980er Jahren als Immobilienhändler erwarb, um sie nach kurzer Zeit wieder profitgerecht zu verkaufen, haben ihn ja auch nie interessiert. Sie wurden zum “Bestandteil des Gebäudes” verdinglicht.
Aber eines entgeht denen, die Trump für einen “Friedenbringer” erachten. Trump will die Hamas aus Gaza ausgemerzt wissen, aber auch die Autonomiebehörde im Westjordanland erkennt er nicht als einsetzbaren Regierungsfaktor bei der Gestaltung der Zukunft des Gazastreifens an. Wie man es dreht und wendet – wenn es nach dem alt-neuen US-Präsidenten mit der Mentalität des kapitalistischen Immobilienhändlers geht, bleiben die Palästinenser wieder auf der Strecke. Aber ohne Palästinenser wird es keinen Frieden geben; es geht jedoch um den Frieden mit den Palästinensern, einzig um ihn. Und diesen Frieden kann man nicht mit einem auf dem Spielbrett “Naher Osten” ausgeklüngelten Deal erlangen.
Was immer von der zweiten Amtsperiode Donald Trumps zu erwarten steht, eines ist jetzt schon klar: Mit seiner sich jetzt schon abzeichnenden Ausrichtung, die die leiderfahrenen Betroffenen abstrahiert und je nach Laune und Belieben außer acht lässt, wird es gewiss keinen Frieden geben.
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