
Gastbeitrag
Von Lorenzo Salomons
- Mai 2025
Offener Brief an den neuen Bundeskanzler
Zu dem Irrtum in Ihrer Regierungserklärung
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
Sie sagten in Ihrer Regierungserklärung am 14.5. im Bundestag
„Denn wer glaubt, Russland gäbe sich mit einem Sieg über die Ukraine oder mit der Annexion von Teilen des Landes zufrieden, der irrt.“
So wie Sie an anderer Stelle bekennen „Ich bin aus ganzem Herzen der Überzeugung“ komme ich ebenfalls aus ganzem Herzen zur Überzeugung, mit Verlaub, Sie irren sich.
Sie werden mich für naiv halten, im Gegensatz zu Ihnen bin ich aber nicht so einseitig informiert. Und halte nichts von einer Dämonisierung Putins, die Henry Kissinger einmal zu Recht als Zeichen einer fehlenden Politik bezeichnet hat.
Jedenfalls haben Sie, wie auch sonst niemand in Deutschland, Erkenntnisse, die Ihre oben zitierte Behauptung zweifelsfrei belegen können. Dagegen gibt es viele Fakten, aber auch namhafte Experten, die gegen diese Behauptung sprechen. Sie finden einige davon in meinen unten verlinkten Beiträgen. Von den Experten möchte ich hier Prof. Jeffrey Sachs von der Columbia Universität zitieren, der wegen seiner herausragenden Expertise, die er sich im Auftrag der Regierungen u.a. Polens, Estlands, der Ukraine und Russland in jahrzehntelanger Tätigkeit erworben hat, kürzlich ins EU-Parlament eingeladen worden war. In seiner Rede vom 21.2.25 sagte er :
„Die Vorstellung, Putin würde das russische Reich wieder aufbauen, ist eine kindische Propaganda. Entschuldigung.“ Und erinnert daran „Vor dem Putsch von 2014 gab es … überhaupt keine Gebietsansprüche. Ich weiß das, weil ich in diesen Jahren immer wieder dort war. Was Russland 2010 verhandelte, war ein 25-jähriger Pachtvertrag für den Marinestützpunkt Sewastopol. Das war alles. Es gab keine russischen Forderungen nach der Krim oder nach dem Donbass. Nichts dergleichen.“ Und später: „Russland wird nicht in Europa einmarschieren. Das ist der springende Punkt. Er mag bis zum Fluss Dnipro kommen, aber es wird nicht in Europa einmarschieren. …Sie wollen sicherstellen, dass die baltischen Staaten sicher sind. Das Beste für die baltischen Staaten ist, ihre Russophobie zu beenden. Das ist das Allerwichtigste. In Estland leben etwa 25 % russische Bürger oder russischsprachige Bürger, also ethnische Russen. Provozieren Sie den Nachbarn nicht, das ist alles. …Ich gebe ihnen also den Rat, sich nicht hinzustellen, Estland, und zu sagen, wir wollen Russland aufbrechen, machen Sie Witze? Nein, so kann man in dieser Welt nicht überleben. Man überlebt mit gegenseitigem Respekt, man überlebt in Verhandlungen, man überlebt in Gesprächen.“
Auch Ihre folgende Behauptung ist zumindest weit übertrieben bis propagandistisch
„Schauen Sie auf die Giftanschläge und Mordtaten in zahlreichen europäischen Städten, auch in unserer Hauptstadt, schauen Sie auf die Cyberangriffe gegen unsere Dateninfrastruktur, schauen Sie auf die physische Zerstörung vieler Daten- und Unterseekabel offenbar auch durch die so genannte Schattenflotte, schauen Sie auf die Spionage- und Sabotageakte und die systematische Desinformation unserer Bevölkerung! Das ist ganz überwiegend das Werk der russischen Staatsführung und ihrer Helfer, auch hier bei uns.“
Dazu verlinke ich unten einen spezifischen Beitrag, aus dem ich zum Thema Zerstörung von Daten- und Unterseekabel zwei Stellen anführe:
„Dagegen kommt die renommierte Washington Post in ihrer Ausgabe am 19.1.2025 zum Schluss: “Accidents, not Russian sabotage, behind undersea cable damage, officials say. An emerging consensus among U.S. and European security services holds that accidents were the cause of damage to Baltic seabed energy and communications lines.” *9)
Dies deckt sich auch mit einer Nachricht im SPIEGEL vom 3.2. Dort heißt es: „Schweden gibt beschlagnahmtes Schiff wieder frei. Zwischen Lettland und Schweden wurde zuletzt ein Kommunikationskabel beschädigt. Der Verdacht: erneute Sabotage. Nun haben Ermittler jedoch eine andere Erklärung. Als Ursache für den Kabelschaden zwischen Lettland und Schweden gilt demnach nun »eine Kombination aus Witterungsbedingungen sowie Mängeln bei der Ausrüstung und der Seemannschaft«, so Oberstaatsanwalt Mats Ljungqvist.“ *10)
Ich glaube kaum, dass diese zwei Stellen Teil der von Ihnen behaupteten russischen Desinformationskampagne sind. Wie auch ich hier und sonst frei irgendwelcher Einfluss- oder Rücksichtnahmen schreibe und veröffentliche.
Mit freundlichen Grüßen
Lorenzo Salomons
Minden/Westf./ jetzt Banska Bystrica (Slowakei)
Links:
Gabriele Krone-Schmalz Vom Feindbild Sowjetunion zum Feindbild Russland
Kommentar hinterlassen
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.