
Zwischenruf 3 zum Wahlkampfspektakel
Übermut tut selten gut
Von Jürgen Scherer
- Januar 2025
Ich muss zugeben, dass mir in letzter Zeit immer öfter Sprichwörter und Redensarten in den Sinn kommen. Möglicherweise hängt das damit zusammen, dass wir im laufenden Wahlkampftrubel an allen Ecken und Enden über Parolen und Slogans der Parteien stolpern. Diese oft nichts sagenden Sprechblasen fordern ja geradezu dazu auf, mit bewährten Volksweisheiten gegenzusteuern. Eine davon ist die in der Überschrift zu diesem Artikel genannte.
Sie fiel mir dieser Tage ein, als ich die Nominierungsphase von Frau Weidel verfolgte und die Buchveröffentlichungspolitik von Herrn Habeck, das Auftreten zweier Möchtegernbestimmer im politischen Alltag unserer Republik.
Beider Auftreten zeichnet sich durch aufgeblasene Selbstüberschätzung aus, in deren Gefolge, wie das oft so ist, die wahren Absichten der Betreffenden immer mal wieder durchscheinen.
Ich beginne mit Frau Weidel: Sie scheint ja alles dafür zu tun, um sowohl in ihrer Partei als auch in der Öffentlichkeit, unvergessliche Duftmarken zu hinterlassen. In der Öffentlichkeit punktet sie mit dem eher zweifelhaften Ritterinnenschlag durch den trumpschen Chaosflüsterer Elon Musk, der ihr auf seiner Plattform X die Möglichkeit gab, sich durch ein an Belanglosigkeiten durch nichts zu überbietendes Interview hindurchzugiggeln; ganz das Weibchen, wie starke Männer es lieben. Geschenkt, könnte man sagen, Klatschspaltengeplapper, wenn da nicht durch Übermut gepaart mit devoter Haltung ein Moment der Wahrheit zutage getreten wäre, für den Frau Weidel sich eigentlich schämen müsste. Hat sie doch tatsächlich Herrn Musk erklärt, der schlimmste Faschist und Massenmörder aller Zeiten, ein gewisser Adolf Hitler, sei eigentlich gar kein Rechter oder gar Faschist gewesen, nein, ein Kommunist; also gar kein Rechtsausleger in der deutschen Geschichte. Mr Musk, ein ebensolcher historischer Analfabet wie Frau Weidel, nahm das so zur Kenntnis und Gauland und Höcke haben wohl innerlich gegrinst und gedacht: Auf Alice ist Verlass. Von nichts Ahnung wie Musk und Trump, aber felsenfest überzeugt von ihrem Nichtwissen. Weiter so Alice, Festigkeit ist das Gebot der Stunde. Und wir haben gelernt: Frau Weidel wird auch dem Höckeflügel ein dienstbarer Geist werden, auf dem Weg in das neue Deutschland der AfD.
Der zweite Übermutseifer zeigte sich dann auf dem Nominierungsparteitag ihrer Partei. Endlich hatte die strebsame, auch schon mal Außenseiterfrau der AfD, ihr Ziel erreicht. Ihr jahrelanger Balanceakt zwischen moderat und radikal hatte Früchte getragen. Der Parteitag nominierte sie zur Kanzlerkandidatin. Und im Überschwang ihres Stolzes resp. Übermutes hielt sie eine Brandrede, wie sie selbst Höcke und Gauland in letzter Zeit vermieden haben. Sie zeigte sich kämpferisch, unversöhnlich und radikal menschenverachtend: „Remigration“, wenn die AfD dran wäre, wieso nicht; CO2bepreisung – weg damit und freie Fahrt für Ölverbrennung und damit einhergehende weitere Umweltverschmutzung; Klimawandel – nichts als Bullshit; Windräder – alle abreiẞen, verschandeln nur die Natur. Brandender Beifall: Unsre Alice! Auf die ist Verlass!
Fazit: Diese Kanzlerkandidatin in ihrem Übermut, tut weder Ochs noch Esel gut!
Bei Herrn Habeck läuft die Übermutchose ein wenig subtiler ab. Er verbirgt hinter seiner Biedermannmaske keine wutverzerrte Kenntlichkeit wie Frau Weidel. Eher schon gibt er den verständnisvollen Kommunikator, bereit zum persönlichen Gespräch in der heimischen Küche über die Lasten des Alltages: zuversichtlich, nahbar, kumpelhaft, einfühlsam – ganz auf unserer Seite. Eben einer, für den man auch Opfer bringen würde. Und die lassen ganz sicher nicht lange auf sich warten. Denn übermütig und liebedienerisch, wie er sein kann, hat er, kurz nachdem Trump von 5% mehr für Rüstung geschwafelt hatte, sofort für 3,5% deutsche Rüstungsausgaben plädiert . Diese unverantwortliche Bellizismushaltung wird vermutlich kein Thema bei seinen „Küchengesprächen“ sein. Aber ohne Opfer, nicht nur finanzielle, gehen solche Vorhaben nun mal nicht über die Bühne. Das weiß ein jeder, der Eins und Eins zusammenzählen kann.
Gut ins Bild des Januskopfs des Herrn Habeck passt auch seine neueste Buchveröffentlichung im Verlag Kiepenheuer, pünktlich zum Wahlkampfauftakt versteht sich.
Titel: „Den Bach rauf“; statt runter! Optimistischer geht kaum. Da will uns einer Mut machen, Zuversicht vermitteln, und helfen, die Welt zu verstehen und was sonst so wichtig ist für uns alle. Prima, Herr Habeck. An Über- und Hochmut scheint es Ihnen nicht zu fehlen. Mir hilft das ganze Lebenshilfegerede nicht weiter, wenn der gleiche Politiker, der vorgibt, es ernst mit mir und meinem Leben zu meinen, es für richtig befindet, den Rüstungsetat auf 5% des BIP zu erhöhen und lieber heute als morgen TaurusMarschflugkörper an die Ukraine liefern würde, ohne zu bedenken, was das für unser aller (Un)Sicherheit bedeuten könnte; frei nach Frau Baerbocks Devise „Was die Wählenden wollen, ist mir egal“. Übermut tut aber selten gut!
Außer diesem titelgebenden Sprichwort gibt es noch ein paar andere passende zu den Ausführungen in diesem Artikel: Hochmut kommt vor dem Fall oder Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz.
Ich habe wahrlich kein Interesse daran, dass alles „Den Bach runter(!) geht“. Weder wegen geschichtsvergessener bzw. geschichtsleugnender ewiggestriger RechtsaußenspielerInnen mit bevölkerungsgefährdender Gesinnung noch wegen grüngefärbter BellizismusdienerInnen mit Begluckungsanspruch.
Prima!
Herzliche Sonntagsgrüße